Neue Westfälische - Höxtersche Kreiszeitung
Klare Haltung bis in den Tod
Vor 80 Jahren starb der Brakeler Pfarrer Friedrich Grüne, der aufgrund seiner kritischen Haltung gegenüber dem Ns-regime aus Brakel verbannt wurde.
¥ Brakel. In Brakel gibt es die Dechant-grüne-straße. Doch die Erinnerung an den früheren katholischen Pfarrer gerät immer mehr in Vergessenheit. So wie die Inschrift auf seinem Grabstein auf dem Brakeler Friedhof bis zur Unlesbarkeit verwittert ist. Auf Initiative der Katholischen Kirchengemeinde wurde der Stein vor einigen Tagen restauriert. Und die Kirchengemeinde erinnertsichanihnanlässlichseines 80. Todestages. Pfarrer Friedrich Grüne gehört zu den Menschen, die aufgrund ihrer kritischen und klaren Einstellung mit dem Ns-regime in Brakel in Konflikt geraten sind.
Geboren wurde er am 19. November 1867 in Meschede. Nach dem Abitur 1887 in Brilon studierte er in Paderborn, Münster und Würzburg katholische Theologie. Am 15. August 1891 wurde er in Paderborn zum Priester geweiht. Seine erste Stelle erhielt er im Eichsfeld, in Heiligenstadt, das bis 1930 zum Bistum Paderborn gehörte. Der Weg führte ihn dann ins Ruhrgebiet nach Bochum und Gelsenkirchenschalke.
Neben der Pfarrseelsorge war er Gefängnisseelsorger in Bochum und ab 1906 Diözesanpräses der Gesellenvereine (heute Kolping) im Bistum Paderborn.am30.mai1922wurde er Pfarrer in St. Michael Brakel, ein Jahr später Dechant des
Dekanates Brakel. In der ostwestfälischen Kleinstadt war er auch einige Jahre Vorsitzender der Zentrumspartei. 1939 wurde er von Erzbischof Caspar Klein zum Geistlichen Rat ehrenhalber ernannt, der damit sein seelsorgliches Engagement würdigte. 1941 geriet er in das Visier der Geheimen Staatspolizei.
Am 26. Januar 1941 hatten die holländischen Bischöfe ein von allen Kanzeln der katholischen Kirchen in Holland verlesen lassen. In einer klaren Sprache zogen die Oberhirten unerschrocken Folgerungen aus der verhängnisvollen kirchenpolitischen Lage in Deutschland und der Entwicklung im eigenen Land. Abschriften dieses Hirtenschreibens waren am 12. Februar 1941 auf einer Priesterkonferenz für das Dekanat Brakel, die in Bad Driburg stattfand von Pater Franz Riepe (18851942) aus dem Missionshaus in Bad Driburg an die Teilnehmer verteilt worden.
Riepe hatte sich laut Gestapobericht Bielefeld „widerholt in staatabträglicher Weise geäußert“. Auf besagter Priesterkonferenz war unter den Geistlichen „ein zuverlässiger V-mann“der die Geheime
Staatspolizei über Verlauf und Inhalt des Treffens informiert hat. Daraufhin wurden sowohl Pater Riepe als auch Pfarrer Friedrich Grüne sowie der Driburger Pfarrer Wilhelm Becker (1880-1963) am 20. Februar 1941 verhaftet, die sich ebenfalls schon früher in „staatsabtrünniger Weise“geäußert hätten. Die politische Führung wollte hier ein Exempel statuieren. Pfarrer Grüne kam in das Polizeigefängnis nach Bielefeld.
Am 18. März wurde Pfarrer Grüne aus dem Gefängnis entlassen, durfte aber nicht in seine Gemeinde nach Brakel zurückkehren. Er erhielt ein Aufenthaltsverbot für Rheinland, Westfalen und Lippe. Zunächst kam er bei den Armen Schulschwestern in Herzberg im Harz unter, wo er sich jede Woche bei der Polizei melden musste. Nach einem Zwischenaufenthalt bei einer befreundeten Apothekerfamilie in Würzburg fand er Anfang September 1941 Aufnahme bei einem alten Lehrerehepaar in Bad Pyrmont.
Sowohl die Seelsorgehelferin als auch seine Haushälterin versorgten Pfarrer Grüne in dieser Zeit mit Büchern und Lebensmitteln. Bitter war es für Pfarrer Grüne, dass er sein goldenes Priesterjubiläum am 15. August 1941 nicht in Brakel feiern konnte. Er wurde weiter durch die Gestapo beobachtet. Da sich Grünes Hoffnung auf ein schnelles Ende des Dritten
Reiches auch Anfang 1942 nicht erfüllte, verzichtete er zum 1. Februar 1942 auf seine Pfarrstelle in Brakel. Aus seiner Sicht war es nicht länger zu verantworten „die Pfarrgemeinde Brakel noch länger ohne Pfarrer zu belassen“.
Nach der Versetzung in den Ruhestand erreichte das Generalvikariat in Paderborn die Aufhebung des Aufenthaltsverbotes für Westfalen. Nach Brakel konnte er allerdings nicht mehr zurückkehren. Die Erzbischöfliche Behörde übertrug ihm die seelsorgliche Betreuung der Kapellengemeinde Bremke im Sauerland. Eine Rückkehr zu Lebzeiten nach Brakel war ihm nicht vergönnt. Am 1. März 1944 starb er im Krankenhaus in Eslohe.
Die Vorbereitungen zur Überführung der Leiche nach Brakel wurde in aller Stille vollzogen, damit die Beerdigung staatlicherseits nicht verhindert werden konnte. Der Tote wurde bis zum Begräbnistag in der Kapuzinerkirche aufgebahrt.
Die Gemeinde konnte am offenen Sarg von ihrem langjährigen Seelsorger Abschied nehmen. Zum großen Ärger der Nazis, die die Verbannung des Verstorbenen betrieben hatten, wurde die Beerdigung am 5. März 1944 zu einem machtvollen Bekenntnis der Katholiken in Brakel und aller seiner auswärtigen Bekannten und Freunde, die in großer Zahl erschienen waren.