Neue Westfälische - Herforder Kreisanzeiger
Zerstörte Plakate, Beleidigungen: Was Politiker im Kreis Herford erleben
Beschmierte Plakate sind schon beinahe alltäglich – doch mittlerweile haben die Beschädigungen ein neues Niveau erreicht. So bewerten heimische Kommunalpolitiker die körperlichen Attacken auf ihre Kollegen.
Kreis Herford. Ein Angriff auf Franziska Giffey, Ex-ministerin und frühere Regierende Bürgermeisterin Berlins, die danach verletzt ins Krankenhaus gebracht werden musste. Eine Spuck-attacke auf eine grünekommunalpolitikerinin Dresden und zuvor der Angriff auf Matthias Ecke, den Europawahl-spitzenkandidaten der sächsischen SPD, der ebenfalls in eine Klinik gebracht werden musste.
Im SPD-BÜRO an der Mindener Straße ist man noch immer fassungslos. Dass ein Genosse allein wegen seines politischen Engagements im Krankenhaus gelandet ist, haben die Sozialdemokratenim Kreis mit Bestürzungaufgenommen, wie Petra Basler von der Geschäftsstelle sagt. „Und auch in Gesprächen spürt man eine tiefe Betroffenheit.“
Wahlkampfhelfer nicht mehr allein unterwegs
Einschüchtern lassen sich die Sozialdemokraten von solchen Attacken aber nicht. Im Gegenteil mache sich spätestens seit dem Vorfall in Dresden eine „Jetzt erst recht“Mentalität in der SPD breit. „Und vielleicht öffnet das ja dem einen oder anderen die Augen, was in diesem Land gerade passiert“, so Basler abschließend.
Mit Plakatschmierereien müssen die Parteien leben, wie Stefan Schwartze, heimischer Spd-bundestagsabgeordneter, und seine Landeskollegen Christian Dahm und Christian Obrok in einem gemeinsamen Statement betonen.
Die Kandidaten würden mit Brilleundein paarblumenverschönert oder haben plötzlich Haare, wosonstkeinesind. Das sei natürlich nicht in Ordnung, aber noch vor ein paar Jahren wurde mit einem Lächeln drüber hinweggesehen und einfach neu plakatiert. Allerdings haben die Schmierereien und Zerstörungen mittlerweile eine andere Dimension erreicht, so die Abgeordneten, die dabei auf ihre Erfahrungen seit Ende April verweisen.
Betroffen sindauchdiewerbetafeln an Kreuzungen und Straßen. „Auffällig ist, dass diese innerhalb kürzester Zeit schon beschmiert oder gar komplettzerstörtwurden. Hier werden Nazi-symbole verwendet, Partei-namen durchgestrichen und mit Afd-schriftzügen versehen, oder Plakate einfach komplett demoliert. Aktuell liegen im Kreis Herford allein bei der SPD sechs Vorfälle mit Beschmierungen oder anderen Beschädigungen aus Bünde, Hiddenhausen, Spenge und Herford vor“, so die drei Abgeordneten.
In mindestens drei Fällen wurdendiebeschädigungenals politischer Straftatbestand eingeordnet. Ein Plakat wurde mit Hakenkreuzen und Hitlerbärten beschmiert. Für die Ermittlungen ist nicht die Herforder Polizei, sondern der Staatsschutz in Bielefeld zuständig.
Dass der Ton rauer und die politische Auseinandersetzung aggressiver geworden ist, spürt man auch bei Bündnis 90/Die Grünen. „Zumindest haben wir das Gefühl, dass wir mittlerweile deutlich stärker offen angefeindet werden“, sagt Kreis-geschäftsführerin Andrea Tapp. Anfang des Jahres etwa sei mehrfach rohes Fleisch oder Fisch im Briefkasten der Parteizentrale in Herford gelandet.
Zudem stelle man immer wieder rechtsextreme Schmierereien auf Großplakaten fest. „Die zeigen wir natürlich an. Schon allein wegen der Statistik und weil dann automatisch der Staatsschutz eingeschaltet wird.“Zu körperlichen Angriffen auf Wahlkämpfer sei es im Wittekindsland indes noch nicht gekommen, wohl aber zu Beschimpfungen und rüden Gesten. „Aber die heiße Phase mit Veranstaltungen und Infoständen beginnt auch erst“, sagt Tapp.
Dass Matthias Ecke beim Aufhängen von Plakaten attackiert worden war, ist für Tapp derweil kein Grund, den eigenen Wahlkampf zu überdenken. Schon jetzt sei das Plakatieren Sache der Ortsverbände. „Manche machen es schon gar nicht mehr, andere haben externe Firmen beauftragt“, sagt die Geschäftsführerin. Das sei aber vor allem eine Frage des Geldes und weniger eine Frage der Sicherheit.
„Die Entwicklung vom Verbalen zu Handgreiflichkeiten macht mir Sorgen“, sagt der Cdu-kreisvorsitzende Joachim Ebmeyer. „So einen Vorfall in dieser Dimension hat es im Kreis Herford aber noch nicht gegeben.“Anfeindungen bekämen jedoch gerade Bürgermeister vor Ort zu spüren.
Ebmeyer macht sich Sorgen, dass so immer weniger Menschen vor Ort bereit seien, für einmandatzu kandidieren, „so wie die unter Beschuss stehen“, sagt er.
Körperliche Angriffe auf Wahlkampfhelfer der CDU sind ihm im Kreis nicht bekannt. „Es kommt höchstens mal ein Hupen oder ein Spruch“, sagt Ebmeyer. Ihm selbst sei das zuletzt beim Kirschblütenfest in Enger passiert. Er habe ein Plakat für die Cduaufhängen wollenundsei aus einer Gruppe angesprochen worden. „Gib her, dann packen wir es in die Mülltonne“, soll es geheißen haben.
Zur Sicherheit seien die Wahlkampfhelfer der Partei aber immer zu zweit unterwegs. „Ich finde es aber gut, welche Solidaritätsbekundungen es gab“, sagt Ebmeyer. Denn der Übergriff auf Ecke betreffe alle Parteien. „Wir müssen alle solidarisch zusammenstehen“, so Ebmeyer.