Neue Westfälische - Höxtersche Kreiszeitung
Die Spirale von Gewalt, Schweigen und Scham
Frauenhaus: Der Warburger Frauensozialdienst zieht Bilanz. Der Jahresbericht macht deutlich, dass der Bedarf an den Angeboten groß ist. Besonders beim Thema Häusliche Gewalt.
Warburg.
Die Anzahl der Opfer Häuslicher Gewalt lag kreisweit bei 394 Fällen, die im vergangenen Jahr die Polizei beschäftigte. „Leicht rückläufig, aber immer wieder erschreckend“, sagt Jörg Niggemann. „Das sind im Schnitt gut vier Fälle pro Woche im Kreisgebiet“, ordnet derer Pressesprecher der Höxteraner Kreispolizeibehörde die Zahl aus der Kriminalitätsstatistik ein. Darunter auch einige Haushalte, die gleich mehrmals im Jahr auftauchen.
Doch bleibe die Dunkelziffer im Bereich der häuslichen Gewalt hoch, merkt Daniela Dahlmann an. Die Geschäftsführerin des Warburger Sozialdienstes katholischer Frauen (SKF), dem Träger des Frauenund Kinderschutzhauses im Kreis Höxter, weiß nur allzu gut um das Schweigen vieler Frauen. Neben der physischen und psychischen Gewalt in Familie und Partnerschaft, die Scham, sich außerhalb der eigenen vier Wände Hilfe zu holen. Dazu die starke Sehnsucht nach dem heilen Familienidyll.
Dennoch fanden im vergangenen Jahr einige der betroffenen Frauen den Weg ins Frauen- und Kinderschutzhaus des SKF. Wie es der jetzt veröffentlichte Jahresbericht 2023 des Warburger Ortsvereins im Frauensozialverband ausweist, hatten die Mitarbeiterinnen 36 Frauen und 48 Kinder in den zwölf Monaten auf ihrem Weg begleitet. Frauen zwischen 19 und 63 Jahren, Kinder vom Neugeborenen bis zum Jugendlichen kurz vor der Volljährigkeit. Das Leben nach dem Aufenthalt: Elf Frauen begannen ein Leben in einer neuen Wohnung, fünf gingen zu Freunden oder Verwandten, sieben kamen in anderen Einrichtungen oder Frauenhäusern unter, fünf sind unbekannt verzogen und zwei gingen zurück zu ihren Partnern. Zahlen aus der Statistik, Zahlen, hinter denen jeweils individuelle Schicksale stehen.
Auch nach einem Frauenhaus-aufenthalt kehren Frauen immer wieder zu ihrem prügelnden Partner zurück. Aus der Hoffnung heraus, dass sich etwas verändert, geben sie ihre Beziehung nicht auf. Der Wunsch nach einer heilen Vater-mutter-kind-welt ist bei allen betreuten Frauen groß. Neben der körperlichen und seelischen Gewalt erleben die
Frauen zu Hause auch ökonomische und sexuelle Gewalt. Das Feld der sexuellen Gewalt tritt dabei häufig in den Hintergrund und wird von der Öffentlichkeit nicht als solche gesehen.„gewalt gegen Frauen geht uns alle an“, sagt Dahlmann. Im Spätherbst hatte in Warburg und in Brakel vom SKF organisiert eine Schau unter dem Titel „Am Anfang war es Liebe“aufmerksam gemacht. In Deutschland wird alle zwei Minuten ein Mensch Opfer von Häuslicher Gewalt. „Jede Stunde werden mehr als 14 Frauen Opfer von Partnerschaftsgewalt“, nennt Dahlmann eine weitere Zahl.
64 Frauen, die im vergangenen Jahr im Frauenhaus im Kreis Höxter Schutz suchten, „konnten aus unterschiedlichen Gründen nicht von uns aufgenommen werden“, bedauert Dahlmann. „Voll belegt“, nennt Verwaltungsmitarbeiterin Edith Lange den hauptsächlichen Grund. Doch in allen Fällen sei eine Lösung gefunden worden. Die Beratung, die Unterstützung nicht nur am Telefon: Werde Hilfe
Skf-geschäftsführerin Daniela Dahlmann (l.) und Edith Lange im Büro am Kirchplatz 3 in Warburg.
Mitarbeiterin
Foto: D. Scholz
benötigt, werde geschaut, auch in anderen Häusern einen Platz zu finden, berichtet Lange von den häufigen Anfragen, die als statistische Zahl nicht im Jahresbericht auftauchen. „Alle Frauenhäuser haben gut zu tun“, ergänzt Dahlmann.
Es fehlen Tausende Plätze. Nach den Empfehlungen der Istanbul-konvention, die auch Deutschland unterzeichnet hat, werden im Land mindestens 21.000 Frauenhausplätze benötigt. Nach der Frauenhausstatistik 2022 gibt es aber nur 6.800 Plätze. Frauen in schwierigen Lebenssituationen Raum und Hilfe bieten: Der Aufenthalt in einem Frauenhaus markiere eine entscheidende Wende auf dem Weg, Fähigkeiten zu einer selbstständigen und eigenverantwortlichen Lebensführung zu entdecken und zu trainieren, betont Barbara Hucht vom Vorstand des Warburger SKF. „Unsere Mitarbeiterinnen sind stolz darauf, Teil dieses Weges gewesen zu sein.“Allerdings berichten die Verantwortlichen auch von einer hohen Arbeitsbelastung, mit der die Kräfte im Haus im vergangenen Jahr zu kämpfen gehabt hatten. Lange Zeit sei krankheitsbedingt die Leitung ausgefallen, sagt die Skf-geschäftsführerin. Und das Frauenund Kinderschutzhaus sei das Thema, „das uns aktuell beschäftigt“, sagt Daniela Dahlmann. Denn der Trägerverein blickt in diesem Jahr auf das 30-jährige Bestehen des Schutzhauses zurück. Im September soll der runde Geburtstag gefeiert werden.
Zu den Arbeitsbereichen des SKF gehören zudem der Pflegekinderdienst, die Frühen Hilfen, das Betreuungswesen und der Allgemeine Soziale Dienst aus dem jetzt die Allgemeine Soziale Beratung (ASB) wurde. „Um Verwechslungen mit den Asd-bereichen des Jugendamtes zu vermeiden“, erklären Hucht und Dahlmann. Das jüngste Kind unter dem Dach des Warburger Sozialdienstes ist die Youngcaritas, die Projekte mit jungen Menschen entwickelt und umsetzt.