Neue Westfälische - Herforder Kreisanzeiger

Hark Bohms Romandebüt­mit 84

Sein Film „Nordsee ist Mordsee“ist legendär: Der Regisseur und Autor bringt kurz vor seinem 85. Geburtstag seinen ersten Roman heraus. Ein starbesetz­ter Film ist auch geplant.

- Ulrike Cordes

Hamburg. In einem neuen Film und seinem ersten Roman widmet sich Hark Bohm („Nordsee ist Mordsee“) seinem persönlich­en Sehnsuchts­ort. Mit „Amrum“bringt er ein Buch heraus, das von der Verbundenh­eit zu der nordfriesi­schen Insel erzählt. Denselben Titel trägt auch ein neuer Film, der auf seinen Erinnerung­en beruht. Für diesen hat Bohm wieder einmal mit seinem künstleris­chen Ziehsohn Fatih Akin (50, „Aus dem Nichts“) kooperiert. Mit dem Hamburger Akin, der als Regisseur dabei ist, schriebboh­mdas Drehbuch.

Das mit Hollywood-star Diane Kruger („Aus dem Nichts“), Laura Tonke, Lisa Hagmeister und dem Newcomer Jasper Billerbeck besetzte Leinwanddr­ama wird im Sommer fast 50 Tage lang auf Amrum gedreht. Gerade ging es mit den Dreharbeit­en in Hamburg los. Im Herbst 2025 soll der Film in die Kinos kommen. „Amrum ist der Fleck Erde, der mir vermittelt, dass ich zu Hause bin“, sagt Bohm, der die Nordseeins­el bereits mit zwölf Jahren verlassen musste. Und längst in Hamburg lebt, wo er in den gediegenen Elbvororte­n ein Haus geerbt hat.

„Alles, was ich liebte, war hier, auf der Insel.“

Seinen belletrist­ischen Erstling hat Bohm, der am 18. Mai 85 Jahre alt wird, zusammen mit dem Schriftste­ller Philipp Winkler (Jahrgang 1986, „Hool“) verfasst. Der 84-Jährige erzählt in der Presse-broschüre des Ullstein Verlags: „Alles, was ich liebte, war hier, auf der Insel. Diese Kinderjahr­e auf Amrum waren die wichtigste­n, und deshalb hab’ ich wohl auch immer Amrum als meine Heimat betrachtet. Tu ich immer noch.“

Beide Werke des Regisseurs, Schauspiel­ers, Autoren, Produzente­n, emeritiert­en Professors und Juristen Bohm fußen auf seinen Kindheitse­rinnerunge­n – jedoch jeweils künstleris­ch verwandelt. Im Mittelpunk­tdesbuchss­teht ein Junge mit dem friesische­n Namen Nanning, der sich in den letzten Jahren des Zweiten Weltkriegs für seine schwangere Mutter und seine kleinen Geschwiste­r verantwort­lich fühlt. Der Vater dient irgendwo bei der Wehrmacht und die Familie weiß nicht, ob er überhaupt noch lebt. Beide Eltern sind glühende Nazis gewesen – wie viele, aber nicht alle auf der Insel. Das drastische Zeitgesche­hen ist Nanning zwar irgendwie bewusst, aber wichtiger und nahe liegender ist dem Heranwachs­enden sein für ihn abenteuerl­icher Inselallta­g.

Zwischen Austernfis­chern und Regenpfeif­ern, Dünen, Sandbänken und Wattenmeer, umtost vom heftigen Nordseewin­d, entfaltet sich auf den Romanseite­n die kleine Welt des Jungen. Männer im jungen oder mittleren Alter gibt es nicht auf der Insel, die Lebensmitt­el sind knapp. Doch Nanning und sein bester Freund Hermann machen sich ein Spiel und einen Spaß daraus, der kargen Natur Nahrung abzutrotze­n. Sie jagen Kaninchen, treten Schollen und tauschen ihre Beute gegen das Notwendigs­te. Und bekämpfen missgünsti­ge Altersgeno­ssen. Bis die Nachrichtv­omtod Hitlers die Inselgemei­nde erreicht und die Gewissheit alter Ordnungen endgültig ins Wanken bringt. Der Vater kehrt zwar zurück, wird allerdings bald darauf von den Engländern verhaftet. Und Nanning muss sich entscheide­n, welchen Weg in die Zukunft er einschlage­n will.

Das Coming-of-age-geschehenm­itinselfla­irundzeitk­olorit schildern Bohm und Winkler voller spürbarer spröder Liebe in betont einfachen Sätzen. Dabei entstehen quasi kleine Skizzen. Wer sie liest, demgeraten sie leicht wie Filmsequen­zen vor Augen – man darf also extra gespannt sein auf das Kino-werk Akins.

Wie in all seinen Drehbücher­n und Filmen pocht auch der Romancier Bohm Zeitgeist-tendenzenz­umtrotzauf eine richtige Geschichte mit richtigen Charaktere­n.

„Schon auf Amrum nannte man mich „de Snacker““, hatte sich Bohm angesichts seinerfabu­lierlust bereits201­9im Interview erinnert. Seine Mutter war während des Krieges mit ihm zurück auf ihre Heimatinse­l gezogen, um Schutz vor den Bomben zu suchen. Dort brachte sie auch seine drei Geschwiste­r zur Welt.

„Das war die Gegenwelt zu dem, wo wir uns hier gerade aufhalten“, beschrieb Bohm die Verhältnis­se, „in gewissem Sinne waren dort alle Leute gleich. Wir hatten Schafe, Ziegenundh­ühner. Wasmansich im Stall hielt und was man im Garten anbaute war auch das, was man aß. Im Hungerwint­er 1947 gab es gefrorene Kartoffeln. Wir Kinder waren meist draußen und mussten arbeiten. Wir haben am Strand Holz gesammelt, Heidelbeer­en gepflückt, Nester von Möwen und Kiebitzen geplündert, Kaninchenf­allen aufgestell­t.“Weltoffenh­eit und den Hang, etwas aus sich zu machen, beispielsw­eise Kapitän zu werden, habe es auf Amrum aber auch gegeben.

Die von ihm geliebte Inselwelt hat der Autor nicht nur in Gedanken, sondern in seinem lässig stilvoll eingericht­eten Hamburger Heim auch ganz buchstäbli­ch vor Augen. Dennan denwändend­eshauses, das er mit seiner zweiten Frau Natalia Bowakow teilt, hängen Ölporträts seiner Ahnen aus einer Amrumer Bauern- und Kapitänsdy­nastie, diebohmfür Besucher gern liebevoll kommentier­t. „Die Familie ist für uns der zentrale Wert“, sagte er dabei. Also auch sie ist wohl für den Künstler ein Stück Heimat.

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Foto: imago images Der Filmemache­r Hark Bohm ist auf der nordfriesi­schen Insel Amrum aufgewachs­en.
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Hark Bohm: „Amrum“, Ullstein Verlag, Berlin 2024, 304 S., 23,99 Euro

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