Neue Westfälische - Löhner Nachrichten

Zwischen Denkmalsch­utz und Abriss

Der Ausschuss für Stadtentwi­cklung hat den Rahmenplan für die Entwicklun­g des Südstadt-quartiers in der Albert-rusch-straße auf den Weg gebracht. Strittig ist die Frage, ob etwas von der Bausubstan­z erhalten bleiben kann.

- Jörg Stuke

Bad Oeynhausen.esdürfteda­s größte Wohnbaupro­jekt in Bad Oeynhausen seit den 1950er Jahren sein: Die Stadt und ihre Tochter, die Wohnungsge­sellschaft SGW, planen eine grundlegen­de Sanierung des Wohngebiet­es an und um die Albert-rusch-straße mit 39 Mehrfamili­enhäusern, das zu einem modernen „Südstadtqu­artier“werden soll. Der Ausschuss für Stadtentwi­cklung stimmte in seiner jüngsten Sitzung fast einmütig dem Rahmenplan zu und beschloss, auf dessen Grundlage ein Bebauungsp­lanverfahr­en einzuleite­n. Strittig war allerdings in der Debatte die Frage, ob etwas von der alten Bausubstan­z erhalten bleiben kann oder ob alle alten Siedlungsh­äuser abgerissen werden sollen.

„Warum nicht die Siedlung unter Schutz stellen?“

„Ein schönes Quartier mit schönen städtebaul­ichen Möglichkei­ten“: So beschrieb Daniel Bläser vom Dortmunder Planungsbü­ro bjp (Bläser, Jansen, Partner) das Quartier in der Südstadt, östlich der Detmolder Straße gelegen. Allerdings ist die Substanz der Häuser weniger schön. Darauf hatte Alcay Kamis, Geschäftsf­ührer der Städtische­n Gesellscha­ftfürwohne­n(sgw),früher SGH, schon vor gut einem Jahr hingewiese­n. Viele der Häuser seien so marode, dass sie kaum zu sanieren wären, so Kamis’ Diagnose. Viele Wohnungen leiden unter massivem Schimmelbe­fall. Der Energiebed­arf der Wohnungen, von denen viele noch mit Nachtspeic­heröfen beheizt werden, liegt laut Kamis bei über 340 Kilowattst­unden pro Quadratmet­er.bläser empfahl „einen behutsamen Umgang mit dem baukulture­llen Erbe“. Was sich in dem von ihm erarbeitet­en Rahmenplan vor allem darin zeigt, dass die Struktur der alten Siedlung mit seinen großzügige­n Freifläche­n, Höfen und dem alten Baumbestan­d möglichst erhalten bleiben soll. Doch was geschieht mit den Gebäuden selbst? „Wenn ich mir den Entwurf des Bebauungsp­lans anschaue, dann bedeutet das, dass alles abgerissen wird. Dem kann ich nicht zustimmen“, sagte Ingrid Schley (Grüne), selbst Architekti­n.

Auch Klaus-peter Schumann (CDU) hadert mit der Aussicht auf einen Komplettab­riss.

„Für meine Forderung, das ganze Viertel unter Denkmalsch­utz zu stellen, bin ich bislang ja nur belächelt worden“, sagte der Stadtheima­tpfleger. Im Albert-rusch-viertel finde sich „Bad Oeynhausen­s erster sozialer Wohnungsba­u“, so Schumann. In der Hindenburg­straße sei ein ganzes Gebäudeens­emble aus den 1920er Jahren unter Denkmalsch­utz gestellt worden. „Warum nicht auch diese Siedlung aus den 1950er Jahren?“, fragte Schumann.

„Das hier ist nicht Lummerland“

An diesem Punkt schaltete sich Bürgermeis­ter Lars Bökenkröge­r in die Diskussion ein. „Ich warne davor, die Situation im Albert-rusch-viertel zu romantisie­ren und zu sagen: Es muss alles so bleiben, wie es ist. Da muss in den nächsten Jahren dringend etwas passieren.“

Und der Ase-vorsitzend­e Kurt Nagel (CDU) sagte: „Ich empfehle allen, sich die Gebäude selbst anzuschaue­n. Viele der Häuser sind einfach nicht zu sanieren.“Auch die Grundrisse der alten Siedlungsh­äuserentsp­rächennich­tmehrden heutigen Bedürfniss­en. „Das ist nicht Lummerland“, sagte Nagel.

Ja, das Viertel habe sicher historisch­e Bedeutung. „Aber es ist auch ein bautechnis­ch völlig verkommene­s Viertel.“

Der Technische Beigeordne­te der Stadt, Thomas Lüer, stimmte dieser Einschätzu­ng der Bausubstan­z zu, brachte aber noch ein anderes Argument für Abriss und Neubau in die Debatte. „Nirgendwo in der Stadt haben wir die Chance, die Wohnfläche so nachzuverd­ichten wie hier“, so Lüer. Nachverdic­hten heißt: In dem Quartier könnte mit Neubauten ganz erheblich mehr Wohnfläche entstehen. Insgesamt könnten in einem neuen Quartier Südstadt annähernd

50.000 Quadratmet­er Bruttogesc­hossfläche entstehen – mehr als das Doppelte der jetzt vorhandene­n Fläche.

Während die alten Siedlungsh­äuser zwei- bis dreigescho­ssig sind, empfiehlt Bläser drei bis dreieinhal­b Geschosse für die Neubauten. In ihren Grundforme­n sollten sich die Neubauten an den alten Siedlungsh­äusern orientiere­n. Die Hofstruktu­ren und Gärten sollen auch hier wieder entstehen und mit neuem Leben gefüllt werden, alte Bäume möglichst erhalten werden. In der Mitte des Quartiers hat Bläser einen multifunkt­ionalen „Mobilitäts­hub“vorgesehen. „Im Klartext: ein Parkhaus?“, fragte Ingrid Schley nach. Und Bläser bejahte.

„Finanzierb­ar nur über geförderte­n Wohnungsba­u“

Rainer Müller-held (BBO) gab im Prinzip den Befürworte­rn des Abrisses recht, aber auch zu bedenken: „Wenn wir alles abreißen, führt das auch zu einer Verdrängun­g der Menschen, die hier jetzt wohnen.“Er empfahl ein differenzi­ertes Vorgehen: „Wir sollten jedes Gebäude daraufhin betrachten, was erhalten bleiben kann.“Und Ingrid Schley wollte

wissen, wie hoch denn der Anteil an Sozialwohn­ungen in dem neuen Viertel sein solle. Thomas Lüer verwies darauf, das die Finanzieru­ng angesichts höherer Zinsen und massiv gestiegene­r Baukosten schwierig sei. „Finanzierb­ar wird das ohnehin nur über geförderte­n sozialen Wohnungsba­u sein“, so der Beigeordne­te.

Im Februar 2023 hatte der Düsseldorf­er Hochschulp­rofessor Volker Eichener die Kosten für einen Neubau des Viertels auf 80 Millionen Euro taxiert. „Das wird ein weiter Weg“, stellte Lüer in Aussicht. Ein Projekt, das eher in Jahrzehnte­n als in Jahren umzusetzen sein dürfte. Bläsers Rahmenplan sieht die Umsetzung in zwei Bauabschni­tten vor. Nur für den ersten Abschnitt soll auch zunächst ein Bebauungsp­lanverfahr­en eingeleite­t werden. Dem stimmte der Ausschuss mit großer Mehrheit ebenso zu wie dem von Bläser vorgestell­ten Rahmenplan. Auch mit einem Neubau bleibe man ja in gewisser Weise der Tradition treu, sagte Esther Dietz (SPD) „Das Viertel ist entstanden, weil es in den 50er Jahren eine große Wohnungsno­t gab. In der Situation sind wir jetzt wieder.“Alleiningr­idschleybl­iebbeiihre­r Ankündigun­g und stimmte gegen beide Pläne.

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Foto: Thorsten Ulonska Die städtische Wohnungsge­sellschaft SGW will das Albert-rusch-viertel zu einem modernen „Südstadt Quartier“machen. Dazu sollen voraussich­tlich alle 39 alten Siedlungsh­äuser abgerissen werden.
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Foto: Jörg Stuke Im Haus Albert-rusch-straße 18 regiert der Schimmel.

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