Neue Westfälische - Löhner Nachrichten
Auswirkungen von verbalem Missbrauch
„Nie kannst du etwas richtig machen.“„Du bist faul.“„Warum stellst du dich immer so dumm an?“Ablehnende Sätze gegenüber Kindern und Jugendlichen sind im stressigen Familienalltag, in derkita,inderschuleleichtdahingesagt. Damit können Eltern und betreuende Personen dem Nachwuchs allerdings mehr schaden, als lange angenommen. Denn solche Sätze können sich ein Leben lang negativ auswirken, betonen Forschende in einer Überblicksstudie.
Nicht bestrafen und belohnen
Anschreien, kritisieren, beschimpfen und drohen: „Verbaler Missbrauch im Kindesalter kann weitreichende Auswirkungen auf die geistige und körperliche Gesundheit von Menschen im Laufe ihres Lebens haben“, schreibt das Forschungsteam aus Großbritannien und den USA. 166 Studien zu Gewalt gegen Kinder haben sie systematisch ausgewertet. Die Ergebnisse sind in der Oktoberausgabe der Fachzeitschrift „Child Abuse & Neglect“zusammengefasst.
Das Prinzip Bestrafen und Belohnen hat in Deutschland Tradition. Aber auch in zahlreichen anderen kulturellen Kontexten werde der verbale Missbrauch als „Disziplin“abgetan, schreiben die Forschenden. Er finde zudem weitgehend im Verborgenen statt – und nicht nur in der Familie, sondern etwa auch in Betreuungseinrichtungen.
Auswirkungen auf Entwicklung
Die Liste der möglichen Folgen ist lang. Studienautor und Psychologepeterfonagynennt der Zeitung „The Guardian“unter anderem ein geringes Selbstwertgefühl, einen erhöhten Alkohol- und Drogenkonsum, Angstzustände und Depressionen.
Das zeigt sich auch auf molekularbiologischer Ebene. Forschende haben in mehreren Studien anhand von Hirnscans gezeigt, dass Kinder, die psychische Gewalt erleben, anders entwickelte Gehirnareale haben als diejenigen, die in einem friedlichen Umfeld aufwachsen. Die Psychologin und Pädagogin Anke Elisabeth Ballmann erklärt das in einem Video so: „Im Gehirn kommen Schmerzen an. Das sind lauter kleine Traumata, und diese kleinen Traumata zerstören im Prinzip ein Stück weit Gehirn.“Einige Regionen könnten nicht mehr so gut wachsen, wie sie wachsen würden, wenn die Kinder den Schmerz nicht erfahren hätten.
Kinder verstehen keine Ironie
Verbale Gewalt beginnt nichterstbeimanschreien.fonagy rät auch zu Vorsicht bei Witzen. Ironisch gemeinte Sätze wie „Du dummer Junge“oder „Du böses, böses Mädchen“verstünden Kinder in den ersten zehn Lebensjahren meist nicht. Dafür bedürfe es „einer beträchtlichen Gehirnentwicklung“. Als Kind begreife man sich dann wirklich als schlecht. „Die Bedeutung von Sicherheit, Unterstützung und Fürsorge in der Kindheit ist der Schlüssel zu einer gesunden kindlichen Entwicklung“, argumentieren die Studienautoren. „Dazu gehören Erwachsene, die in der Lage sind, auf nicht verletzende Art und Weise zu kommunizieren.“