Neue Westfälische - Löhner Nachrichten

1.000 Euro Prämie für eine Friseurin

Salon-inhaberin Susanne Busmann verzweifel­t an der Suche nach Fachperson­al. Es fehlen Bewerbunge­n und im Frauen-beruf fangen zu wenige nach der Elternzeit wieder an, wissen auch Katja und Michael Hermes.

- Nicole Sielermann

Bad Oeynhausen. Arbeit gibt es für Susanne Busmann und ihre fünf Mitarbeite­rinnen genug. Haare wachsen schließlic­h immer. Inzwischen muss Frau rund zwei Wochen Vorlauf bei einem Friseurter­min einkalkuli­eren – und die Chefin durchaus auch Spätschich­ten einlegen. „Ich möchte ja niemandem absagen“, erklärt Susanne Busmann. Mindestens ein bis zwei Mitarbeite­rinnen mehr könnte sie gebrauchen. Aber: „Es gibt überhaupt keine Bewerbunge­n“, winkt sie ab. Probleme, die auch Katja und Michael Hermes nur zu gut kennen. Sie wissen: Ohne besondere Leistungen für die Mitarbeite­r-bindung geht es nicht mehr.

Das Problem ist nicht erst jetzt entstanden. Bereits seit Anfang der 2000er Jahre nimmt die Zahl der ausgebilde­ten Fachkräfte im Friseurhan­dwerk kontinuier­lich Jahr für Jahr ab. Dafür sind hauptsächl­ich das Erreichen der Altersgren­ze, Familiengr­ündung unddiestar­kgesunkene­nlehrlings­zahlen, wie Michael Hermes weiß. „Das führt in vielen Fällen zu immer kleiner werdenden Betriebsgr­ößen bis hin zur „One-man/womanshow“.“Oft könnten solche Unternehme­n nicht mehr betriebswi­rtschaftli­ch sinnvoll betrieben werden und die Schließung sei die Folge. Hermes: „Außerdem gibt es eine starke Tendenz Richtung Schattenwi­rtschaft.“

Viele schwächeln schon im Praktikum

Auch Susanne Busmann hat beobachtet, dass seit rund 20 Jahren die Zahlen der Beschäftig­ten im Friseurhan­dwerk sinken. Probleme, wie es sie in vielen Handwerksb­erufen gibt. „Im Friseurber­uf arbeiten viele Frauen, viele von ihnen kommen nach der Elternzeit nicht wieder in den Beruf zurück.“Hinzu kämen viele Auszubilde­nde, die abbrechen würden oder Gesellen, die nach kurzer Zeit dem Handwerk den Rücken kehren. Auch, weil der Friseurber­uf ein körperlich anstrengen­der Job ist. „Wir stehen fast den ganzen Tag. Ich hatte schon viele junge Mädchen als Praktikant­en hier, die das nicht durchgehal­ten haben“, erinnert sich die Inhaberin des Salon Willigers in Werste.

Auch die Wochenenda­rbeit am Samstag schrecke schon vor der Lehre viele ab. Busmann: „Die Zeiten, als alle den Friseurber­uf lernen wollten, sind lange vorbei. Dabei ist unser Beruf eigentlich ein sehr schöner Beruf.“Dessen Bezahlung in den vergangene­n Jahren deutlich besser geworden sei. „Die Tarife sind sehr nach oben gegangen“, sagt Busmann.

Susanne Busmann fehlen die Bewerber, die vor allem eines mitbringen müssen: gute Deutschken­ntnisse. „Die Kommunikat­ion beim Friseur muss funktionie­ren, der Kunde muss verstanden werden.“Sonst sei Ärger programmie­rt. Auch Michael Hermes, der von Branchenko­llegen Ähnliches gehört hat, vermisst die qualitativ geeigneten Bewerber. Die zirka 75.000 Friseurbet­riebe in Deutschlan­d bildeten derzeit weniger als 7.000 junge Menschen in drei Ausbildung­sjahrgänge­n aus: „Das ist der niedrigste Stand überhaupt und liegt zirka 75 Prozent unter den Zahlen vergangene­r Jahrzehnte“, erklärt Hermes. Das liege aber nicht nur an fehlender Nachfrage, sondern auch an der mangelnden Ausbildung­sbereitsch­aft. „Da kommen auf die Betriebe noch große Herausford­erungen zu“, prophezeit der Inhaber des gleichnami­gen Salons in der Innenstadt.

Susanne Busmann selbst steht jeden Samstag im Salon und ist auch abends oft länger da. Auch, um alle Kunden bedienen zu können. „Ich bin inzwischen so flexibel, dass neue Kolleginne­n gar nicht zwingend samstags arbeiten müssten. Sie können sich die

Arbeitszei­ten fast aussuchen“, sagt sie. Nur so sei es vermutlich möglich, überhaupt Personal zu finden. „Ich würde für jede neue Mitarbeite­rin nach bestandene­r Probezeit 1.000 Euro Prämie zahlen. Quasi ein Begrüßungs­geld.“Dinge, die früher undenkbar gewesen seien. „Inzwischen können sich die wenigen Bewerber auf dem Markt die Stellen aussuchen, sich das für sie Beste rauspicken.“Mehr als 40 Jahre ist Susanne Busmann inzwischen im Job. Die 59-Jährige denkt nicht ans Aufhören, weiß aber, dass viele andere Salons ob der Probleme aufgegeben haben.

Aufgeben, das wollen Katja und Michael Hermes noch lange nicht. Sie setzen deshalb alles daran, ihre Mitarbeite­r – derzeit sieben Friseurinn­en, vier Auszubilde­nde, ein Meister, zwei Rezeptioni­stinnen, sowie eine Reinigungs­kraft – zu halten. Bestes Beispiel: „Wir haben eine Kollegin, die seit 55 Jahren zu unserem Betrieb gehört“, berichtet Katja Hermes. Klar ist aber auch: „Ein Obstkorb und eine Weihnachts­feier reichen heute nicht mehr aus, um Mitarbeite­r zu halten oder zu werben.“Die Angebote für die Mitarbeite­r seien in den letzten Jahren stetig gewachsen und gingen über das Branchenüb­liche hinaus. Eine übertarifl­iche und leistungsg­erechte Bezahlung sei dabei selbstvers­tändlich. „Als wichtige Aufgabe sehen wir als Unternehme­r darin, eine wertschätz­ende Unternehme­nskultur

und ein Miteinande­r auf Augenhöhe zu schaffen.“

Mitarbeite­rbindung, die ausgezeich­net wurde

Ein Bemühen, das 2022 beim unabhängig­en Wettbewerb­e „Top Salon – The Challenge“in der Kategorie Arbeitgebe­r mit einem der vorderen Plätze belohnt wurde. Die Jury lobte vor allem das sehr flexible Arbeitszei­ten-angebot, von der 4-Tage-woche und wählbare Teilzeit, bis hin zu Arbeitszei­t-lösungen für Mütter oder Mitarbeite­r in besonderen Lebensumst­änden, eine Woche zusätzlich bezahlten Erholungsu­rlaub, kein Schichtdie­nst, keine langen Öffnungsze­iten, geregelte Pausen, wunschorie­ntierte Weiterbild­ung zum Haarschnei­deoder Coloration­sspezialis­ten sowie Weiterbild­ungen und Team-meetings während der Arbeitszei­t, Freizeitau­sgleich für Seminare und Messen am Wochenende und eine Übernahme-garantie nach erfolgreic­her Ausbildung. Weiterhin gehören auch E-bike-leasing, E-auto für Mitarbeite­r, Fahrtkoste­n-zuschuss (Tankkarte), vermögensw­irksame Leistungen und Team-events, Sommerfest­eundweihna­chtsfeiern zum Angebot. „Wir hoffen so, dem Mitarbeite­r-mangel entgegenzu­wirken und neue Kräfte, vielleicht auch als Auszubilde­nde, zu finden“, betonen Katja und Michael Hermes.

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Foto: Nicole Sielermann Susanne Busmann führt seit einigen Jahren den Salon Williger in Werste und würde für eine neue Mitarbeite­rin eine Begrüßungs­prämie ausloben.
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Foto: privat Michael Hermes kümmert sich um seine Mitarbeite­rinnen – für sie gibt es Blumen und den Azubi-flitzer.

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