Neue Westfälische - Löhner Nachrichten
Alles andere als ein Modell von gestern
Der Corsa ist für Opel das, was der eine Klasse höher positionierte Golf für VW ist: das wichtigste, weil meistverkaufte Auto in der Modellpalette. Nun gibt es den Kleinwagen erstmals mit Hybridantrieb.
Besonders viel Freude hatte man in den vergangenen Jahren wohl kaum in Rüsselsheim, dem Stammsitz der Marke mit dem Blitz im Logo. Opel und Krise, das schien häufig zusammenzugehören wie Tempo und Papiertaschentuch.
Einer der wenigen Freudenspender aber ist noch immer der Opel Corsa. Der war 2023 nicht nur das meistverkaufte Auto der Marke, sondern ließ auch seinen direkten Konkurrenten im Kleinwagensegment, den VW Polo, hinter sich. Beinahe noch deutlicher wird die Bedeutung des Corsa bei einem Blick auf die Rangliste aller in Deutschland verkauften Pkw: Hier belegt Opels Brot-undButter-Auto gar Rang vier.
Eine Beliebtheit, die sich im ersten Moment vor allem mit dem günstigeren Preis im Vergleich zu dem ärgsten Konkurrenten aus Wolfsburg erklärt. Die Basisversion des Corsa kostet 20 300 Euro und damit rund 1300 Euro weniger als der VW Polo (21 590 Euro). Beide Autos sind als ausgereift und solide bekannt, 1000 Euro mehr oder weniger können dann in der Klasse bis etwa 20 000 Euro schon den Ausschlag geben.
Wie so oft, ist dieser Basispreis allerdings eher theoretischer Natur. Tatsächlich kann der Corsa deutlich teurer werden. So kostet der stärkste Benziner mit 100 PS mindestens 24 530 (Schalter) beziehungsweise 26 750 Euro (Acht-GangAutomatik), während Opel einen Diesel überhaupt nicht mehr anbietet. Und für den Elektro-Corsa fallen mit dem kleineren Akku bereits 34 650 Euro, mit dem größeren (LongRange-Version) stolze 38 045 Euro an. Das ist dann deutlich
jenseits aller Kleinwagen-Preisidylle.
Seit April aber gibt es eine weitere Möglichkeit, Corsa zu fahren. Erstmals wird der Corsa nun auch als 48-Volt-Mild-Hybrid angeboten. Hier liegen die Preise für die 100-PS-Version bei mindestens 26 100 Euro, für die mit 136 PS bei wenigstens 30 190 Euro. Während noch vor nicht allzu langer Zeit die vorherrschende Meinung lautete, der Hybridantrieb wäre ein Modell von gestern, reagiert man in Rüsselsheim mit MildHybrid darauf, dass vielleicht doch der Hybrid-, nicht der reine Elektroantrieb die Antwort auf die Frage nach der effizientesten Antriebsart sein könnte.
Abschließend beantworten – so viel sei vorweggenommen – kann das Testauto, ein Opel Corsa 1.2 Direct Injection Turbo Hybrid, diese Frage selbstverständlich nicht. Was dieser Test aber zeigen wird, ist, wie effizient und harmonisch Verbrenner und Elektrokomponente zusammenarbeiten können.
Das Erscheinungsbild des ausschließlich als Fünftürer verfügbaren Corsa dürfte eher
nicht der Grund für seinen Erfolg sein – so zumindest die Ansicht des Testers. Zwar kann man gewiss nicht behaupten, dass der aktuelle Opel-Look mit den scharf konturierten, wie mit dem Trennschleifer geschnittenen Linien, Ecken, Kanten und Sicken per se unattraktiv wäre. Vielmehr scheint der Corsa mit seiner Formensprache durchaus auf der Höhe unserer Zeit.
„Einsteigen, anschnallen, Start-Stopp-Knopf drücken, losfahren: Jegliches Fremdeln bleibt den Fahrerinnen und Fahrern erspart.“
Da aber liegt das Problem. Auf diese Formensprache setzen auch andere Autobauer – was zwangsläufig eine gewisse Beliebigkeit mit sich bringt. Während etwa ein BMW Mini schon von Weitem als solcher zu erkennen ist und auch ein Volvo XC 60 oder ein Fiat 500
kaum zu verwechseln sind, könnte man einen Opel aus der Ferne auch für einen Toyota, einen Hyundai oder ein Auto aus chinesischer Produktion halten.
Was definitiv nicht gefällt am Corsa, ist im Innenraum der für Kratzer anfällige Hartkunststoff, den Opel nicht nur dort verbaut, wo es eher weniger auffällt. Vielmehr hat man sich an diesem Werkstoff so eifrig bedient, dass man nach weicheren, Hand und Auge schmeichelnden Kunststoffen erst suchen muss. Das ist wohl ebenso eine Folge der Rationalisierung wie die offensichtlich nicht allzu üppige Dämmung des Dachs.
Das aber war es im Großen und Ganzen schon mit der Kritik. Ansonsten ist dieser Corsa ein, ja, hervorragendes Auto. Da ist zunächst seine Funktionalität. Schon lange präsentierte sich ein Auto, dem es in Sachen digitaler Sicherheitsassistenten und Konnektivität an nichts mangelt, nicht mehr so selbstverständlich und selbsterklärend.
Einsteigen, anschnallen, Start-Stopp-Knopf drücken,
losfahren: Jegliches Fremdeln bleibt den Fahrerinnen und Fahrern erspart. Viele Funktionen, etwa die Klimatisierung, sind größtenteils per Drucktaste oder Schalter auszuführen. Selbst der heute unvermeidliche Touchscreen ist kein Ärgernis, sondern reagiert auch ohne nachdrücklichen Touch und zudem blitzschnell. Zudem verfügte der Testwagen mit der ohnehin opulenten GS-Ausstattung über nahezu jede erdenkliche Annehmlichkeit, von einer Massagefunktion für den Fahrersitz über induktives Laden bis hin zur Lenkradheizung. Allerdings
klettert der Preis dann auf rund 32 000 Euro.
Rundum wohl fühlt man sich auch auf den Sportsitzen vorn, weil es in der ersten Reihe Platz satt gibt; selbst Menschen um die 1,90 Meter kommen gut unter. Zudem ist das Gestühl langstreckentauglich, wie sich im Laufe des Tests zeigte. Und wohl kaum jemand wird einem Kleinwagen übel nehmen, dass es in Reihe zwei spätestens ab einer Körpergröße von 1,80 Meter ziemlich eng wird beziehungsweise, dass ein Kofferraumvolumen von 309 Litern (bei umgeklappter Rückbank etwa 1000 Liter) keine allzu großen Sprünge erlaubt.
Kommen wir lieber noch einmal zurück zum Stichwort „lange Autobahnetappe“: Der gerade einmal 1,2 Liter große und 100 PS starke Dreizylindermotor beschert dem Corsa eine so kaum erwartete Lebendig-, ja Sportlichkeit. So ist ein Dauertempo irgendwo zwischen 160 und 170 km/h überhaupt kein Problem für diesen Motor (Vmax: 189 km/h), der fast mühelos zu agieren scheint.
Völlig rund wird das Fahrvergnügen schließlich durch das exzellente Fahrverhalten. Geradezu stoisch zieht der Corsa seine Bahn, selbst Spurrillen vermögen nicht, ihn aus der Ruhe zu bringen. Dass er dennoch extrem handlich und wendig ist (Wendekreis nur 10, 4 Meter), zeigt, welche Sorgfalt sich die Opel-Ingenieure bei der Abstimmung des Fahrwerks offensichtlich ins Aufgabenheft geschrieben haben. Kurzum: Dieser Kleine schreibt Fahrspaß ganz groß.
Der Hybridantrieb verrichtet ganz und gar unauffällig seinen Dienst. Die Ingenieure haben ein kleines E-Motörchen ins Doppelkupplungsgetriebe integriert, eine Lösung, die für pure Harmonie sorgt. Natürlich ist ein Mild-Hybrid aber selbst dann kein Antrieb, der kilometerweites rein elektrisches Fahren ermöglicht. Vielmehr unterstützt der E-Motor den Corsa zum Beispiel beim Anfahren und kann gerade im Stadtverkehr das Bremsen beinahe vollständig abnehmen. Dazu mag zunächst ein wenig Übung nötig sein. Hat man das gefühlvolle Lupfen des Gaspedals aber einmal verinnerlicht, kann man den Corsa dank überraschend starker Rekuperation durchaus im Ein-PedalModus bewegen und auch ohne klassisches Bremsen an der roten Ampel stoppen.
Fazit: Zieht man nun Bilanz, so ist der Opel Corsa mit großer Sicherheit nicht gleich das beste Auto der Welt. In der Summe seiner Eigenschaften aber ist er ein Fahrzeug, das dem Fahrer oder der Fahrerin (außer etwas Benzin) nichts abverlangt, aber dennoch sehr viel gibt. Und mit dieser „Geben ist seliger denn nehmen“-Haltung hat sich der Corsa Hybrid das Prädikat, zu den nicht allzu üppig auf dem Markt vertretenen Mehr-Autobraucht-niemand-Autos zu zählen, allemal hochverdient.