Neue Westfälische - Löhner Nachrichten
Galeria Kaufhof schrumpft weiter
Deutschlands letzter Warenhauskonzern macht erneut Filialen dicht. Wieder werden Stellen gestrichen. Handelsexperten und die Gewerkschaft vermissen konzeptionelle Neuerungen.
Essen. Der angeschlagene Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof schließt weitere 16 seiner noch 92 Filialen zum 31. August dieses Jahres. Das gab Insolvenzverwalter Stefan Denkhaus am Samstag bekannt. Besonders stark von Schließungen betroffen sind mit jeweils drei Häusern Berlin, Nordrhein-westfalen und Bayern. Handelsexperten sehen in der Aufgabe weiterer Häuser jedoch keinen „Befreiungsschlag“für den Handelskonzern und mahnten ein längerfristiges Zukunftskonzept an. Sonst könnte der schleichende Niedergang weitergehen.
Von den rund 12.800 Menschen, die das Unternehmen noch beschäftigt, sollen 11.400 ihren Job behalten. 1.400 werden laut Insolvenzverwalter gehen müssen, knapp ein Drittel davon sind Mitarbeiter in der Konzernzentrale in Essen. Der Unternehmenssitz soll nach Düsseldorf umziehen. „Wir werden alles tun, um unser Geschäft in eine erfolgreiche Zukunft zu führen. Dazusehenwirnichtzuletztdurch unsere Umsatzentwicklung im laufenden Geschäftsjahr gute Voraussetzungen“, sagte Galeria-chef Olivier Van den Bossche.
Mit dem Gesamtbetriebsrat wurde ein Interessenausgleich und Sozialplan vereinbart. Es sei unter anderem festgelegt worden, dass alle Betroffenen für acht Monate in eine Transfer gesellschaft wechseln könnten, um sich auf dem Arbeitsmarkt zu orientieren .„ Vor ein paar Wochen war die Angst vor dem Szenario einer Abwicklung von Galeria noch groß. Doch jetzt gibt es noch mal eine Chance für das Warenhaus“, sagte der Gesamt betriebsrats vorsitzende Jürgen Ettl.Denno ch sei die Betroffenheit der gesamten Belegschaft groß.
Nach Einschätzung des Online-stellenportals Indeed sind die Jobaussichten für gekündigte Beschäftigte nicht schlecht. „Die betroffenen Angestellten aus dem Einzelhandel dürften voraussichtlich schnell einen neuen Job finden, denn die Nachfrage nach Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern aus dieser Berufsgruppe ist aktuell trotz der schwierigen wirtschaftlichen Lage Deutschlands vergleichsweise hoch “, sagte Arbeitsmarkt ex pert in An nina Hering von Indeed. Auf die rund 450 Mitarbeiter, die ihren Job in der Konzernzentrale verlieren würden, komme allerdings schwierigere Jobsuche zu. Der Markt für Bürojobs sei zuletzt zurückgegangen.
Auch der Handelsverband Berlin-brandenburg sieht gute Perspektiven für die Beschäftigten der Filialen, die geschlossen werden. „Es gibt einen derartigen bedarf im einzelhandel, dass die Beschäftigten sofort unter kommen können “, sagte Haupt geschäftsführer Nils Busch-petersen.
Bei der Entscheidung über die Zukunft der Filialen war für Insolvenz verwalter Denk haus neben dem Umsatz und der Kaufkraft der jeweiligen Region vor allem die Höhe der Miete ausschlaggebend. „Wir haben für den Erhalt jeder einzelnen Filiale hart verhandelt“, sagte Denkhaus.
Sozialplan und Transfergesellschaft für Betroffene
Einzelne Filialen auf der Schließungsliste können sich noch Hoffnung auf einen Fortbestand machen. Im vorherigen, im Mai 2023 aufgehobenen Insolvenzverfahren waren einige Warenhäuser noch von der Liste heruntergenommen worden. Weil es kurzfristig neue Vereinbarungen mit den Mietern gab, wurden am Ende nicht 52 der ehemals 129 Standorte geschlossen, sondern nur 37.
Derdeutschestädtetagsieht den Erhalt von 76 Filialen als gute Nachricht für die Kommunen und die Mitarbeiter der Häuser. „Wir haben den Eindruck, dass mit diesem Neustart außerhalb der Signagruppe jetzt wirklich eine Zeit nachhaltiger Konzepte für die Standorte beginnt“, sagte Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy. Trotzdem seien es „bittere Nachrichten“für die Standorte, die nicht gerettet werden könnten.
Experte Johannes Berentzen von der Handelsberatungsfirma BBE zeigte sich skeptisch. Mit der Schließung der 16 Häuser seien die großen Herausforderungen der verbleibendenhäuserunddesgaleria-geschäftsmodells nicht gelöst.
Es gehe um mehr Investitionen in die Fläche, in Personal und in die Verknüpfung von Online- und Offlinewelt.
Auch Handelsexperte Carsten Kortum sieht in der Schließung weiterer Häuser keinen „Befreiungsschlag“für den Handelskonzern.
„Hier könnten aufgrund dieser kurzfristigen Profitabilitätsdenke mittelfristige Potenziale ungenutzt bleiben“, sagte der Professor der Dualen Hochschule Badenwürttemberg Heilbronn. Bei Galeria gebe es einen Investitionsstau, da durch überhöhte Mieten Finanzmittel entzogen wurden. Die Wende könne nur geschafft werden mit Investitionenindiefilialenundeinem langfristig ausgerichteten Engagement, aber nicht mit kurzfristigem Renditedenken.
Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi kritisierte die erneuten Schließungspläne scharf. „Jeder Standort, der geschlossen wird, führt zu einer weiteren Verödung unserer Innenstädte“, sagte Bundesvorstandsmitglied Silke Zimmer. Es entstehe wieder der Eindruck, dass die Beschäftigten zum Spielball eines Mietpokers würden.