Neue Westfälische - Höxtersche Kreiszeitung
Die Wahrheit über den Krieg in der Feldpost
Friedrich Ernst und Franz Meyer analysieren und lesen zwischen den Zeilen. Im Mittelpunkt stehen die Briefe des Gefreiten Fritz Schlüter.
¥ Bredenborn. Rund 30 Milliarden Feldpostbriefe wurden im Ersten Weltkrieg verschickt, geschätzte 10 Milliarden mehr waren es im zweiten. Genannt wurden diese Zahlen vom Historiker und Stadtheimatpfleger Marienmünster, Franz Meyer. Auf Einladung von Friedrich Ernst war er in die Heimatstube Bredenborn gekommen, um in ein Thema einzuführen, das zurzeit nicht nur den Einlader, sondern auch zahlreiche Menschen jeden Alters beschäftigt. Doch während sich die üblichen Diskussionen über die Weltkriege in der Regel um Schlachten, Siege, Verluste und Eroberungen drehen, standen hier die von der Front in die Heimat und von der Heimat an die Front verschickten Briefe des Rekruten und späteren Gefreiten Fritz Schlüter im Mittelpunkt.
Lautfranzmeyerwarendiese Feldpostbriefe in der noch handylosen Zeit über viele Jahre die einzige Verbindung zwischen den Kriegsdienstleistenden und ihren Angehörigen. Umso mehr lohne es sich, sie genau zu betrachten und zwischen den Zeilen zu lesen, sagte Meyer. Denn nur dadurch seien manche Wahrheiten über die Kriegsverläufe und die echten Gefühle der Briefeschreiber zu erkennen.
Wie Recht Meyer mit dieser Einschätzung hat, zeigte sich in dem rund zweistündigen Vortrag von Friedrich Ernst. Dessen Schilderungen charakterisierten seinen Onkel Fritz als einen unbekümmerten Zwanzigjährigen, der bereits im Arbeitsdienst geschickt auf den von den Nazis geplanten Krieg vorbereitet wurde. Sie zeigten ferner einen offensichtlich verliebten Jüngling, der in der festen Überzeugung lebte, alsbald wieder in der heimischen Landwirtschaft tätig sein zu können.
Sie zeigen auf zahlreichen, von einem, mit einer sehr guten Kamera ausgestatteten Kameraden gemachten Fotos, ein unbekümmertes Gesicht. Und sie führen zu einem Soldaten, der sich 1942 nach dem Verdienst der Ostmedaille (Gefrierfleischorden) stark verändert. Das sowohl im Aussehen als auch in seinem Schreibstil. Vom Gesichtsausdruck her wirkt er traumatisiert abwesend, während vor allem sein letzter Brief eine Intensität aufweist, die bei mehrmaligem Lesen und intensiver Analyse erkennen lässt, wie nahe er den Tod spürt und wie fern die Heimat plötzlich für ihn ist.
Was betroffen macht, sind die vielen Fotos aus der damals von den Deutschen besetzten Ukraine. Denn auf mehreren von ihnen sind Straßenzüge und historische Bauten zu sehen, wie wir sie seit zwei Jahren wieder aus dem Fernsehen kennen.
Doch noch etwas fällt auf: Über das Leid, das wir Deutsche – und dieses „Wir“ist von Franz Meyer ganz bewusst gewählt – über Polen, Ukrainer, Russen und andere Volksgruppen brachten, wurde in diesem Kontext leider kaum gesprochen.
Interessierte bekommen eine gebundene Zusammenfassung der Feldpostbriefe bei Friedrich Ernst zum Selbstkostenpreis von 6 Euro.