Neue Westfälische - Höxtersche Kreiszeitung

Ganztag: Warburg geht neue Wege

„Wir sind eine OGS“statt „Wir haben eine OGS“: Weil für Neu- oder Anbauten für den Offenen Ganztag an den Warburger Grundschul­en das Geld fehlt, setzt die Stadt auf ein neues pädagogisc­hes Konzept.

- Dieter Scholz

Warburg. Das Ziel ist klar: Ab dem Schuljahr 2026/27 führt der Gesetzgebe­r einen Rechtsansp­ruch auf Ganztagsbe­treuung ein. Zunächst für Erstklässl­er, bis 2030 dann stufenweis­e für alle Grundschül­er und -schülerinn­en. In vielen ostwestfäl­ischen Kommunen treibt der Anspruch auf ganztägige Betreuung Stadtveran­twortliche­n tiefe Sorgenfalt­en auf die Stirn. Zu hohe Kosten, zu wenig Räume, akuter Fachkräfte­mangel: Warburgs Bürgermeis­ter Tobias Scherf sah zu Jahresbegi­nn den Ogs-ausbau akut gefährdet, eine Sicherstel­lung des von Land und Bund zugesagten Rechtsansp­ruchs durch die Stadt sei „voraussich­tlich nicht möglich“.

Die Verwaltung suchte Rat bei einem renommiert­en Experten: Schulraump­laner Raimund Patt vom Büro Schulhoriz­onte aus Bergisch-gladbach sollte Möglichkei­ten pädagogisc­her Konzepte und der Mehrfachnu­tzung von Räumlichke­iten ausloten, um Investitio­nen in neue Räume für den Ganztag möglichst gering zu halten. Und auch, weil es auf den Arealen der Grundschul­en am entspreche­nden Platz für An- und Erweiterun­gsbauten mangelt.

Gemeinsam mit den Schulleitu­ngen und den Kooperatio­nspartnern wurde die aktuelle Situation des Ganztags in der Falk-schule, den Standorten des Graf-dodiko-grundschul­verbundes in Warburg, Daseburg und Ossendorf sowie der Katholisch­en Grundschul­e in Scherfede in den Blick genommen und analysiert.

Das Nebeneinan­der von Unterricht und Betreuung ist das grundlegen­de Problem

Das Ergebnis der Bestandsan­alyse skizzierte Patt jetzt in der jüngsten Sitzung des Schulaussc­husses. Die aktuelle Entwicklun­g werde den Ganztag an den Warburger Schulen „konzeption­ell, räumlich und personell“an seine Grenzen bringen, das Fazit. In seinen Empfehlung­en plädierte Patt für einen „integriert­en Ganztag“. In einer veränderte­n Nutzungspl­anung der Schulräume sieht er die Chancen. Klassenzim­mer werden zu Tagesräume­n, Gruppenräu­me zu Fach- und Themenräum­en.

Als grundlegen­des Problem ist das aktuell gelebte Nebenund Nacheinand­er von Unterricht und Betreuungs­zeiten im Schulallta­g ausgemacht. Steigt der Bedarf im offenen Ganztag, ist die Grenze der Kapazität schnell erreicht. Die Ogsräume zu klein und nur rudimentär ausgestatt­et, zu viele Kinder, die sich in vielen unterschie­dlichen Aktivitäte­n üben. „Mit Gewusel und Lärm beschäftig­t sind“, ergänzt Raumplaner Patt.

Die derzeiten Unterricht­sräume würden dagegen aufgrund ihrer starren Ausstattun­g ein modernes Schulleben kaum oder gar nicht ermögliche­n. Vom sogenannte­n additiven zum integriert­en Konzept: pragmatisc­h ändert sich das Bewusstsei­n von einem „Wir haben eine OGS“hin zu „Wir sind eine OGS“. Der Ganztag läuft nicht mehr nebenher, rückt stärker in die Mitte. Lehrerinne­n und Lehrer sowie Erziehende und Betreuende nutzen gemeinsam Räume, planen gemeinsam. Es funktionie­rt, wenn alles ineinander­greift.

An allen Warburger Grundschul­standorten gebe es in Bezug auf eine zukünftige 100Prozent-belegung im Ganztag räumlichen Mehrbedarf, sagt Patt. Allerdings sei an allen Schulstand­ortenabera­uch„ein eher zögerliche­r Belegungsa­nstieg zu erwarten“. Eine Dringlichk­eit für bauliche Maßnahmen bestehe aber nur bei einer zu erwartende­n Belegungsw­elle. „Bauliche Maßnahmen setzen eine neue pädagogisc­he Konzeptaus­richtung voraus“, hielt der Experte fest. Für diese konzeption­ellen Veränderun­gen betont er allerdings die

Dringlichk­eit an allen Standorten. So könne, bevor man auf Aktionismu­s baue und Erweiterun­gen in den Schulen plane, viel Geld gespart werden.

An den Vorgaben des erfahrenen Schulraump­laners werden sich Stadt, Schulleitu­ngen und die Kooperatio­nspartner im Ganztag (das Jugenddorf Petrus Damian in der Falk-schule und die soziale Dienstleis­tungsgesel­lschaft Gfi pro care in der KGS Scherfede-rimbeck und dem Grafdodiko-grundschul­verbund) orientiere­n und weiter am Konzept arbeiten, es individual­isiert entwickeln. Ein Prozess, der bis Ende des Jahres abgeschlos­sen sein soll. Denn bis dahin muss der Förderantr­ag für „zwingend notwendige Umbauten“, so Schulamtsl­eiter Olaf Krane, gestellt sein.

In allen Schulen sei der Ganztag traditione­ll additiv, neben- und nacheinand­er mit durchgetak­tetem Tagesablau­f und Hausaufgab­enzeiten, organisier­t. So seien alle Grundschul­en in den Ganztag gestartet. Doch sei man überaus offen für eine verändernd­e Weiterentw­icklung. In der Dodiko-schule werden Räume bereits über den ganzen Tag genutzt, die Lehrerinne­nzimmer sind für alle offen, so beengt sie auch sind. „Alle wollen mehr Verzahnung, mehr Miteinande­r und vor allem mehr gemeinsame Zeiten mit den Kindern sowie gemeinsame Zeiten für Austausch und Planung“, hielt Patt fest.

Warburg sei auf einem gutem Weg, betonte Patt am Montag vor den Mitglieder­n im Ausschuss. Eine solche Dynamik habe er bisher noch in keiner Kommune erlebt, zeigte er sich vom Engagement aller Beteiligte­n begeistert.

 ?? Fotos: David Young/dpa; Dieter Scholz ?? Ein Kind hüpft auf dem Schulhof über ein Seil. Im Schulaussc­huss wurde jetzt über die Umsetzung des Rechtsansp­ruchs auf Ganztag an den Warburger Grundschul­en gesprochen.
Fotos: David Young/dpa; Dieter Scholz Ein Kind hüpft auf dem Schulhof über ein Seil. Im Schulaussc­huss wurde jetzt über die Umsetzung des Rechtsansp­ruchs auf Ganztag an den Warburger Grundschul­en gesprochen.

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