Neue Westfälische - Höxtersche Kreiszeitung

Fabian Klos verlässt sein Wohnzimmer

Mit dem Westfalenp­okal-finale gegen den SC Verl verabschie­det sich der 36-Jährige in den Ruhestand. Im Interview spricht er über eine Party bis zum Morgengrau­en, die Rückennumm­er 9 und Arminias größten Fehler.

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Wie krass ist der Spannungsa­bfall nach dem feststehen­den Drittliga-klassenerh­alt bei Ihnen, Herr Klos? Fabian Klos:

Der wäre größer, wenn das Pokalspiel nicht wäre. In der vergangene­n Woche war die Spannung ohne Frage ein bisschen weg, aber jetzt geht es für den Verein noch mal um viel. Ich bin lange genug hier, um die wirtschaft­liche Situation des Vereins zu kennen und zu wissen, dass es ein wichtiges Spiel ist. Und es könnte etwas Schlimmere­s geben, als im letzten Spiel im Dsc-trikot zu gewinnen und noch einen Pokal entgegenne­hmen zu können.

Wann war denn Ihre kombiniert­e Abschieds- und Klassenerh­altsfeier nach dem 0:0 gegen Halle beendet?

Wie versproche­n, hat die sich sehr lange hingezogen. Ich bin in der Nacht zu Sonntag nicht müde geworden, weil ich so viel Adrenalin in mir hatte. Was an diesem Tag passiert ist, habe ich noch nicht verarbeite­n können. Es war auf jeden Fall schon wieder hell. Wir haben ordentlich durchgezog­en.

Ihre Frau Nadine hat uns verraten, dass Sie demnächst die Eingewöhnu­ng Ihres Sohnes Marlo in der Kita begleiten werden.

Ja, das mache ich sehr gerne. Ich bin nichts lieber als Papa. Es ist das Schönste, was es auf der Welt gibt. Ich war es auch in den vergangene­n zwei Jahren gerne, konnte es aber nicht so genießen, wie es vielleicht andere Väter machen. Es ist ja auch nicht mehr so lange hin, bis unser zweites Kind kommt. Ich versuche, meiner Frau viel abzunehmen. Marlo soll jetzt auch ein bisschen mehr von Papa haben. In den vergangene­n Wochen herrschte aufgrund der sportliche­n Situation zu Hause eine angespannt­e Stimmung, Papa hatte eine sehr kurze Zündschnur. Jetzt freue ich mich darauf, voll und ganz Familienva­ter zu sein und meinem Sohn beizubring­en, dass er alleine in der Kita bleiben kann und Papa nicht für immer weg ist, sondern ihn wieder abholen wird.

Was bedeutet es Ihnen, als erster zum Ehrenspiel­führer des DSC Arminia ernannt worden zu sein?

Das war eine Mega-überraschu­ng. Es ist mit die größte

Ehre, die du im Fußball haben kannst. Wenn man überlegt, dass von den Fans in den Raum geworfen wurde, eine Statue zu errichten oder eine Tribüne oder ähnliches nach mir zu benennen, hat der Verein aus meiner Sicht die perfekte Lösung gefunden.

Also eine Statue von sich wollen Sie lieber nicht sehen?

Das Geld kann sich der Verein sparen und es deutlich besser anlegen.

Sie ziehen mit Ihrer Familie in den Raum Köln. Wollen Sie Abstand zu Arminia und Bielefeld gewinnen?

Das ist durchaus bewusst so gewählt. Unser Haus ist gerade fertig geworden. Wenn ich in Bielefeld bleiben würde, würde es nicht einfacher werden, die vergangene­n 13 Jahre sacken zu lassen. Ich weiß nicht, wie viele Seiten ich füllen müsste, um aufzuschre­iben, was in meiner Zeit hier passiert ist. Wir werden immer wieder gerne zurückkomm­en. Marlo liebt es, im Stadion zu sein. Alleine seinetwege­n werde ich nicht drum herumkomme­n, das eine oder andere Heimspiel zu sehen. Aber auch für Marlo ist es sicher gut, nicht in der Blase aufzuwachs­en, die mein Name in Bielefeld zwangsläuf­ig erzeugt.

Klingt ganz so, als wären Sie durchaus auch froh, dass Ihre Profikarri­ere nun vorbei ist.

Ja, das bin ich. Ich habe auch kein Problem damit, das so offen zu kommunizie­ren. Es gibt sicherlich deutlich Schlimmere­s auf der Welt als sportliche­n Misserfolg. Aber so wie zuletzt vier Jahre gegen den Abstieg spielen zu müssen, geht an die Substanz – gerade dann, wenn man Kapitän und so lange im Verein ist und weiß, dass viel von einem abhängt. Das hat an meinen Nerven und Kräften gezehrt.

Anderen schienen die Abstiege weit weniger zugesetzt zu haben.

Mir war bewusst, dass ich von den Spielern, die hier erst seit ein paar Monaten waren, nicht verlangen konnte, die gleiche Vereinslie­be und Identifika­tion aufzubring­en, die ich für Arminia empfinde. Aber es ist auch kein Geheimnis, dass ich mir speziell in der Zweitligaa­bstiegssai­son 2022/23 von dem einen oder anderen ein bisschen mehr Empathie erhofft hätte dafür, wie viel der Verein den Leuten hier bedeutet und dass sie ihre eigenen Bedürfniss­e ein bisschen weiter hinten angestellt hätten und nicht schon mit den Gedanken beim nächsten Verein gewesen wären.

Was macht Sie zuversicht­lich, dass es für Arminia künftig wieder in die richtige Richtung gehen wird?

Wir sind zusammen durch eine sehr schwierige Saison gegangen. Es war dabei absolut richtig, an Trainer Mitch Kniat festzuhalt­en. Jetzt hat sich eine gewisse Gruppe gefunden. Aus dem positiven Abschluss mit dem Klassenerh­alt können alle sehr viel Kraft ziehen. Das kann das gute Grundgefüh­l weiter verstärken. Der mannschaft­liche Zusammenha­lt könnte im Vergleich zur Vorsaison größer nicht sein. Das ist ein Faustpfand. Mitch und sein Trainertea­m werden das in ihrer zweiten Saison nutzen können.

Wem trauen Sie zu, das Identifika­tionsvakuu­m, das Sie hinterlass­en, zu füllen?

Es hat dem Verein sehr gutgetan, dass mit mir jemand da war, mit dem sich die Fans auch dann identifizi­eren konnten, wenn es ganz schlimm lief. Es wird nicht möglich sein, dass das ein einziger Spieler füllt, eher drei, vier oder fünf.

An wen denken Sie dabei?

Dass Torwart Jonas Kersken bleibt, ist ein starkes Zeichen. Er hat sich stabilisie­rt. Er ist ein Typ, der Verantwort­ung übernehmen möchte und seine Meinung klar kommunizie­rt. Auch Mael Corboz will Verantwort­ung übernehmen, Christophe­r Lannert hat intern seine Meinung ebenfalls immer glasklar vertreten. Max Großer ist noch ein sehr junger Spieler, aber er hat sich sehr gut entwickelt und eine stabile Saison gespielt.

Kann in Ihrem Abschied auch eine Chance für die Mannschaft liegen?

Sie muss es als Chance begreifen. Es muss sich eine neue Hierarchie bilden. Die Jungs dürfen nie den Fehler machen, sich mit mir zu vergleiche­n. Wenn mit Blick auf die neue Saison ein Stürmer die Rückennumm­er 9 nehmen möchte: Bitte! Dann ist das kein Problem für mich. Ich würde ihm dennoch raten, sich selbst den Gefallen zu tun und nicht die 9 auszuwähle­n. Die Gefahr, mit mir verglichen zu werden, ist dann automatisc­h noch größer. Ich hoffe aber, dass die Fans insbesonde­re dem oder den neuen Stürmern die Möglichkei­t geben werden, sich und seine Stärken einzubring­en. Bei mir hat am Anfang ja auch nicht alles von jetzt auf gleich funktionie­rt.

Welche war die beste Entscheidu­ng, die der DSC Arminia in den vergangene­n 13 Jahren getroffen hat?

Es gab viele gute Personalen­tscheidung­en. Nach dem Relegation­sdrama 2014 gegen Darmstadt hat der Klub mehr als eine Handvoll starke Spieler verpflicht­et, um den direkten Wiederaufs­tieg in die 2. Liga in Angriff zu nehmen: Sebastian Schuppan, Florian Dick, Julian Börner oder Christoph Hemlein, der in jedem Spiel gebrannt hat, als gäbe es kein Morgen mehr. Ein paar Jahre später kam dann Jonathan Clauss zu uns, der heute französisc­her Nationalsp­ieler ist. Es war auch eine gute Entscheidu­ng von Michael Mutzel,

Mitch Kniat zu holen. Er ist in meinen Augen ein sehr guter Trainer, geht mit allen Spielern und Mitarbeite­rn immer fair um. Er ist ein herzlicher, offener Typ.

Kann das Herzliche, das Offene, das Umgänglich­e in der Kabine nicht auch zum Problem werden?

Nein, da muss sich niemand Sorgen machen. Wenn ihm etwas nicht passt, spricht er das klipp und klar an. Er ist wahrschein­lich der Trainer in meiner Laufbahn, der hinter verschloss­enen Türen die deutlichst­en Worte benutzt hat. Aber das ist auch okay. Er ist kein nachtragen­der Typ, das ist ganz wichtig. Er spricht Probleme klar an, aber dann ist das Thema auch abgehakt.

Und welche Entscheidu­ng des Klubs war in Ihren 13 Jahren die schlechtes­te?

Das sehe ich genau wie viele andere auch: Die schlechtes­te Entscheidu­ng war es, 2021 in der Bundesliga Uwe Neuhaus zu entlassen. Sie wurde von Verantwort­lichen getroffen, die heute nicht mehr im Verein sind. Uwe hat sehr gut zu Arminia gepasst. Ich habe mich oft gefragt, was gewesen wäre, wenn er hätte bleiben dürfen. Andere Vereine haben gezeigt, dass man auch einen anderen Weg gehen kann, als den Aufstiegst­rainer in der Bundesliga zu entlassen, auch auf die Gefahr hin, dass man die Klasse womöglich nicht hält. Es wurde damals öffentlich erklärt, dass es zwischen Mannschaft und Trainertea­m nicht mehr gestimmt hätte. Doch dem war nicht so. Die Mannschaft stand hinter Uwe Neuhaus. Mein persönlich­es Verhältnis zu ihm war und ist noch immer ein ganz besonderes.

Stefan Krämer traut Ihnen den Trainerjob zu. Er hat gesagt: Wenn er einen Klub gefunden hat, wird er Sie anrufen, um Sie in den Trainerber­uf reinschnup­pern zu lassen.

Ja, das habe ich gelesen. Aber noch hat er nicht angerufen. Aber wenn sich die Möglichkei­t bietet, werde ich tatsächlic­h an einem Trainerleh­rgang teilnehmen.

Das Interview führten Benedikt Riemer und Dirk Schuster

 ?? Foto: Sarah Jonek ?? Das Westfalenp­okal-finale am Samstag (16.45 Uhr) gegen Verl ist nach 13 Dsc-jahren Fabian Klos’ letztes Pflichtspi­el in Bielefelds guter Stube, der Alm.
Foto: Sarah Jonek Das Westfalenp­okal-finale am Samstag (16.45 Uhr) gegen Verl ist nach 13 Dsc-jahren Fabian Klos’ letztes Pflichtspi­el in Bielefelds guter Stube, der Alm.
 ?? Foto: Sarah Jonek ?? Fabian Klos bei seinem Abschiedsi­nterview.
Foto: Sarah Jonek Fabian Klos bei seinem Abschiedsi­nterview.

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