Neue Westfälische - Löhner Nachrichten
Ein bis heute unerfüllter Traum
Das Tourneetheater Thespiskarren trifft mit „Miss Daisy und ihr Chauffeur“den Geschmack des Publikums auf den Punkt. Die mit Doris Kunstmann und Ron Williams hervorragend besetzte Inszenierung verzichtet komplett auf Kitsch.
Bad Oeynhausen. Starbesetzung und das immer noch aktuelle Thema Rassismus: Im Theater im Park kommt die Tragikomödie „Miss Daisy und ihr Chauffeur“beim Publikum sehr gut an. Das Tourneetheater Thespiskarren hat für die Inszenierung des Klassikers mit Doris Kunstmann und Ron Williams zwei Größen der Schauspielkunst gewinnen können, die am Ende von den Gästen mit frenetischem Applaus gefeiert wurden. Was bleibt, ist die bittere Erkenntnis, dass Martin Luther Kings Traum von der Gleichheit aller Rassen unabhängig von ihrer Hautfarbe bis heute nicht in Erfüllung gegangen ist.
In der Inszenierung von Frank Matthus trifft die Behaglichkeit eines Boulevardstückes auf die Ernsthaftigkeit eines Themas, das auch 60 Jahre nach der legendären Rede des Bürgerrechtlers seine Aktualität nicht verloren hat: Ärmer, häufiger obdachlos, schlechter ausgebildet und nach wie vor von rassistisch motivierter Polizeigewalt verfolgt, sind dunkelhäutige Menschen in den USA nach wie vor benachteiligt. Die Tötung von George Floyd durch einen weißen Polizisten und die immer noch ausstehende Polizeireform, die vor vier Jahren versprochen wurde, sind nur zwei Beispiele dafür.
Ein anderes Beispiel sind die Schulbücher mit den Themen „Rassismus und Sklaverei“, die dem Programmheft der Bühne zufolge in 37 Bundesländern aus den Schulklassen verschwinden sollen.
Die Erzählung und auch die Ausstattung der Geschichte von der wohlhabenden, gebildeten
jüdischen SüdstaatenDame, die nach der Mitte des vergangenen Jahrhunderts mit Hoke Coleburn einen Chauffeur bekommt, der zwar nicht lesen kann, aber lebensklug ist und als Schwarzer sein Leben lang benachteiligt und erniedrigt wurde, wirkt auf der Bühne im Theater im Park etwas hölzern.
Wäre da nicht das emotional fesselnde Spiel von Ron Williams, der in seiner Theaterkarriere mehrfach für seine Darstellungen von Martin Luther King bis Nelson Mandela ausgezeichnet wurde und der für seinen Kampf gegen Rassismus das Verdienstkreuz am
Bande bekommen hat.
Besser hätte man diese Rolle nicht besetzen können, denn der heute 82-Jährige kann ein Lied davon singen, wie sich Rassismus anfühlt: Während seiner Ausbildung bei der US Army 1960 bediente sich der angehende Militärpolizist am Flughafen in Georgia an einem Wasserspender, als er plötzlich einen Schlag im Rücken spürte. Und ihn ein weißer Polizist auf das Schild aufmerksam machte, auf dem Stand „For whites only“. Haben sich die Zeiten denn geändert? Der amerikanische Schriftsteller Alfred Uhry, der in den 1980er Jahren das
Schauspiel „Driving Miss Daisy“geschrieben hat, war da nicht optimistisch. Und lässt seinen Chauffeur sagen: „Die Zeiten haben sich geändert. Stimmt. Aber so sehr nun auch wieder nicht“.
Emotional berührend sind in der Inszenierung die musikalischen Momente, die von Wolfgang Amadeus Mozarts „Zauberflöte“über Georges Gershwins „Porgy and Bess“bis hin zu etlichen afroamerikanischen Spirituals reichen, die Ron Williams singt. Schön ist es auch zu erleben, wie herrlich altmodisch und ganz ohne Kitsch sich die Freundschaft zwischen Miss Daisy, die
von Doris Kunstmann in routinierter Schauspielkunst gespielt wird, und ihrem Chauffeur entwickelt.
Am Ende, als sich das Publikum bereits mit frenetischem Applaus bedankt hat, gibt es noch einmal einen großen Höhepunkt: Ron Williams tritt auf die Bühne, spricht ein paar persönliche Worte zu den Erfahrungen, die er in den 1960er Jahre in Georgia gemacht hat, und singt emotional fesselnd und in bester Ray Charles-Manier den Song „Georgia on my mind“, in dem es ebenfalls um Rassismus geht. Stakkato-Applaus.