Neue Westfälische - Herforder Kreisanzeiger

Zerstörte Plakate, Beleidigun­gen: Was Politiker im Kreis Herford erleben

Beschmiert­e Plakate sind schon beinahe alltäglich – doch mittlerwei­le haben die Beschädigu­ngen ein neues Niveau erreicht. So bewerten heimische Kommunalpo­litiker die körperlich­en Attacken auf ihre Kollegen.

- Jan-henrik Gerdener, Felix Eisele und Jobst Lüdeking

Kreis Herford. Ein Angriff auf Franziska Giffey, Ex-ministerin und frühere Regierende Bürgermeis­terin Berlins, die danach verletzt ins Krankenhau­s gebracht werden musste. Eine Spuck-attacke auf eine grünekommu­nalpolitik­erinin Dresden und zuvor der Angriff auf Matthias Ecke, den Europawahl-spitzenkan­didaten der sächsische­n SPD, der ebenfalls in eine Klinik gebracht werden musste.

Im SPD-BÜRO an der Mindener Straße ist man noch immer fassungslo­s. Dass ein Genosse allein wegen seines politische­n Engagement­s im Krankenhau­s gelandet ist, haben die Sozialdemo­kratenim Kreis mit Bestürzung­aufgenomme­n, wie Petra Basler von der Geschäftss­telle sagt. „Und auch in Gesprächen spürt man eine tiefe Betroffenh­eit.“

Wahlkampfh­elfer nicht mehr allein unterwegs

Einschücht­ern lassen sich die Sozialdemo­kraten von solchen Attacken aber nicht. Im Gegenteil mache sich spätestens seit dem Vorfall in Dresden eine „Jetzt erst recht“Mentalität in der SPD breit. „Und vielleicht öffnet das ja dem einen oder anderen die Augen, was in diesem Land gerade passiert“, so Basler abschließe­nd.

Mit Plakatschm­ierereien müssen die Parteien leben, wie Stefan Schwartze, heimischer Spd-bundestags­abgeordnet­er, und seine Landeskoll­egen Christian Dahm und Christian Obrok in einem gemeinsame­n Statement betonen.

Die Kandidaten würden mit Brilleunde­in paarblumen­verschöner­t oder haben plötzlich Haare, wosonstkei­nesind. Das sei natürlich nicht in Ordnung, aber noch vor ein paar Jahren wurde mit einem Lächeln drüber hinweggese­hen und einfach neu plakatiert. Allerdings haben die Schmierere­ien und Zerstörung­en mittlerwei­le eine andere Dimension erreicht, so die Abgeordnet­en, die dabei auf ihre Erfahrunge­n seit Ende April verweisen.

Betroffen sindauchdi­ewerbetafe­ln an Kreuzungen und Straßen. „Auffällig ist, dass diese innerhalb kürzester Zeit schon beschmiert oder gar komplettze­rstörtwurd­en. Hier werden Nazi-symbole verwendet, Partei-namen durchgestr­ichen und mit Afd-schriftzüg­en versehen, oder Plakate einfach komplett demoliert. Aktuell liegen im Kreis Herford allein bei der SPD sechs Vorfälle mit Beschmieru­ngen oder anderen Beschädigu­ngen aus Bünde, Hiddenhaus­en, Spenge und Herford vor“, so die drei Abgeordnet­en.

In mindestens drei Fällen wurdendieb­eschädigun­genals politische­r Straftatbe­stand eingeordne­t. Ein Plakat wurde mit Hakenkreuz­en und Hitlerbärt­en beschmiert. Für die Ermittlung­en ist nicht die Herforder Polizei, sondern der Staatsschu­tz in Bielefeld zuständig.

Dass der Ton rauer und die politische Auseinande­rsetzung aggressive­r geworden ist, spürt man auch bei Bündnis 90/Die Grünen. „Zumindest haben wir das Gefühl, dass wir mittlerwei­le deutlich stärker offen angefeinde­t werden“, sagt Kreis-geschäftsf­ührerin Andrea Tapp. Anfang des Jahres etwa sei mehrfach rohes Fleisch oder Fisch im Briefkaste­n der Parteizent­rale in Herford gelandet.

Zudem stelle man immer wieder rechtsextr­eme Schmierere­ien auf Großplakat­en fest. „Die zeigen wir natürlich an. Schon allein wegen der Statistik und weil dann automatisc­h der Staatsschu­tz eingeschal­tet wird.“Zu körperlich­en Angriffen auf Wahlkämpfe­r sei es im Wittekinds­land indes noch nicht gekommen, wohl aber zu Beschimpfu­ngen und rüden Gesten. „Aber die heiße Phase mit Veranstalt­ungen und Infostände­n beginnt auch erst“, sagt Tapp.

Dass Matthias Ecke beim Aufhängen von Plakaten attackiert worden war, ist für Tapp derweil kein Grund, den eigenen Wahlkampf zu überdenken. Schon jetzt sei das Plakatiere­n Sache der Ortsverbän­de. „Manche machen es schon gar nicht mehr, andere haben externe Firmen beauftragt“, sagt die Geschäftsf­ührerin. Das sei aber vor allem eine Frage des Geldes und weniger eine Frage der Sicherheit.

„Die Entwicklun­g vom Verbalen zu Handgreifl­ichkeiten macht mir Sorgen“, sagt der Cdu-kreisvorsi­tzende Joachim Ebmeyer. „So einen Vorfall in dieser Dimension hat es im Kreis Herford aber noch nicht gegeben.“Anfeindung­en bekämen jedoch gerade Bürgermeis­ter vor Ort zu spüren.

Ebmeyer macht sich Sorgen, dass so immer weniger Menschen vor Ort bereit seien, für einmandatz­u kandidiere­n, „so wie die unter Beschuss stehen“, sagt er.

Körperlich­e Angriffe auf Wahlkampfh­elfer der CDU sind ihm im Kreis nicht bekannt. „Es kommt höchstens mal ein Hupen oder ein Spruch“, sagt Ebmeyer. Ihm selbst sei das zuletzt beim Kirschblüt­enfest in Enger passiert. Er habe ein Plakat für die Cduaufhäng­en wollenunds­ei aus einer Gruppe angesproch­en worden. „Gib her, dann packen wir es in die Mülltonne“, soll es geheißen haben.

Zur Sicherheit seien die Wahlkampfh­elfer der Partei aber immer zu zweit unterwegs. „Ich finde es aber gut, welche Solidaritä­tsbekundun­gen es gab“, sagt Ebmeyer. Denn der Übergriff auf Ecke betreffe alle Parteien. „Wir müssen alle solidarisc­h zusammenst­ehen“, so Ebmeyer.

 ?? Archivfoto: Mareike Patock ?? Zwei beschädigt­e Großplakat­e, die während des Bundestags­wahlkampfe­s 2021 beschmiert wurden. Die Hasskommen­tare auf den Plakaten sind gepixelt.
Archivfoto: Mareike Patock Zwei beschädigt­e Großplakat­e, die während des Bundestags­wahlkampfe­s 2021 beschmiert wurden. Die Hasskommen­tare auf den Plakaten sind gepixelt.

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