Neue Westfälische - Höxtersche Kreiszeitung
Wie ein Mann die Welt per Fahrrad eroberte
Er fuhr fast 650.000 Kilometer mit dem Rad um den Globus. Jetzt gibt es ein Buch von Heinz Stücke aus Hövelhof, wohl eine der schillerndsten Persönlichkeiten der Region.
Hövelhof. Dieses Haus ist ein Spiegelbild der Welt: Die Wände voller beeindruckender Fotos aus allen Kontinenten dieser Erde. Vulkane, Flüsse, Wüsten und immer wieder Menschen. Gesichter von Menschen, die etwas zu erzählen haben. So wie Heinz Stücke, der, umgeben von all diesen Schätzen, die in zahlreichen Schränken schlummern, an einem Schreibtisch sitzt und immer noch dabei ist, all diese Dokumente aufzuarbeiten.
„Ich habe über 100.000 Fotos von meinen Reisen mitgebracht“, erzählt der 84-jährige Hövelhofer mit klarer, fester Stimme. Und dann sprudelt es aus ihm heraus. Was Heinz Stücke erlebt hat, ist einmalig. 51 Jahre lang hat er die Welt mit einem Fahrrad bereist.„dieseychellenwarendas letzte Land, das ich zählen konnte.“
Island, England und Irland gehörten mit zu den ersten Ländern, die der Weltenbummler auf zwei Rädern kennenlernte. „Danach habe ich gesagt: Ich will alle Länder dieser Welt gesehen haben“, erzählt Stücke mit einem Blick, der noch heute den Entdeckergeist erkennen lässt, der ihm die Kraft gab, diese außergewöhnliche Tour durchzustehen. 500.000 Kilometer legte er mit dem gleichen Fahrrad zurück. „Aber 16 Rahmen habe ich verbraucht.“Insgesamt betrug seine Reisedistanz knapp 650.000 Kilometer. Wie viele abgefahrene Reifendecken auf den Straßen dieser Welt zurückgeblieben sind, kann er nicht mehr sagen. Ein Foto dokumentiert: Es waren sehr, sehr viele.
„3.000 Leute sind in meinem Handy registriert“
Jetzt ist im Bielefelder Delius Klasing Verlag ein Buch erschienen, das Stückes außergewöhnliche Reise, die den Großteil seines Lebens widerspiegelt, eindrucksvoll zusammenfasst, geschrieben von der Autorin Carina Wolfram, deren familiäre Wurzeln ebenfalls in Ostwestfalen-lippe liegen. Es ist Zeugnis eines Wagnisses, das in der modernen Zeit, in der sich die Menschen mit Riesenflugzeugen, Kreuzfahrtschiffen, Ultraschnellzügen und Luxuslimousinen auf Weltreisen begeben, wohl niemand mehr auf sich nehmen würde. Doch auf das Reisen mit dem Fahrrad schwört der Hövelhofer auch heute noch. „Ich habe wenig Geld gebraucht“, nennt er einen der Gründe für diese Art der Fortbewegung. Warum er fast immer alleine fuhr? Stücke lacht. „Du triffst keine Leute, die immer die gleiche Geschwindigkeit fahren.“
Außerdem sei ein Weltreisender für die Menschen in aller Herren Länder ausgesprochen interessant, man komme automatisch mit Menschen ins Gespräch. Gespräche und Erlebnisse, die der heute 84-Jährige auf rund 18.000 Tagebuchseiten handschriftlich festgehalten hat. Da sie mittlerweile ein wenig zerfleddert seien, schreibe er sie jetzt wieder um. So kommen die Details aller Erlebnisse immer wieder in ihm hoch. Etwa eine amüsante Episode auf den Galapagos-inseln, als er sich zum Ausruhen auf eine Bank setzte. „Dann kam eine große Robbe und hat mich runtergeschmissen.“Offenbar war es ihr Stammplatz dort.
Oder die vielen Einladungen von Privatfamilien in den USA, die ihm zwischendurch ein Quartier gaben. „Wo willst du schlafen, an der Straße? Das geht nicht“, hieß es da von einem freundlichen Herrn. Der Tag endete in seinem Haus bei Ofenkartoffeln und Knoblauchbrot.
Doch es gab auch gefährliche Episoden. In Ecuador etwa geriet Stücke in die Wirren eines politischen Putsches, Steine flogen durch ein Fenster. „Von all diesen Konflikten sollte man wegbleiben.“Diesen Grundsatz hat Stücke immer befolgt. „Wenn etwas geschehen ist, bin ich sofort weg.“Im Iran war der Weltenbummler sogar in einen schweren Autounfall verwickelt und lag zehn Tage lang mit gebrochenen Rippen in einem Krankenhaus, wie er erzählt.
In mitreißenden Worten erzählt Stücke in dem Band „Nur kurz noch die Welt sehen“, wie er sich durch einen Sandsturm bis zu den Pyramiden von Kairo durchkämpft: „Der Sturm packte mich von hinten mit voller Gewalt. Dichte Sandschwaden strichen in etwa einem Meter Höhe über die Erde und ich konnte keine 50 Meter weit sehen. Ab und zu tauchte aus dem Sandmeer wie ein Gespenst ein Wagen auf und verschwand ebenso schnell wieder. Ich brauchte kaum zu treten und fuhr trotzdem mit 40 bis 45 Stundenkilometern dahin. Ich hatte mir ein Taschentuch um Nase und Mund gebunden und auch die Augen abgedeckt. Überall, wo der Sand eine Ablagerung finden konnte, lag er bald in kleinen Häufchen.“
Diese Geschichten, die Heinz Stücke erlebte und auch in grandiosen Fotos festhielt, erregten all die Jahre genauso viel Aufsehen wie seine Tour insgesamt. Und sie dienten ihm als wichtige Finanzierungsquelle für die Fortsetzung seiner Weltreise. „Alle großen Illustrierten in der Welt haben eine große Geschichte gebracht.“Eine stattliche Auswahl davon ist nach wie vor in Stückes Haus zu sehen. Die „Bunte“widmete ihm sogar eine sechsseitige Titelgeschichte. Auch viele britische Zeitungen waren von dem Weltenbummler aus Ostwestfalen-lippe fasziniert. Eine britische Fotoagentur nahm immer wieder Bilder ab, die Stücke von Land und Leuten gemacht hatte. Übrigens ist er mit vielen Menschen, mit denen er freundschaftliche Verbindungen einging, bis heute in Kontakt. „3.000 Leute sind immer noch im Handy registriert“, sagt Stücke mit entwaffnender Leichtigkeit. Viele melden sich von Zeit zu Zeit. Denn sie wissen: Gespräche mit Heinz Stücke sind einmalig. Genauso wie sein Leben insgesamt.