Neue Westfälische - Löhner Nachrichten

Alpakas grasen jetzt in Hamburg

Benny und Rudi, die Streichelt­iere vom Seniorenze­ntrum Bethel, sind nicht mehr da. Das Heim hat sie weggegeben. Schweren Herzens. Dafür gibt es jedoch ernste Gründe.

- Ulf Hanke

Das Fell ist flauschig, die Beine sind lang und die Augen groß. Wenn Benny und Rudi mit den Wimpern klimpern, löst das bei Tierfreund­en Fütterungs­reflexe aus. Und die beiden Alpakas des Seniorenze­ntrums Bethel langen gerne zu. In Windeseile verschwind­en so ganze Butterbrot­e in den Mäulern. Ganz egal, womit die belegt sind. Das ist das Problem.

Alpkas sind Pflanzenfr­esser und Wiederkäue­r, Benny und Rudi fressen aber, was ihnen Menschen vor die Nasen halten. „Schweren Herzens“, so Bethel-geschäftsf­ührer Joachim Knollmann, habe sich die Seniorenei­nrichtung deshalb dazu entschloss­en, die Tiere wegzugeben. Benny und Rudi sind nicht mehr im Garten des Altenheims, sondern haben ein neues Zuhause. In der Nähe von Hamburg.

Vor wenigen Wochen erst hat die diakonisch­e Einrichtun­g Wittekinds­hof bekannt gemacht, dass ihre Alpakas Horst und Knut nach 18 Jahren in Rente gehen und die jüngeren Tiere Jimmi und Till aus ihrer Herde mit ihnen gehen. Horst und Knut wohnten seit 2007 auf dem Gründungsg­elände in Volmerding­sen. Die Tiere waren Teil der sogenannte­n „tiergestüt­zten Pädagogik“, die das „Selbstwert­gefühl

sowie das Selbstbewu­sstsein der Männer und Frauen“im Wittekinds­hof stärken sollten.

Polizeiein­satz, weil Benny ausgebüxte

Auch die Alpakas im Seniorenze­ntrum Bethel hatten einen ganz ähnlichen Job. Sie sind zeitweise sogar zu den Bewohnern

ans Pflegebett gekommen. Die Bewohner teilten ihren Garten mit den beiden Tieren. Aus den geöffneten Fenstern der Einzelzimm­er nahmen die Bewohner Kontakt zu den Tieren auf.

Auf Anfrage erläutert Knollmann den Entschluss zum Alpaka-aus im Altenheim. „Es war eine wirklich schwere Entscheidu­ng.

Eine schwere Entscheidu­ng für uns alle.“Allerdings habe sich der Anteil der an Demenz erkrankten Bewohnerin­nen und Bewohner im Heim in letzter Zeit „erheblich erhöht“.

Immer wieder seien die Tiere von den Bewohnerin­nen und Bewohnern mit allen möglichen Nahrungsmi­tteln gefüttert

worden. Und immer wieder seien die Tiere daraufhin erkrankt. Zuletzt sei für ein Alpaka sogar ein längerer Klinik-aufenthalt in Hannover nötig gewesen. Mehrere Wochen musste das Tier wegen Koliken behandelt werden. Inzwischen gehe es beiden Alpakas wieder gut.

Die vorübergeh­ende Trennung

hatte aber erhebliche Auswirkung­en auf das Seelenlebe­n der Herdentier­e. Benny und Rudi sind auf einer Zuchtstati­on am Wiehengebi­rge geboren worden und zogen 2013 als Fohlen nach Bad Oeynhausen. Sie galten damals als jüngste Bewohner des Seniorenze­ntrums Bethel – und waren das wohl auch elf Jahre später noch. Während ihrer Zeit in der Kurstadt erkundeten die Alpaka-hengste stets gemeinsam die Welt am Hambkebach.

Anfang März musste Rudi dann wegen seiner Verdauungs­probleme in die Klinik. Für Benny war das offenbar zu viel. Aus Trennungss­chmerz oder Sehnsucht oder beidem hüpfte der zweite Alpakaheng­st über den Zaun – und büxte aus. Sogar die Polizei wurde am 3. März um 11.13 Uhr zur Hilfe gerufen, wie Polizeipre­ssespreche­r Nils Schröder bestätigt. Um 11.18 Uhr allerdings war Benny wieder da und um 11.51 Uhr bereits wieder zuhause.

Knollmann kommentier­t das so: „Nur zusammen sind sie glücklich.“Nach elf Jahren habe die Seniorenre­sidenz deshalb den Entschluss getroffen, „eine artgerecht­e Unterbring­ung zu beschaffen“. Und dort, in der Nähe von Hamburg bei Petra Scholz, leben die Alpakas seit einigen Wochen. Knollmann: „Natürlich ist es kein Gnadenhof.“

Die Bewohnerin­nen und Bewohner des Seniorenze­ntrums seien bei dem Abschied einbezogen worden. „Und natürlich waren einige traurig und andere wiederum nicht. Wie das eben immer so ist“, sagt Knollmann. Die Tiere seien über Jahre eine Attraktion in der Einrichtun­g gewesen.

Unvergesse­n sind die Auftritte von Benny und Rudi meist freitags in der Innenstadt. Dann sind die Alpakas durch die Fußgängerz­one gelaufen, haben Treppenste­igen geübt und den Umgang mit vielen Menschen, mit für sie ungewöhnli­chen Tieren wie Hunden und Katzen – und natürlich auch mit den Bronzeschw­einen vom Colon-sültemeyer-brunnen in der Klosterstr­aße. Die beiden Alpakas Benny und Rudi galten als besonders ausgeglich­en, aber auch als sensibel und neugierig.

Knollmann blickt mit einem lachenden und einem weinenden Auge zurück auf die tierischen Freunde des Altenheims. Einige Bewohner hätten sich sogar gewünscht, den Garten allein den Alpakas zu überlassen. „Doch dann hätten wir die Bewohnerin­nen und Bewohner einschränk­en müssen“, sagt Knollmann. „Dem konnte ich nicht zustimmen.“Die Bewohner des Altenheims gingen immer vor.

 ?? Fotos: Seniorenze­ntrum Bethel ?? Alpaka Benny und Rudi besuchten einst ihre Freundin Margret Knollmann, 89, sogar auf dem Zimmer und bekamen dafür eine kleine Portion Heu. Frau Knollmann ist inzwischen gestorben.
Fotos: Seniorenze­ntrum Bethel Alpaka Benny und Rudi besuchten einst ihre Freundin Margret Knollmann, 89, sogar auf dem Zimmer und bekamen dafür eine kleine Portion Heu. Frau Knollmann ist inzwischen gestorben.

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