Neue Westfälische - Löhner Nachrichten
1.000 Euro Prämie für eine Friseurin
Salon-inhaberin Susanne Busmann verzweifelt an der Suche nach Fachpersonal. Es fehlen Bewerbungen und im Frauen-beruf fangen zu wenige nach der Elternzeit wieder an, wissen auch Katja und Michael Hermes.
Bad Oeynhausen. Arbeit gibt es für Susanne Busmann und ihre fünf Mitarbeiterinnen genug. Haare wachsen schließlich immer. Inzwischen muss Frau rund zwei Wochen Vorlauf bei einem Friseurtermin einkalkulieren – und die Chefin durchaus auch Spätschichten einlegen. „Ich möchte ja niemandem absagen“, erklärt Susanne Busmann. Mindestens ein bis zwei Mitarbeiterinnen mehr könnte sie gebrauchen. Aber: „Es gibt überhaupt keine Bewerbungen“, winkt sie ab. Probleme, die auch Katja und Michael Hermes nur zu gut kennen. Sie wissen: Ohne besondere Leistungen für die Mitarbeiter-bindung geht es nicht mehr.
Das Problem ist nicht erst jetzt entstanden. Bereits seit Anfang der 2000er Jahre nimmt die Zahl der ausgebildeten Fachkräfte im Friseurhandwerk kontinuierlich Jahr für Jahr ab. Dafür sind hauptsächlich das Erreichen der Altersgrenze, Familiengründung unddiestarkgesunkenenlehrlingszahlen, wie Michael Hermes weiß. „Das führt in vielen Fällen zu immer kleiner werdenden Betriebsgrößen bis hin zur „One-man/womanshow“.“Oft könnten solche Unternehmen nicht mehr betriebswirtschaftlich sinnvoll betrieben werden und die Schließung sei die Folge. Hermes: „Außerdem gibt es eine starke Tendenz Richtung Schattenwirtschaft.“
Viele schwächeln schon im Praktikum
Auch Susanne Busmann hat beobachtet, dass seit rund 20 Jahren die Zahlen der Beschäftigten im Friseurhandwerk sinken. Probleme, wie es sie in vielen Handwerksberufen gibt. „Im Friseurberuf arbeiten viele Frauen, viele von ihnen kommen nach der Elternzeit nicht wieder in den Beruf zurück.“Hinzu kämen viele Auszubildende, die abbrechen würden oder Gesellen, die nach kurzer Zeit dem Handwerk den Rücken kehren. Auch, weil der Friseurberuf ein körperlich anstrengender Job ist. „Wir stehen fast den ganzen Tag. Ich hatte schon viele junge Mädchen als Praktikanten hier, die das nicht durchgehalten haben“, erinnert sich die Inhaberin des Salon Willigers in Werste.
Auch die Wochenendarbeit am Samstag schrecke schon vor der Lehre viele ab. Busmann: „Die Zeiten, als alle den Friseurberuf lernen wollten, sind lange vorbei. Dabei ist unser Beruf eigentlich ein sehr schöner Beruf.“Dessen Bezahlung in den vergangenen Jahren deutlich besser geworden sei. „Die Tarife sind sehr nach oben gegangen“, sagt Busmann.
Susanne Busmann fehlen die Bewerber, die vor allem eines mitbringen müssen: gute Deutschkenntnisse. „Die Kommunikation beim Friseur muss funktionieren, der Kunde muss verstanden werden.“Sonst sei Ärger programmiert. Auch Michael Hermes, der von Branchenkollegen Ähnliches gehört hat, vermisst die qualitativ geeigneten Bewerber. Die zirka 75.000 Friseurbetriebe in Deutschland bildeten derzeit weniger als 7.000 junge Menschen in drei Ausbildungsjahrgängen aus: „Das ist der niedrigste Stand überhaupt und liegt zirka 75 Prozent unter den Zahlen vergangener Jahrzehnte“, erklärt Hermes. Das liege aber nicht nur an fehlender Nachfrage, sondern auch an der mangelnden Ausbildungsbereitschaft. „Da kommen auf die Betriebe noch große Herausforderungen zu“, prophezeit der Inhaber des gleichnamigen Salons in der Innenstadt.
Susanne Busmann selbst steht jeden Samstag im Salon und ist auch abends oft länger da. Auch, um alle Kunden bedienen zu können. „Ich bin inzwischen so flexibel, dass neue Kolleginnen gar nicht zwingend samstags arbeiten müssten. Sie können sich die
Arbeitszeiten fast aussuchen“, sagt sie. Nur so sei es vermutlich möglich, überhaupt Personal zu finden. „Ich würde für jede neue Mitarbeiterin nach bestandener Probezeit 1.000 Euro Prämie zahlen. Quasi ein Begrüßungsgeld.“Dinge, die früher undenkbar gewesen seien. „Inzwischen können sich die wenigen Bewerber auf dem Markt die Stellen aussuchen, sich das für sie Beste rauspicken.“Mehr als 40 Jahre ist Susanne Busmann inzwischen im Job. Die 59-Jährige denkt nicht ans Aufhören, weiß aber, dass viele andere Salons ob der Probleme aufgegeben haben.
Aufgeben, das wollen Katja und Michael Hermes noch lange nicht. Sie setzen deshalb alles daran, ihre Mitarbeiter – derzeit sieben Friseurinnen, vier Auszubildende, ein Meister, zwei Rezeptionistinnen, sowie eine Reinigungskraft – zu halten. Bestes Beispiel: „Wir haben eine Kollegin, die seit 55 Jahren zu unserem Betrieb gehört“, berichtet Katja Hermes. Klar ist aber auch: „Ein Obstkorb und eine Weihnachtsfeier reichen heute nicht mehr aus, um Mitarbeiter zu halten oder zu werben.“Die Angebote für die Mitarbeiter seien in den letzten Jahren stetig gewachsen und gingen über das Branchenübliche hinaus. Eine übertarifliche und leistungsgerechte Bezahlung sei dabei selbstverständlich. „Als wichtige Aufgabe sehen wir als Unternehmer darin, eine wertschätzende Unternehmenskultur
und ein Miteinander auf Augenhöhe zu schaffen.“
Mitarbeiterbindung, die ausgezeichnet wurde
Ein Bemühen, das 2022 beim unabhängigen Wettbewerbe „Top Salon – The Challenge“in der Kategorie Arbeitgeber mit einem der vorderen Plätze belohnt wurde. Die Jury lobte vor allem das sehr flexible Arbeitszeiten-angebot, von der 4-Tage-woche und wählbare Teilzeit, bis hin zu Arbeitszeit-lösungen für Mütter oder Mitarbeiter in besonderen Lebensumständen, eine Woche zusätzlich bezahlten Erholungsurlaub, kein Schichtdienst, keine langen Öffnungszeiten, geregelte Pausen, wunschorientierte Weiterbildung zum Haarschneideoder Colorationsspezialisten sowie Weiterbildungen und Team-meetings während der Arbeitszeit, Freizeitausgleich für Seminare und Messen am Wochenende und eine Übernahme-garantie nach erfolgreicher Ausbildung. Weiterhin gehören auch E-bike-leasing, E-auto für Mitarbeiter, Fahrtkosten-zuschuss (Tankkarte), vermögenswirksame Leistungen und Team-events, Sommerfesteundweihnachtsfeiern zum Angebot. „Wir hoffen so, dem Mitarbeiter-mangel entgegenzuwirken und neue Kräfte, vielleicht auch als Auszubildende, zu finden“, betonen Katja und Michael Hermes.