Neue Westfälische - Löhner Nachrichten
Stein oder nicht Stein?
Auf dem Weg zu Schottlands Höhepunkten lassen viele das Perthshire links liegen. Zu Unrecht: Die Grafschaft bietet tolle Landschaften, hochprozentige Delikatessen – und den Stone of Destiny
Für manche mag er nur ein Sandsteinblock sein – doch er ist einer, um den sich grandiose Geschichten ranken: Der Stone of Destiny, der Stein der Bestimmung, ist Bestandteil jener Zeremonie, mit der seit dem 12. Jahrhundert die schottischen Könige gekrönt wurden. Auch unter dem Krönungsstuhl von King Charles befand sich 2023 der Stein, der deswegen eigens aus Schottland herangekarrt worden war. Doch das ist nur ein Teil seiner Geschichte.
1950 beschlossen vier Glasgower Studenten, den Stein zu stehlen, der damals in Westminster Abbey in London lagerte. Das Quartett schaffte es, des 152 Kilogramm schweren Monstrums im Namen der schottischen Unabhängigkeit habhaft zu werden und schließlich der schottischen Öffentlichkeit zurückzugeben.
Der Stone of Destiny verleiht Schottland so sehr Identität, dass ihn England damals keinesfalls im Norden sehen wollte, um nicht noch mehr Unabhängigkeitsbestrebungen aufkeimen zu lassen. Schottland betrachtete ihn aber als sein Eigen. Stein oder nicht Stein, das war die wichtige Frage für beide Seiten.
Heute ist der Stein das mit Abstand bedeutendste Ausstellungsstück im gerade neu eröffneten Perth Museum in der schottischen Kleinstadt.
Seine besondere Bedeutung wird bei einem Besuch mehr als deutlich: Wer ihn sehen will, muss einen Zeitslot buchen, und Fotografieren ist verboten. Der Stone of Destiny darf nach wie vor als das Heiligste angesehen werden, dass das schottische Selbstverständnis zu bieten hat.
27 Millionen Pfund (rund 31,5 Millionen Euro) haben die britische und schottische Regierung in den aufwendigen Umbau der alten Town Hall von Perth investiert, um das neue Perth Museum zu gestalten. „Wir zeigen bislang nur einen Bruchteil unseres Bestands“, sagt der Projektverantwortliche JP Reid. Im ursprünglichen Gebäude des Museums lagerten noch etliche Exponate.
Mit dem Aufbewahren kennt sich auch Jonathan Wilson bestens aus. Der Wahlschotte aus England leitet das gerade erst erweiterte Besucherzentrum
der Whiskybrennerei Dewar’s in Aberfeldy, einem idyllischen 2000-Einwohner-Ort im Hochland des Perthshire, rund 50 Kilometer nördlich von Perth. Um einen der hier produzierten Single Malts probieren zu können, müssen Kundinnen und Kunden nach dem Brennen wenigstens zwölf Jahre warten. So lange lagert der Whisky – selbstverständlich in alten Holzfässern.
Rund 150 Brennereien gibt es heute in Schottland, da wird es zunehmend wichtig, sich durch Geschichten voneinander abzugrenzen. Bei Dewar’s, sagt Wilson, stamme das Wasser für den Whisky aus dem Pitilie Burn. Und dessen Strom fließe durch eine Goldmine. Sorgt das etwa für einen Teil des Geschmacks? Wilson will es nicht ausschließen.
Noch etwas gehört unweigerlich in den hohen Norden der britischen Insel mit seiner bergigen Szenerie, den Lochs und Flüssen, die die Moorlandschaft durchziehen: Schafe. Immer wieder sind sie auf den Wiesen am Wegesrand zu sehen Paul Newman und seine Frau Rebecca widmen sich auf ihrer Farm Errichel bei Aberfeldy unter anderem diesen Tieren. Zudem haben sie Shetland-Rinder und Gänse. „Für uns ist eine artgerechte Haltung das Wichtigste“, betont Rebecca Newman.
Paul Newman ist eigentlich Koch, stand über Jahre weltweit am Herd, und beendete 2010 hier in Aberfeldy das rastlose Herumreisen. Auf der Farm bietet er in seinem Thyme Bistro Speisen, die überwiegend auf jenen Produkten basieren, die auf seiner Farm leben und wachsen. „Vom Feld auf den Tisch“, so das Motto. Das jüngste Projekt der beiden: eine kleine Baumplantage. Unter anderem alte Apfelsorten sollten dadurch wieder wachsen, sagt Rebecca Newman.
Das Herüberretten in die Gegenwart versucht auch das Scottish Crannog Centre am Ufer des Loch Tay. Nach einem Brand war es vor Jahren zerstört worden, nun aber hat es neu eröffnet und große Pläne: Crannogs sind aus Baumstämmen, Sand und Steinen errichtete runde künstliche Inseln, die während der Eisenzeit hier entstanden.
Bislang stehen einige Hütten an Land, bald aber soll auch wieder eines der Crannogs nach altem Muster auf dem See gebaut werden, verrät Rachel Backshall, stellvertretende Leiterin des Zentrums. Bis dahin zeigen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Szenen aus dem Alltag vor 2500 Jahren – vom Brotbacken bis zum Wollespinnen.
Mit Mystik wie beim Stone of Destiny hatten Crannogs übrigens nichts zu tun. Auf ihnen waren die Menschen einst vor wilden Tieren der Umgebung sicher.
„Wir zeigen bislang nur einen Bruchteil unseres Bestands.“
JP Reid, Perth Museum