Neue Westfälische - Höxtersche Kreiszeitung

Der Tod eines Polizisten, aktueller denn je

Vor 30 Jahren wird in Höxter ein Polizeibea­mter bei einem Routineein­satz getötet. Wegbegleit­er, Kollegen und Familie erinnern sich.

- Svenja Ludwig

Ovenhausen.

„Heinrich hat am 18. Mai das Haus verlassen in dem sicheren Gefühl, dass er auch zurückkomm­t“, rekapituli­ert Anton Wiemers, Seniorenvo­rstand der Gewerkscha­ft der Polizei (GDP). 1994 war das, also genau vor 30 Jahren. Doch Heinrich, Polizeihau­ptmeister Heinrich Wottke, kehrte nicht zurück. Später erhielten seine Frau Ursula und die Töchter Claudia und Susanne die schrecklic­he Nachricht: Ihr Mann und Vater wurde im Dienst getötet. „Das hat sich eingebrann­t ins Gedächtnis“, sagt Claudia, die heute Reichstein mit Nachnamen heißt. „Das kann man nicht vergessen“, bestätigt Ursula Wottke.

Zum 30. Jahrestag haben die Kreispoliz­eibehörde und die Gewerkscha­ft der Polizei Kränze am Gedenkstei­n an der Hauptstraß­e in Ovenhausen­abgelegt. Dort will Heinrich Wottke 1994 einen VW Golf anhalten. Eine normale Geschwindi­gkeitskont­rolle. „Ein Routineein­satz“, wie Landrat Michael Stickeln, zugleich oberster Behördenle­iter der Polizei, in seiner Rede betont. Der Golf-fahrer bremst auch zunächst ab, blickt den Beamten an und gibt anschließe­nd wieder Gas, wie die Polizei berichtet. Der Wagen erfasst den damals 51 Jahre alten Wottke. Der Beamte stirbt noch an der Unfallstel­le.

Viele der Beamtinnen und Beamten, die an der Gedenkstun­de teilnehmen, seien bei dem späteren Zugriff dabei gewesen, sagt Polizeispr­echer Jörg Niggemann: „Die wissen alle noch, wer wann was gemacht hat.“Auch für die Beamten sei der Tod eines Kollegen ein besonderes, berührende­s und Gott sei Dank nicht alltäglich­es Erlebnis. Wottkes Kolleginne­n und Kollegen gelingt es rund 45 Minuten nach dem tödlichen Zusammenst­oß, den Flüchtigen festzunehm­en. Ein 19-Jähriger aus Lemgo. Den Golf, in dem er unterwegs war, hatte er zuvor gestohlen. Um diese Straftat zu verdecken, trat er aufs Gaspedal – und beging so eine viel schlimmere Tat.

Zu fünf Jahren Haft wurde der junge Mann später verurteilt. „Nun kann man fragen: Warum nur fünf Jahre, warum nicht länger? Aber auch wenn die Strafe länger gewesen wäre: Heinrich bleibt tot“, sagt Anton Wiemers. Ende 1994 wird an der Stelle, an der

Heinrich Wottke starb, ein Gedenkstei­n aufgestell­t. „Treu in der Pflicht. Tapfer im Tod“, heißt es auf dem Solling-sandstein. „Zum Gedenken an Polizeihau­ptmeister Heinrich Wottke“.

Ihr Mann sei immer davon ausgegange­n, dass ihm nichts passiere, sagt Ursula Wottke. Auf dem Land doch nicht. Er irrte sich. „Der Polizeiber­uf ist ein gefährlich­er Beruf“, erinnert Polizeidir­ektor Christian Brenski. Das Schicksal Wottkes solle eine Mahnung sein. „Wir wünschen allen Kolleginne­n und Kollegen, dass sie gesund und unbeschade­t nach Schichtend­e nach Hause zu ihrer Familie und ihren Angehörige­n zurückkehr­en.“

Die Tötung des Polizeibea­mten ist nun drei Jahrzehnte her, das Thema, Gewalt, Widerstand oder Respektlos­igkeit gegenüber der Polizei sei jedoch aktueller denn je. Michael Stickeln kündigt deshalb in seiner Rede eine Nulltolera­nz-politik gegenüber solchen Delikten an. Er sagt, dass die Behörde „alle Fälle von Widerstand und auch Beleidigun­g konsequent anzeigen und verfolgen“werde.

Heinrich Wottke, ein Mann mit einer „sehr sympathisc­hen und empathisch­en Ausstrahlu­ng“, kam 1943 als jüngstes von neun Kindern in Schlesien zur Welt, erinnert Wiemers. 1946 wurde die Familie vertrieben, landete zunächst in Lauenförde. Wottke versuchte sich erst im Bergbau, ehe er schließlic­h zur Polizei ging. Ursula Wottke ist gerührt, wie viele Menschen an der Gedenkstun­de teilnehmen und an ihren Mann zurück denken: „Ich finde es sehr, sehr gut, dass mein Mann noch in Erinnerung ist.“

„Sehr sympathisc­her und empathisch­er Mann“

 ?? Foto: Svenja Ludwig ?? Vor 30 Jahren starb hier an der Hauptstraß­e in Höxter Polizeihau­ptmeister Heinrich Wottke. Seine Angehörige­n und Kollegen erinnern an ihn.
Foto: Svenja Ludwig Vor 30 Jahren starb hier an der Hauptstraß­e in Höxter Polizeihau­ptmeister Heinrich Wottke. Seine Angehörige­n und Kollegen erinnern an ihn.

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