Neue Westfälische - Herforder Kreisanzeiger
Der Relativitäts-Kombi
Der Volvo V60 als Plug-in-Kombi: In Qualität und Verarbeitung ist der Schweden-Kombi ein Vertreter ohne Fehl und Tadel, an der technischen Ausrüstung merkt man, dass er schon ein paar Jahre auf dem Entwicklungsbuckel hat.
Vieles im Leben ist relativ. An dieser Stelle muss noch nicht einmal Albert Einstein bemüht werden. Es reicht der Blick auf den Volvo V60: Der Schwede, der als Plug-in-Hybrid T8 mit 310-PS-Benziner und 145-PS-Elektromotor vorfuhr, ist ein Musterbeispiel für Relativität.
Der V60 ist ein Kombi der Mittelklasse. Kombi – bedeutet viel Platz. Oder? Relativ. 519 Liter im Normalzustand sind ein guter Wert, wenn man die hintere Sitzreihe umklappt, werden daraus 1431, das können manche Konkurrenten besser. Immerhin gibt es für die Passagiere kaum Einschränkungen hinsichtlich des Platzangebotes.
Das T8 genannte Spitzenmodell des V60 trägt den Zusatz „Polestar Engineered“, soll einen Zusammenhang mit der einstigen Sport- und jetzigen Elektro-Tochter Polestar herstellen. Das schlägt sich zum einen in manchen sportlichen Accessoires nieder wie goldenen Bremssätteln oder goldenen Gurten, zum anderen beispielsweise in einem Sportfahrwerk, das aus dem grundsätzlich (relativ) komfortablen Kombi einen nicht nur relativ, sondern dank speziellen Fahrwerks und härterer Federn tatsächlich straff abgestimmten Kombi macht. Das Rollen über Querfugen oder Gullydeckel kann für leidgeplagte Rücken zur Belastungsprobe werden.
Sind mit den Ingenieurleistungen der Polestar-Abteilung auch sportliche Fahrleistungen möglich? Relativ. Zumindest, wenn es um Sprintfähigkeiten geht. 4,6 Sekunden dauert der Spurt aus dem Stand auf 100 Kilometer, ein beeindruckender Wert für einen sehr zivil auftretenden Kombi, bei dem äußerlich so gut wie nichts auf sportliche Fahrleistungen hindeutet. Wie bei Volvo üblich, ist bei 180 km/h Schluss – das zumindest ist aus jeder Hinsicht und ohne jede Einschränkung vernünftig. Nicht nur relativ.
Ein Plug-in-Hybrid verspricht sparsamen Benzinverbrauch, da der Elektromotor weite Teile des Alltags das Fahrzeug alleine antreiben kann. Das ist hier – Sie ahnen es – relativ der Fall. Die 1,1 Liter Verbrauch, die auf den industriefreundlichen WLTPPrüfständen ermittelt wurden, sind auf den realen Straßen natürlich nicht zu erreichen. Gute 60 Kilometer schafft der V60 rein elektrisch, ist er voll aufgeladen. Nur wer regelmäßig das Ladekabel anschließt – an der 11-kW-Wallbox lädt die
Batterie in rund fünf Stunden wieder voll –, kommt auf erfreulich niedrige Benzinverbräuche. Wer auch mal auf längere Autobahnpassagen muss, der wird kaum eine fünf vor dem Komma schaffen.
In Sachen Qualität und Verarbeitung ist der Schweden-Kombi ein Vertreter ohne Fehl und Tadel, an der technischen Ausrüstung und Bedienung merkt man, dass der V60 schon ein paar Jahre auf dem Entwicklungsbuckel hat: Zwar ist die Google-Maps-Einbindung immer noch up to date, aber an der einen oder anderen Stelle fehlen Features, die in heutigen Premium-Fahrzeugen Standard sind wie etwa eine kabellose Lademöglichkeit für das Smartphone oder die ebenso kabellose Spiegelung des Smartphones auf den Fahrzeug-Bildschirm.
60.150 Euro kostet der günstigste Plug-in-Hybrid – ist das noch relativ günstig? Vermutlich nicht, denn der Preis gilt für das schwächere Modell T6 (253 und 145 PS) in der niedrigsten Ausstattungsvariante. Für den T8 in Polestar-Engineered-Ausstattung schlägt Volvo satte 18.200 Euro drauf, dazu kamen noch weitere Extras wie eine Soundanlage von Bowers & Wilkins, 20Zöller oder Metalliclack, sodass am Ende 86.500 Euro zu Buche standen. Da ist dann das Wörtchen „relativ“nur noch relativ schwer verwendbar…