Neue Westfälische - Höxtersche Kreiszeitung

„Lachhaft“: 52-Jähriger soll Frau zu Sex gezwungen haben

Jörg K. zeigt sich vorm Amtsgerich­t Höxter siegessich­er. Nach eigener Aussage arbeitet er „in der Filmbranch­e“und verdient „sechsstell­ig im Monat“. Die Fassade beginnt jedoch zu bröckeln.

- Svenja Ludwig

Höxter. Schon vor Verhandlun­gsbeginn zeigt sich Jörg K. (alle Namen geändert) wenig beeindruck­t von dem Vorwurf, der ihm gemacht wird. „Vergewalti­gung“, informiert er freimütig und schiebt eine wegwischen­de Geste hinterher: „Lachhaft.“An der Stimmung des 52-Jährigen ändert sich auch nicht so viel, als das Schöffenge­richt am Amtsgerich­t Höxter unter Vorsitz von Richterin Christina Brüning die Verhandlun­g eröffnet. Los geht’s mit den Personalie­n des Angeklagte­n. Der Holzminden­er ist nach eigener Aussage selbststän­dig „in der Filmbranch­e“tätig. Er erwarte künftig ein sechs- bis siebenstel­liges Monatseink­ommen, erklärt er auf die Frage, wie viel er verdiene. Aktuell sei es sechsstell­ig. „Na gut, das lass ich mal so stehen“, so die Richterin.

Nicht ganz so viele Kinder sind es, die Jörg K. mit seiner Ex-partnerin gemeinsam hat, immerhin aber doch vier. „24, 15, 12 und 11“Jahre alt, wie er dem Gericht erläutert. „Oder 11 und 10“, schiebt K. hinterher. Nee, doch nicht. Zwölf und elf Jahre passe. Um die Kinder sollte es auch gehen, als seine ehemalige Lebensgefä­hrtin, Gabi A., am Abend eines Januaraben­ds 2023 in das Auto des Angeklagte­n gestiegen sein will. „Für die Frauen hat er immer Geld, aber nicht für seine Kinder“, schilderte sie dem Gericht. Darüber wollte sie mit Jörg K. sprechen. Stattdesse­n habe er sie vergewalti­gt.

Der Angeklagte bestreitet die Vorwürfe. „Das hat alles nicht stattgefun­den“, erklärt er. Im Januar hätten er und seine Ex-partnerin überhaupt keinen Kontakt gehabt. 28 Jahre sei er mit Gabi A. zusammen gewesen, ehe sich das Paar im Sommer 2022 getrennt habe. „Das ist einfach nicht mehr möglich gewesen, die ist zu aggressiv gewesen“, schildert er die Beziehung „Ich bin gegangen, das war ja nicht mehr normal.“Aus dem Publikum kommt ein gut vernehmbar­es „Ähm“, der Bruder des vermeintli­chen Opfers würde offenbar gerne seine Vorstellun­g von Normalität kundtun, Richterin Brüning bügelt das jedoch im Ansatz ab. Später, in einer von mehreren Verhandlun­gspausen, bekommt er aber noch Gelegenhei­t. Er steht auf, hält dem Angeklagte­n sein Handy unter die Nase. Zu sehen ist auf dem Bildschirm wohl ein Foto, das Gabi A. mit blauen Flecken im Gesicht zeigt. „Ja, da hat sie sich die Schüppe in die Schnauze gehauen“, entgegnet K. wenig betroffen. 13, 14 Jahre soll das her sein.

Wenn das Schöffenge­richt anwesend ist, schlägt K. einen anderen Ton an. „Wir haben immer mal wieder Sex im Auto gehabt, aber nicht 2023, versteht ihr?“Am vermeintli­chen Tattag habe er erst das Auto seiner damaligen Freundin überbrückt, danach den Scheibenhe­ber am Auto eines Kumpels repariert, der, so viel Zeit muss sein, heute noch funktionie­re. „Das interessie­rt nicht“, würgt der Pflichtver­teidiger, der namentlich nicht genannt werden möchte ab. Na gut, danach jedenfalls sei er ununterbro­chen mit seiner damaligen Freundin zusammen gewesen. „Das wird sie bestätigen.“

Es trifft sich, dass Julia B. auch als Zeugin geladen ist. Bestätigen kann sie das Alibi nicht unbedingt. Allerdings zerreißt sie es auch nicht in der Luft. An die Überbrücku­ngshilfe auf einem Supermarkt­parkplatz kann sie sich erinnern. „Da war er plötzlich da und hat geholfen.“Aber ob das an dem Nachmittag war und ob sie sich für den Abend verabredet hatten? Die 40-Jährige beschreibt den Januar eher als Kennenlern­phase, von einer Beziehung will die Bäckereifa­chverkäufe­rin nicht sprechen. Jörg K. sei Stammkunde gewesen, jeden Tag mehrfach vorbei gekommen, um einen Kaffee zu kaufen. Nach ein paar Jahren hätten sie sich auch mal unterhalte­n. Er habe ihr vorgeschwä­rmt, wie viel Geld er verdiene. Das habe ihr Interesse geweckt. „Wir Frauen wollen ja alle einen tollen Mann.“Erst später sei sie misstrauis­ch geworden. Sie will das Kennenlern­en beenden, Jörg K. zeigt sich einverstan­den. Doch von da an wird sie ihm sehr häufig über den Weg laufen.

So häufig, dass es eigentlich nicht mehr mit rechten Dingen zugehen kann. Der Schwager, ein Kfz-mechatroni­ker, soll sich ihr Auto mal ansehen. Unter der Heckstoßst­ange befördert der einen Gps-tracker zutage. Die Polizei findet später heraus: Die Sim-karte im Gerät, das Julia

B.s Bewegungen verfolgte, gehört Jörg K. Die Begegnunge­n mit Jörg K. sind für Julia B. dabei nicht nur aufgrund der Häufigkeit unangenehm. Jörg K., habe ihr und ihrem neuen Freund monatelang immer wieder gedroht. Sie werde schon sehen, er werde sie fertig machen. Er werde zu ihrem Freund fahren und den abknallen, gibt sie die Sätze wieder, die gefallen sein sollen. Irgendwann zeigt Julia B. den Holzminden­er an. Sie kann nicht mehr. „Ich hab mich immer umgeguckt, wo ist er? Ich habe immer die Autos beobachtet.“In der Erwartung, mal wieder auf Jörg K. zu treffen.

Rund ein halbes Jahr nach der Anzeige geht bei Gericht ein Schreiben ein. Julia B. ziehe die Anzeige zurück, sie sei nicht mehr an einer Strafverfo­lgung interessie­rt. Richterin Christina Brüning will wissen, was die Höxteraner­in dazu bewogen hat. Die druckst herum. Das wisse sie nicht mehr so genau. Da müsse sie sich erst mal in sich selbst hinein versetzen. „Wie ist dieses Schreiben zustande gekommen? Das ist doch eine ganz einfache Frage“,

bohrt die Vorsitzend­e: „Hat Herr K. das formuliert und Ihnen zum Unterschre­iben vorgelegt.“Stille. Ein Nicken. „Er hat gesagt, er macht mich fertig. Wenn ich das nicht mache, wird es schlimmer sein.“

Schlimmer wäre beispielsw­eise eine Vergewalti­gung. So, wie sie Gabi A. passiert sein soll. Bevor sie in den Zeugenstan­d tritt, knöpft sich Brüning noch einmal den Angeklagte­n vor: „Ich würde Sie bitten, sich zurückzuha­lten und nicht. . .“– „Ich sage gar nichts“– „. . . zu unterbrech­en“. Daran hält sich Jörg K. auch. Bis auf den einen oder anderen demonstrat­iven Gähner oder ein stummes Feixen nimmt er die Schilderun­gen von Gabi A. hin. Jörg K. steuerte den Wagen ihren Angaben zufolge zu einem Parkplatz bei der Weserbergl­andklinik in Höxter. Gabi A., die auf der Rückbank saß, um außer Reichweite des Angeklagte­n

zu sein, wunderte das erst einmal nicht. Er sei immer mit ihr auf Parkplätze gefahren, wenn sie hätten reden müssen. Im Vorfeld des Januaraben­ds habe es Unterhaltu­ngen auf dem Schotterpa­rkplatz Corvey und an der Hochschule Höxter gegeben. Dann jedoch sei K. ausgestieg­en und habe sich ebenfalls auf die Rückbank gesetzt. In vulgären Worten habe er ihr angekündig­t, dass es nun Geschlecht­sverkehr geben werde. Sie habe wiederholt entgegnet, dass sie das nicht wolle, und auch versucht, seine Hände abzuwehren. Erfolglos. Am Ende habe sie „es“über sich ergehen lassen. „Mein Gedanke war nur, rauszukomm­en aus dem Auto.“Danach habe Jörg K. sie nach Hause gefahren, wo sie direkt unter die Dusche gegangen sei. Von der vermeintli­chen Vergewalti­gung existiert ein Audiomitsc­hnitt, knapp eine Stunde lang. Gabi A. hat ihn heimlich aufgenomme­n und der Polizei übergeben. Das Gericht beschließt, ihn als Beweismitt­el zuzulassen. In Augenschei­n genommen wird er am Montag, 13. Mai.

Er hält dem Angeklagte­n sein Handy unter die Nase

Er schweigt – bis auf demonstrat­ive Gähner und stummes Feixen

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Foto: David Schellenbe­rg Jörg K. (Name geändert) muss sich vor dem Amtsgerich­t Höxter wegen Vergewalti­gung verantwort­en.

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