Neue Westfälische - Höxtersche Kreiszeitung
Eine Handwerkerin der Sprache
Janine Brandt ist Fachfrau für Kommunikation. Die Neuenheerserin weiß: den Werkzeugkoffer erfolgreicher Sprache haben wir alle daheim stehen, wir greifen nur manchmal daneben.
Neuenheerse/paderborn .Angesprochen auf den Kern, die Essenz ihrer Arbeit, sagt Janine Brandt, dass es darum gehe, die Sprache mehr ins Bewusstsein zu rücken. Also bewusst oder bewusster zu kommunizieren. Nicht immer und überall.„wennichvomurlaub erzähle, brauche ich keine technischen Kniffe“, sagt sie. Aber eben dann, wenn es drauf ankommt. Wenn aus dem Urlaubserlebnis eine Präsentation werden soll zum Beispiel oder wenn es darum geht, die eigenen Grenzen und Bedürfnisse in Worte zu fassen.
Janine Brandt ist studierte Linguistin, Kommunikationsfachfrau, Mediatorin und seit nunmehr neun Jahren selbstständig. An der Kasseler Straße in Paderborn hat die Neuenheerserin Räume in einem Co-working-space belegt. Sie coacht, hilft und berät, wenn es mit der Kommunikation nicht klappt. Sei es in Firmen, in der Familie oder generell. Sie bietet auch Workshops und Seminare an, etwa in Kooperation mit der Landvolkshochschule in Hardehausen. Am Mittwoch, 29. Mai, beispielsweise. Da steht dann Schlagfertigkeitstraining auf dem Programm.
„Schlagfertigkeit bedeutet, etwas auf gesellschaftlich verträgliche Art und Weise zu entgegnen“, erklärt die 36-Jährige. Was so einfach klingt, stellt viele Menschen vor eine große Herausforderung. Und das hat, wie die Neuenheerserin weiß, auch biologische Gründe. „Unser Gehirn sagt uns: Raufen und Laufen“, erklärt Brandt, „das macht aus evolutionärer Sicht ja auch Sinn, wenn ich angegriffen werde“. Das Blut und damit die Energie fließe in Arme und Beine, nicht ins Sprachzentrum. Hinzu kommen Faktoren wie die Erziehung oder generelle Unsicherheit.undabundan,weiß die Expertin, ist es wirklich Sprachlosigkeit. „Manchmal hat man wirklich das Gefühl: mir fällt nichts ein. Weil ich überrumpelt bin.“Von einem Spruch, einer Bemerkung, einem verbalen Angriff, sei er
böse gemeint oder nicht.
Die älteste Teilnehmerin, die Janine Brandt bisher in einem ihrer Workshops begrüßen durfte, sei jenseits der 80 gewesen. Sie habe sich gefragt, erzählt die Kommunikationsfachfrau, warum die Dame in dem Alter ein Schlagfertigkeitsseminar besuchte. „Ich habe jetzt 80 Jahre lang den Mund gehalten, die letzten drei Jahre will ich das nicht mehr“, habe die Seniorin erwidert.
Unsere Sprache, die Kommunikation beschreibt die 36Jährige gern als Werkzeugkoffer. Wir haben allerlei Gerätschaften zur Auswahl, um unser Ziel zu erreichen. Manchmal greifen wir aber daneben. „Ich kann mit einem Schraubenschlüssel einen Nagel in die Wand schlagen, um ein Bild aufzuhängen. Das funktioniert auch irgendwie, die Wand ist ramponiert, das Bild hängt, vielleicht nicht für 30 Jahre, aber erst mal“, sagt Brandt. „Aber es gibt ja auch einen Hammer in dem Werkzeugkasten. Oder wenn es ihn dort noch nicht gibt, dann legen wir ihn hinein.“
Zu kommunizieren und schlagfertig zu reagieren, kann trainiert werden, sagt Janine Brandt. Dabei ist ihr wichtig, dass die Reaktion zur Persönlichkeit passt. Ein cooler Spruch ist nicht für jeden oder jede etwas. „Manche können das besser artikulieren, andere weniger und denen gibt man keinen Vorschlaghammer in die Hand.“Für Menschen wie die ältere Dame, die sich leider daran gewöhnt haben, alles herunter zu schlucken, sei es schon ein Meilenstein, irgendetwas zu sagen, nicht stumm zu bleiben. Es sei denn, es ist eine bewusste und damit legitime Entscheidung. „Wenn beispielsweise gesagt wird: Du hast deinen Führerschein doch im Lotto gewonnen. Dann ist es für diese Menschen schon ein Erfolg, wenn sie einfach ,Ja’ antworten“, sagt Brandt. „Das ist sicher nicht die eloquenteste Antwort, aber es ist eine.“Und im Zweifel verdutze die das Gegenüber sogar. „Und das ist nur fair.“
Gezielte Kommunikation habe sie fasziniert, seit sie in der fünften Klasse zum ersten Mal ein freiwilliges Referat gehaltenhabe,sagtjaninebrandt. „Ich habe die alten Griechen mit den alten Römern verglichen.“Und zwar durchaus aufwendig. „Ich habe Barbies gestylt und Kleider genäht.“Eine spannende Erkenntnis gab es dazu. „Ich habe gemerkt, das ist eine super Strategie. Wenn man einmal im Halbjahr ein Referat hält, wird man ansonsten im Unterricht in Ruhe gelassen“, sagt sie schmunzelnd. Als das Abitur anstand, stellte sie dann fest, wie vielen ihrer Mitschülerinnen und Mitschüler angesichts einer mündlichen Prüfung die Muffe ging.
Janine Brandt studiert im Anschluss Linguistik an der Uni Paderborn. „Fürs Studium habe ich kurz in Paderborn gelebt, aber schnell gelernt, dass ich eher zum Landei tauge.“Also geht sie zurück nach Neuenheerse und pendelt. In dem Bad Driburger
Ortsteil lebt sie auch heute noch gemeinsam mit ihrer sechsjährigen Tochter. „Sie geht auch dort zu Schule, die ist direkt gegenüber, es ist super.“
Janine Brandts Vater hätte es wohl anfänglich lieber gesehen, wenn sie Maschinenbau studiert hätte, statt dieser „brotlosen Kunst“Linguistik, wie Brandt es selber beschreibt. Sie ist aber überzeugt: „Wenn man mit dem Herzen dabei ist, kann man ganz anders motiviert arbeiten.“Hätte sie Maschinenbau studiert, wäre das sicher nicht so gewesen. Nach dem Studium arbeitet Brandt zunächst in einer Sprachwerkstatt. „Ich habe da einfach angerufen, ob sie jemanden für Deutschkursebrauchen.eswar 2015. Es wurden überall Leute für Sprachkurse gebraucht.“Kurz darauf überlegt Brandt, sich selbstständig zu machen. Sie fragt ihre Eltern um Rat. Beide schätzt sie für ihre Hilfe, besonders aber ihren Vater. „Ich weiß, dass er am Ende sagt: Sei mutig und mach. Und aus mach mal sind jetzt neun Jahre geworden.“
„Unser Gehirn sagt uns: Raufen und Laufen, das macht aus evolutionärer Sicht ja auch Sinn“
„Ich habe jetzt 80 Jahre lang den Mund gehalten, die letzten drei Jahre will ich das nicht mehr“