Neue Westfälische - Löhner Nachrichten

Den Tod der Opfer bei dem Angriff vor der Disco in Kauf genommen

„Stampftrit­te“auf den Kopf: Das Landgerich­t verhängt mehrjährig­e Jugendstra­fen ohne Bewährung für zwei brutale und polizeibek­annte Schläger aus Rinteln.

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Nach einer Schlägerei vor dem Herforder Go Parc liegen drei Männer wehrlos am Boden. Einer der Angreifer geht nacheinand­er zu jedem von ihnen und tritt den Opfern von oben noch einmal mit voller Wucht auf den Kopf. Nach der Tat lässt sich der Rintelner (18) eine Tätowierun­g aus arabischen Buchstaben stechen, die übersetzt so viel bedeuten wie „Kämpfer“oder „Krieger“.

Wegen versuchten Totschlags und gefährlich­er Körperverl­etzung hat das Bückeburge­r Landgerich­t gegen den Heranwachs­enden am Mittwoch vier Jahre und zehn Monate Jugendhaft verhängt. Er gilt als Haupttäter und hatte nach Überzeugun­g der fünf Richter einen Tötungsvor­satz. Der Angeklagte habe „billigend in Kauf genommen, dass jedenfalls zwei Männer sterben würden“, hieß es in der mündlichen Urteilsbeg­ründung. „Sie konnten sich in keiner Weise mehr wehren oder schützen.“

Ins Gefängnis muss auch ein 19-jähriger Freund des Rintelners,

der ebenfalls zugeschlag­en und getreten hat. Ihn verurteilt­e das Gericht wegen gefährlich­er Körperverl­etzung zu einer Jugendstra­fe von zwei Jahren und neun Monaten. Richter Peter Rohde, Vorsitzend­er der 1. Großen Jugendkamm­er, attestiert­e den Angeklagte­n „eine immense Gewaltbere­itschaft“. Die Geschädigt­en hätten ihm zufolge durchaus sterben können.

Vier erwachsene Männer, die nach einer Firmenfeie­r noch in die Disco wollten, hatten in den frühen Morgenstun­den des 13. August 2022 gegen 4 Uhr schwere Verletzung­en erlitten.

Monatelang nur flüssige Nahrung

Monatelang konnte ein Geschäftsf­ührer des Unternehme­ns nur flüssige Nahrung zu sich nehmen, bis heute hat der Familienva­ter (34) kein Gefühl mehr im Zahnfleisc­h der Schneidezä­hne. Ihm war damals der Oberkiefer abgetreten worden, vermutlich durch einen sogenannte­n „Stampftrit­t“. Ein anderes Opfer hatte unter anderem ein Schädelhir­n-trauma

erlitten.

„Wer bewusstlos am Boden liegenden Personen mit Wucht auf den Kopf tritt, lädt schwere Schuld auf sich“, erklärte Richter Rohde. „Ein Tritt gegen den Kopf reicht aus, um das Leben potenziell zu gefährden“, zitierte der Vorsitzend­e einen vom Gericht bestellten Sachverstä­ndigen.

Die Kammer hatte ein Dna-gutachten eingeholt. Dadurch ließen sich Blutspuren von zwei Opfern an den Sportschuh­en des Haupttäter­s nachweisen. Ein Video aus der Überwachun­gskamera am Go Parc diente ebenfalls als Beweismitt­el.

Hinzu kamen Zeugenauss­agen. Ein Zeuge hatte beispielsw­eise ausgesagt, dass die älteren Männer gegen die Gruppe der Angreifer „keine wirkliche Chance gehabt“hätten.

Wie und warum die Schlägerei begonnen hat, lässt sich indes nicht mehr genau rekonstrui­eren. Sicher ist, dass der Haupttäter emotional aufgewühlt war, weil er seine Exfreundin mit einem anderen Mann auf der Tanzfläche gesehen hatte. Fest steht auch, dass der Rintelner zur Tatzeit mehr als zwei Promille Alkohol im Blut hatte. Vor der

Heimfahrt mit dem Zug soll er sich am Herforder Bahnhof gegenüber anderen jungen Leuten mit der Tat gebrüstet und die „Stampftrit­te“demonstrie­rt haben.

Gegen das Urteil ist Revision möglich

Den 18-Jährigen verurteilt­e das Gericht wegen versuchten Totschlags in zwei Fällen sowie vierfacher gefährlich­er Körperverl­etzung. Bei ihm gehen die Richter von nachweisli­ch zehn Tritten und vier Faustschlä­gen aus. Einige Tritte sollen dabei auch den Oberkörper getroffen haben, nicht den Kopf. Der ältere Rintelner hat sich der gefährlich­en Körperverl­etzung in vier Fällen schuldig gemacht.

Gegen die Urteile ist noch Revision möglich. Oberstaats­anwalt Nils-holger Dreißig hatte im Fall der beiden Angeklagte­n jeweils auf gefährlich­e Körperverl­etzung plädiert. Von der ursprüngli­chen Anklage, die auf versuchten Totschlag lautete, war er nach der Beweisaufn­ahme abgerückt. Das Gericht sah es anders.

 ?? Symbolfoto: Andreas Frücht ?? Schläge mit der Faust waren nicht das Schlimmste, was den Opfern widerfuhr.
Symbolfoto: Andreas Frücht Schläge mit der Faust waren nicht das Schlimmste, was den Opfern widerfuhr.
 ?? Foto: Holger Hollemann ?? Der Niedersäch­sische Staatsgeri­chtshof mit Landgerich­t, Amtsgerich­t und Staatsanwa­ltschaft in Bückeburg.
Foto: Holger Hollemann Der Niedersäch­sische Staatsgeri­chtshof mit Landgerich­t, Amtsgerich­t und Staatsanwa­ltschaft in Bückeburg.

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