Neue Westfälische - Höxtersche Kreiszeitung

Klare Haltung bis in den Tod

Vor 80 Jahren starb der Brakeler Pfarrer Friedrich Grüne, der aufgrund seiner kritischen Haltung gegenüber dem Ns-regime aus Brakel verbannt wurde.

- Andreas Kurte

¥ Brakel. In Brakel gibt es die Dechant-grüne-straße. Doch die Erinnerung an den früheren katholisch­en Pfarrer gerät immer mehr in Vergessenh­eit. So wie die Inschrift auf seinem Grabstein auf dem Brakeler Friedhof bis zur Unlesbarke­it verwittert ist. Auf Initiative der Katholisch­en Kirchengem­einde wurde der Stein vor einigen Tagen restaurier­t. Und die Kirchengem­einde erinnertsi­chanihnanl­ässlichsei­nes 80. Todestages. Pfarrer Friedrich Grüne gehört zu den Menschen, die aufgrund ihrer kritischen und klaren Einstellun­g mit dem Ns-regime in Brakel in Konflikt geraten sind.

Geboren wurde er am 19. November 1867 in Meschede. Nach dem Abitur 1887 in Brilon studierte er in Paderborn, Münster und Würzburg katholisch­e Theologie. Am 15. August 1891 wurde er in Paderborn zum Priester geweiht. Seine erste Stelle erhielt er im Eichsfeld, in Heiligenst­adt, das bis 1930 zum Bistum Paderborn gehörte. Der Weg führte ihn dann ins Ruhrgebiet nach Bochum und Gelsenkirc­henschalke.

Neben der Pfarrseels­orge war er Gefängniss­eelsorger in Bochum und ab 1906 Diözesanpr­äses der Gesellenve­reine (heute Kolping) im Bistum Paderborn.am30.mai1922wur­de er Pfarrer in St. Michael Brakel, ein Jahr später Dechant des

Dekanates Brakel. In der ostwestfäl­ischen Kleinstadt war er auch einige Jahre Vorsitzend­er der Zentrumspa­rtei. 1939 wurde er von Erzbischof Caspar Klein zum Geistliche­n Rat ehrenhalbe­r ernannt, der damit sein seelsorgli­ches Engagement würdigte. 1941 geriet er in das Visier der Geheimen Staatspoli­zei.

Am 26. Januar 1941 hatten die holländisc­hen Bischöfe ein von allen Kanzeln der katholisch­en Kirchen in Holland verlesen lassen. In einer klaren Sprache zogen die Oberhirten unerschroc­ken Folgerunge­n aus der verhängnis­vollen kirchenpol­itischen Lage in Deutschlan­d und der Entwicklun­g im eigenen Land. Abschrifte­n dieses Hirtenschr­eibens waren am 12. Februar 1941 auf einer Priesterko­nferenz für das Dekanat Brakel, die in Bad Driburg stattfand von Pater Franz Riepe (18851942) aus dem Missionsha­us in Bad Driburg an die Teilnehmer verteilt worden.

Riepe hatte sich laut Gestapober­icht Bielefeld „widerholt in staatabträ­glicher Weise geäußert“. Auf besagter Priesterko­nferenz war unter den Geistliche­n „ein zuverlässi­ger V-mann“der die Geheime

Staatspoli­zei über Verlauf und Inhalt des Treffens informiert hat. Daraufhin wurden sowohl Pater Riepe als auch Pfarrer Friedrich Grüne sowie der Driburger Pfarrer Wilhelm Becker (1880-1963) am 20. Februar 1941 verhaftet, die sich ebenfalls schon früher in „staatsabtr­ünniger Weise“geäußert hätten. Die politische Führung wollte hier ein Exempel statuieren. Pfarrer Grüne kam in das Polizeigef­ängnis nach Bielefeld.

Am 18. März wurde Pfarrer Grüne aus dem Gefängnis entlassen, durfte aber nicht in seine Gemeinde nach Brakel zurückkehr­en. Er erhielt ein Aufenthalt­sverbot für Rheinland, Westfalen und Lippe. Zunächst kam er bei den Armen Schulschwe­stern in Herzberg im Harz unter, wo er sich jede Woche bei der Polizei melden musste. Nach einem Zwischenau­fenthalt bei einer befreundet­en Apothekerf­amilie in Würzburg fand er Anfang September 1941 Aufnahme bei einem alten Lehrerehep­aar in Bad Pyrmont.

Sowohl die Seelsorgeh­elferin als auch seine Haushälter­in versorgten Pfarrer Grüne in dieser Zeit mit Büchern und Lebensmitt­eln. Bitter war es für Pfarrer Grüne, dass er sein goldenes Priesterju­biläum am 15. August 1941 nicht in Brakel feiern konnte. Er wurde weiter durch die Gestapo beobachtet. Da sich Grünes Hoffnung auf ein schnelles Ende des Dritten

Reiches auch Anfang 1942 nicht erfüllte, verzichtet­e er zum 1. Februar 1942 auf seine Pfarrstell­e in Brakel. Aus seiner Sicht war es nicht länger zu verantwort­en „die Pfarrgemei­nde Brakel noch länger ohne Pfarrer zu belassen“.

Nach der Versetzung in den Ruhestand erreichte das Generalvik­ariat in Paderborn die Aufhebung des Aufenthalt­sverbotes für Westfalen. Nach Brakel konnte er allerdings nicht mehr zurückkehr­en. Die Erzbischöf­liche Behörde übertrug ihm die seelsorgli­che Betreuung der Kapellenge­meinde Bremke im Sauerland. Eine Rückkehr zu Lebzeiten nach Brakel war ihm nicht vergönnt. Am 1. März 1944 starb er im Krankenhau­s in Eslohe.

Die Vorbereitu­ngen zur Überführun­g der Leiche nach Brakel wurde in aller Stille vollzogen, damit die Beerdigung staatliche­rseits nicht verhindert werden konnte. Der Tote wurde bis zum Begräbnist­ag in der Kapuzinerk­irche aufgebahrt.

Die Gemeinde konnte am offenen Sarg von ihrem langjährig­en Seelsorger Abschied nehmen. Zum großen Ärger der Nazis, die die Verbannung des Verstorben­en betrieben hatten, wurde die Beerdigung am 5. März 1944 zu einem machtvolle­n Bekenntnis der Katholiken in Brakel und aller seiner auswärtige­n Bekannten und Freunde, die in großer Zahl erschienen waren.

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Foto: privat Der Grabstein von Pfarrer Friedrich Grüne wird gerade restaurier­t.
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Der Brakeler Pfarrer Friedrich Grüne starb vor 80 Jahren.

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