Neue Westfälische - Löhner Nachrichten

Natur auf Leinwand

Der Impression­ismus ist in der Normandie entstanden: In Le Havre malte Claude Monet „Impression, Soleil Levant“. Dieses Gemälde gab der Kunstricht­ung ihren Namen. Nicht nur hier kann man auf den Spuren der Künstler wandeln

- Susanna Bauch

Géraldine Lefebvre bringt es einfach und charmant auf den Punkt. Die Direktorin des Musée d’ art moderne André Malraux in Le Havre glaubt zu wissen, warum die Künstler und Bilder des Impression­ismus so beliebt, begehrt und außergewöh­nlich sind. „Der Impression­ismus tut einfach gut.“

So gut, dass er gefeiert werden muss – in diesem Jahr noch bis zum 22. September mit dem „Festival 150 Jahre Impression­ismus in der Normandie“. Rund 200 Veranstalt­ungen stehen dabei auf dem Programm. Auch internatio­nale Größen der zeitgenöss­ischen Kultur sind vertreten – etwa David Hockney und Bob Wilson. Das Thema des Impression­ismusFesti­vals lautet „Erfinderge­ist“und widmet sich dem innovative­n Geist und Esprit, der den Impression­ismus möglich machte und die Kunstwelt in Format und Farbe revolution­ierte.

2024 ist es genau 150 Jahre her, dass impression­istische Avantgarde­künstler wie Monet, Renoir, Cézanne oder Degas ihre Gemälde erstmals im Rahmen einer eigenen Ausstellun­g präsentier­ten – im Atelier von Fotograf Félix Nadar, der eigens Räume in guter Nachbarsch­aft in Montmartre anmietete –, „um gehobene Klientel anzuziehen“, wie Touristenf­ührerin Raphaelle Guillou berichtet.

Im Vorfeld hagelte es Häme und Kritik an den Gemälden, die das Lichtspiel in der Region um Paris und in der Normandie unter freiem Himmel mit schnellen Pinselstri­chen einfingen. Die revolution­ären Arbeiten der Impression­isten waren deshalb auch nicht zum „Salon de Paris“(1725–1881) zugelassen, der offizielle­n Kunstausst­ellung der Pariser Kunstakade­mie. Doch Zeitgeist und Erfolg ihrer Kunst gaben den Impression­isten rasch recht. Von 1874 bis 1886 zeigten sie acht Impression­ismusAusst­ellungen in Paris und ebneten den Weg in die Moderne.

Die Künstler und wenige Künstlerin­nen haben Hunderte Werke geschaffen. Das Licht, die Luft, die Motive der Natur und die in die Landschaft­en verlagerte­n Ateliers – diese Strömungen haben viele gereizt. Claude Monet war wohl der bekanntest­e Impression­ist, einer, der wie Géraldine Lefebvre in Le Havre berichtet, auch jemand war, „der sich und seine Kunst perfekt vermarkten konnte“.

Im Musée de Montmartre in Paris hat Auguste Renoir den zauberhaft­en kleinen Garten genutzt, um künstleris­ch zu wirken. „Früher war das hier ein Dorf “, erzählt Alexia Perronet, zuständig für die Kommunikat­ion des Museums. Ein kleiner Weinberg erinnert noch an ländliche Zeiten.

Das Musée d’Orsay hat zwar zum Impression­ismus-Festival einige Gemälde aus seiner Sammlung verliehen – aber dennoch genug Material für die opulente Ausstellun­g „Paris 1874. Inventer l’impression­nisme“mit rund 165 Werken der damals 31 Künstler der gefälligen Malerei.

Außerdem haben sich die Kuratoren des Hauses auf ein gelungenes Experiment fokussiert. Die Besucherin­nen und Besucher werden 45 Minuten lang durch Zeit und Raum von Pissarro, Monet, Renoir, Berthe Morisot, Cézanne und Degas geführt, tauchen in der immersiven Virtual-Reality-Ausstellun­g „Un soir avec les impression­nistes“ein in das vorvergang­ene Jahrhunder­t, wandeln auf den Wegen der Künstler und lauschen ihren Ausführung­en zu Intention und Interpreta­tion ihrer Werke. Die großartig gestaltete Tour führt durch Straßen und Gärten, über Treppen und schmale Stege, in die Salons und Ateliers mit Ausblicken auf die Motive der Natur. Man sollte unbedingt einen Zeitslot vorbuchen, dieser Ausflug ist sehr beliebt.

„Claude Monet war jemand, der sich und seine Kunst perfekt vermarkten konnte.“

Raus aus der Hauptstadt – ab aufs Land. Und das in nur 30 Minuten. In Chatou gilt es die Insel der Impression­isten zu entdecken. Renoir etwa kam hierher, um Boot zu fahren und zu malen, heute gibt es Touren auf der Seine. Direkt am Ufer kann im Maison Fournaise gespeist werden.

Die nächste Etappe heißt Giverny – hier ist der Geist von Claude Monet überall präsent. Monets Gärten sind zauberhaft gelegen direkt vor seinem ehemaligen Wohnhaus, das er 1883 in der Provinz entdeckte und in dem der Künstler mit seiner zweiten Frau sowie acht Kindern lebte. Früh morgens oder nach 16 Uhr sind die vielen Touristinn­en und Touristen noch nicht da oder bereits wieder fort – dann entfalten sich Blütenprac­ht und Wasserspie­le ungestört, und man kann sich kaum sattsehen an der wundervoll­en jahreszeit­lichen Blütenprac­ht und den liebevoll angelegten Beeten, Teichen und Brücken. „Die Pastelltön­e im Haus sind originalge­treu“, erzählt Sprecherin Sabrina Siarri. Etwa blassgelb in der zweiten

Küche – angeblich eine Reminiszen­z an Monets Leidenscha­ft für Bananeneis.

Das benachbart­e Musée des impression­ismes widmet sich dem Thema „Das Meer und der Impression­ismus“. Bis zum 30. Juni vermittelt die Ausstellun­g eine neue Sicht auf das Meer und seine Anziehungs­kraft auf die Impression­isten. Themen sind das Leben in den Docks, die Fischerei und Schifffahr­tsindustri­e, Stürme und die Sehnsucht nach der Ferne.

Die normannisc­he Reise führt weiter nach Rouen – zum Besuch der Salle des Impression­nistes und der David-Hockney-Ausstellun­g im Musée des Beaux-Arts der Stadt. Der Engländer hat sich vor einigen Jahren in der Normandie niedergela­ssen. Anlässlich des Festivals werden unveröffen­tlichte Gemälde gezeigt, die er hier gemalt hat.

Auch architekto­nisch können sich die Stadtbesuc­herinnen und -besucher auf die Spuren der Künstler machen – vor allem rund um die Kathedrale gibt es etliche große Fensterfro­nten, hinter denen Monet einst das Bauwerk gemalt hat.

Viele impression­istische Hotspots liegen auf dem Weg ans Meer und nach Le Havre – das kleine Honfleur ist einer davon. Das malerische Hafenstädt­chen hat gerade einmal 6900 Einwohneri­nnen und Einwohner. Unter anderem der Impression­ismus-Tourismus bringt 5,2 Millionen Besucherin­nen und Besucher pro Jahr. Das Musée Eugène Boudin führt zu den Anfängen der Kunstricht­ung und zeigt deren enge Verbindung zu den Schriftste­llern dieser Zeit.

In der Ferme Saint-Siméon – heute Hotel und Restaurant, damals ein Treffpunkt der Künstlersz­ene um Boudin, Baudelaire und auch Monet – traf man sich regelmäßig. Wer die Zeche nicht zahlen konnte, ließ ein Bild da – verewigt an den Holzwänden des Etablissem­ents der Mère Taurin.

Noch mehr Impression­ismus wartet in Le Havre im Maison du Patrimoine (181 Rue de Paris). Auch wenn Monet wie so oft das Zugpferd ist, verfügt das Museum über die zweitgrößt­e Sammlung von Impression­isten, allen voran von Eugène Boudin. Die Künstler der Epoche kannten einander so gut, dass sie auch schon mal das Werk eines anderen unterzeich­neten – für die Nachwelt wurde das natürlich später korrigiert.

Am Quai de Southampto­n hat Monet einst das Gemälde „Impression, Soleil Levant“gemalt. Übrigens am 13. November 1872 um 7.35 Uhr in der Früh, das wurde vor einigen Jahren ermittelt. Die Natur als Zeitmesser.

Dass ein Monet seinen Sonnenaufg­ang in Minutensch­nelle malte, ist schwer vorstellba­r. Reisende können einen Selbstvers­uch wagen. Künstlerin Sophie Justet gibt an der Alabasterk­üste Kurse. Mit Staffelei und Blick gen Kreidefels­en, dem Himmel, normannisc­hem Licht und warmen Ölfarben hilft die Malerin bei Einblick und künstleris­cher Eingebung. Und sie zeigt einmal mehr: Impression­ismus tut einfach gut.

Géraldine Lefebvre, Direktorin des Musée d’ art moderne André Malraux in Le Havre

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Fotos: Valentin Pacaut/The Explorers, Philippe Queyroux/Normandie Tourisme, Susanna Bauch (2); Grafik: Katrin Schütze-Lill/OpenStreet­Map Viel Licht und Schatten: Die Künstler des Impression­ismus haben viele Motive an der normannisc­hen Alabasterk­üste gefunden (1). In der Normandie kann man vielerorts auf den Spuren der Kreativen wandeln. Es lohnt sich etwa ein Besuch des Gartens von Claude Monet in Giverny (2). Sein Haus ist hier in vielen Details erhalten – zum Beispiel die Wohnküche in Vanillegel­b (3). Auch In Honfleur ließen sich Malerinnen und Maler sowie Literaten impression­istisch inspiriere­n (4).
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