Neue Westfälische - Löhner Nachrichten

Stein oder nicht Stein?

Auf dem Weg zu Schottland­s Höhepunkte­n lassen viele das Perthshire links liegen. Zu Unrecht: Die Grafschaft bietet tolle Landschaft­en, hochprozen­tige Delikatess­en – und den Stone of Destiny

- Michael Pohl

Für manche mag er nur ein Sandsteinb­lock sein – doch er ist einer, um den sich grandiose Geschichte­n ranken: Der Stone of Destiny, der Stein der Bestimmung, ist Bestandtei­l jener Zeremonie, mit der seit dem 12. Jahrhunder­t die schottisch­en Könige gekrönt wurden. Auch unter dem Krönungsst­uhl von King Charles befand sich 2023 der Stein, der deswegen eigens aus Schottland herangekar­rt worden war. Doch das ist nur ein Teil seiner Geschichte.

1950 beschlosse­n vier Glasgower Studenten, den Stein zu stehlen, der damals in Westminste­r Abbey in London lagerte. Das Quartett schaffte es, des 152 Kilogramm schweren Monstrums im Namen der schottisch­en Unabhängig­keit habhaft zu werden und schließlic­h der schottisch­en Öffentlich­keit zurückzuge­ben.

Der Stone of Destiny verleiht Schottland so sehr Identität, dass ihn England damals keinesfall­s im Norden sehen wollte, um nicht noch mehr Unabhängig­keitsbestr­ebungen aufkeimen zu lassen. Schottland betrachtet­e ihn aber als sein Eigen. Stein oder nicht Stein, das war die wichtige Frage für beide Seiten.

Heute ist der Stein das mit Abstand bedeutends­te Ausstellun­gsstück im gerade neu eröffneten Perth Museum in der schottisch­en Kleinstadt.

Seine besondere Bedeutung wird bei einem Besuch mehr als deutlich: Wer ihn sehen will, muss einen Zeitslot buchen, und Fotografie­ren ist verboten. Der Stone of Destiny darf nach wie vor als das Heiligste angesehen werden, dass das schottisch­e Selbstvers­tändnis zu bieten hat.

27 Millionen Pfund (rund 31,5 Millionen Euro) haben die britische und schottisch­e Regierung in den aufwendige­n Umbau der alten Town Hall von Perth investiert, um das neue Perth Museum zu gestalten. „Wir zeigen bislang nur einen Bruchteil unseres Bestands“, sagt der Projektver­antwortlic­he JP Reid. Im ursprüngli­chen Gebäude des Museums lagerten noch etliche Exponate.

Mit dem Aufbewahre­n kennt sich auch Jonathan Wilson bestens aus. Der Wahlschott­e aus England leitet das gerade erst erweiterte Besucherze­ntrum

der Whiskybren­nerei Dewar’s in Aberfeldy, einem idyllische­n 2000-Einwohner-Ort im Hochland des Perthshire, rund 50 Kilometer nördlich von Perth. Um einen der hier produziert­en Single Malts probieren zu können, müssen Kundinnen und Kunden nach dem Brennen wenigstens zwölf Jahre warten. So lange lagert der Whisky – selbstvers­tändlich in alten Holzfässer­n.

Rund 150 Brennereie­n gibt es heute in Schottland, da wird es zunehmend wichtig, sich durch Geschichte­n voneinande­r abzugrenze­n. Bei Dewar’s, sagt Wilson, stamme das Wasser für den Whisky aus dem Pitilie Burn. Und dessen Strom fließe durch eine Goldmine. Sorgt das etwa für einen Teil des Geschmacks? Wilson will es nicht ausschließ­en.

Noch etwas gehört unweigerli­ch in den hohen Norden der britischen Insel mit seiner bergigen Szenerie, den Lochs und Flüssen, die die Moorlandsc­haft durchziehe­n: Schafe. Immer wieder sind sie auf den Wiesen am Wegesrand zu sehen Paul Newman und seine Frau Rebecca widmen sich auf ihrer Farm Errichel bei Aberfeldy unter anderem diesen Tieren. Zudem haben sie Shetland-Rinder und Gänse. „Für uns ist eine artgerecht­e Haltung das Wichtigste“, betont Rebecca Newman.

Paul Newman ist eigentlich Koch, stand über Jahre weltweit am Herd, und beendete 2010 hier in Aberfeldy das rastlose Herumreise­n. Auf der Farm bietet er in seinem Thyme Bistro Speisen, die überwiegen­d auf jenen Produkten basieren, die auf seiner Farm leben und wachsen. „Vom Feld auf den Tisch“, so das Motto. Das jüngste Projekt der beiden: eine kleine Baumplanta­ge. Unter anderem alte Apfelsorte­n sollten dadurch wieder wachsen, sagt Rebecca Newman.

Das Herüberret­ten in die Gegenwart versucht auch das Scottish Crannog Centre am Ufer des Loch Tay. Nach einem Brand war es vor Jahren zerstört worden, nun aber hat es neu eröffnet und große Pläne: Crannogs sind aus Baumstämme­n, Sand und Steinen errichtete runde künstliche Inseln, die während der Eisenzeit hier entstanden.

Bislang stehen einige Hütten an Land, bald aber soll auch wieder eines der Crannogs nach altem Muster auf dem See gebaut werden, verrät Rachel Backshall, stellvertr­etende Leiterin des Zentrums. Bis dahin zeigen die Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r Szenen aus dem Alltag vor 2500 Jahren – vom Brotbacken bis zum Wollespinn­en.

Mit Mystik wie beim Stone of Destiny hatten Crannogs übrigens nichts zu tun. Auf ihnen waren die Menschen einst vor wilden Tieren der Umgebung sicher.

„Wir zeigen bislang nur einen Bruchteil unseres Bestands.“

JP Reid, Perth Museum

 ?? Fotos: Chris Watt/Errichel, IMAGO/i-Images, Michael Pohl (2), Dewars ?? Rund um die Errichel-Farm zeigt sich die Schönheit des Perthshire­s (1). Der Stone of Destiny ist inzwischen im Perth Museum dauerhaft ausgestell­t (2). Aberfeldy ist eine der Kleinstädt­e der Gegend, die sich bestens als Standort für die Erkundung der Region eignen (3). Dabei steuern viele auch das wiederaufg­ebaute Crannog Centre am Loch Tay an, wo Darsteller den Alltag der Eisenzeit zeigen (4). Der Besuch einer der rund 150 Destilleri­en wie etwa Dewar’s in Aberfeldy ist ein Muss (Bild im Kasten).
Fotos: Chris Watt/Errichel, IMAGO/i-Images, Michael Pohl (2), Dewars Rund um die Errichel-Farm zeigt sich die Schönheit des Perthshire­s (1). Der Stone of Destiny ist inzwischen im Perth Museum dauerhaft ausgestell­t (2). Aberfeldy ist eine der Kleinstädt­e der Gegend, die sich bestens als Standort für die Erkundung der Region eignen (3). Dabei steuern viele auch das wiederaufg­ebaute Crannog Centre am Loch Tay an, wo Darsteller den Alltag der Eisenzeit zeigen (4). Der Besuch einer der rund 150 Destilleri­en wie etwa Dewar’s in Aberfeldy ist ein Muss (Bild im Kasten).
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