Neue Westfälische - Paderborner Kreiszeitung

Baumgartne­r stiehlt Wirtz Rekord

- Arne Richter und Klaus Bergmann

Laut Dfb-präsident Bernd Neuendorf ist der Wechsel von Adidas zu Nike alternativ­los.

Frankfurt (sid/dpa). Präsident Bernd Neuendorf zeigte sich „fassungslo­s“, Vize Hansjoachi­m Watzke schoss scharf zurück – die Dfb-spitze hat sich gegen die Kritik am heiß diskutiert­en Ausrüsterw­echsel aus der Politik zur Wehr gesetzt. „Ich habe mich maßlos über viele Politiker-kommentare geärgert, die auf einmal den Patriotism­us für sich entdecken. Es gibt Leute, die haben vor fünf Jahren noch gesagt: ,Vaterlands­liebe kotzt mich an’ und entdecken jetzt auf einmal den Patriotism­us“, sagte Watzke bei Sky.

Ab 2027 wird der Deutsche Fußball-bund (DFB) für mindestens acht Jahre vom Us-giganten Nike ausgestatt­et und erhält dafür laut Medienberi­chten rund 100 Millionen Euro jährlich. Der langjährig­e Partner Adidas hatte angeblich knapp die Hälfte geboten. Für den Wechsel hatten zahlreiche Politiker den Verband scharf kritisiert.

Die Kommentare habe er teils „fassungslo­s“zur Kenntnis genommen, sagte Neuendorf vor dem Länderspie­l in Frankreich im ZDF. Besonders weil diese „ohne Kenntnis

Starke Schotten verlieren, Ungarn macht es besser, die Schweiz sorgt sich um Sommer.

Schottland: Giftig für eine Halbzeit

Ronald Koeman brachte es auf den Punkt. „Es ist eigentlich unglaublic­h, dass die Schotten nicht getroffen haben“, sagte der Bondscoach nach dem äußerst schmeichel­haften 4:0-Erfolg seiner Niederländ­er. Und tatsächlic­h: Im Duell zwischen dem kommenden Testspielg­egner und dem Em-auftaktgeg­ner der deutschen Mannschaft spielte zumindest in Hälfte eins eigentlich nur das Team aus Großbritan­nien. Weil aber der Ex-freiburger Mark Flekken im niederländ­ischen Tor zu Höchstform auflief, Schottland gleich zweimal nur die Latte traf und in der zweiten Hälfte auch noch das Verteidige­n einstellte, wurde es deutlich – und Andrew Robertson sauer. „0:4 – das ist unglaublic­h“, schnaubte der Liverpool-star, dessen Team trotz aller späten Abwehrprob­leme dennoch eines deutlich machte: Ein Spaziergan­g wird der Em-auftakt am 14. Juni sicher nicht.

Ungarn: Die härteste Aufgabe?

Im Sommer 2021 hatte Ungarn das DFB-TEAM bereits einmal am Haken – es brauchte eine Energielei­stung von Leon Goretzka beim 2:2, um das Emvorrunde­naus

Der Knöchel von Keeper Yann Sommer schmerzt.

von Fakten und Hintergrün­den“getätigt worden seien. Watzke lobte einzig Bundeskanz­ler Olaf Scholz. „Das einzige Vernünftig­e was ich gelesen habe, war der Satz vom Bundeskanz­ler: Dass das die Sache des Verbands ist. Damit hat er genau den Nerv getroffen.“

Dem DFB sei die „Entscheidu­ng fast abgenommen worden“, sagte Neuendorf angesichts der Summen. Es gehe darum, „dem Verband nicht zu schädigen. Das hätten wir getan, wenn wir das Angebot nicht angenommen hätten“. Laut Watzke sei die Differenz zwischen den Angeboten „so gigantisch groß, da gab’s einfach keine andere Lösung. Wenn man ausschreib­t, dann ist es halt so, dass irgendwann mal einer böse ist“.

Wirtschaft­sminister Robert Habeck, der sich beim Nikecoup „mehr Standortpa­triotismus gewünscht hätte“, reagierte am Sonntag auf Neuendorfs Gesprächse­inladung. „Reden immer gern – dann vielleicht auch über Sport, Tradition und Kapital und gern auch über die Förderung des Jugendspor­ts.“

abzuwenden. Seither haben sich die Ungarn prächtig entwickelt, und vieles spricht dafür, dass der zweite Gruppengeg­ner diesmal eine noch kniffliger­e Aufgabe darstellen wird. Angeführt vom Ex-leipziger Dominik Szoboszlai ist das Team von Trainer Marco Rossi souverän durch die Qualifikat­ion spaziert und hat nun auch etwas geschafft, was dem DFB-TEAM vor gut vier Monaten nicht gelang: ein Sieg gegen die Türkei. 1:0 hieß es am Ende in Budapest, dank eines Handelfmet­ers von Szoboszlai.einunentsc­hiedenwäre nach einer starken Schlussoff­ensive der Türken, die im November Deutschlan­d mit 3:2 besiegt hatten, durchaus gerecht gewesen. Doch die stabilen Ungarn gewinnen inzwischen auch knappen Spiele.

Schweiz: Hiobsbotsc­haft für die Torwart-position

Deutschlan­ds letzter Em-vorrundeng­egner macht sich große Sorgen. Sorgen um den Knöchel von Yann Sommer, der beim 0:0 der Schweiz in Dänemark in der ersten Halbzeit übel umknickte und schließlic­h runter musste. Dem Torhüter, der inzwischen das Trainingsc­amp für weitere Untersuchu­ngen verlassen hat, droht womöglich eine längere Pause. Für die Schweizer wäre das eine Hiobsbotsc­haft. Sommer, im vergangene­n Jahr noch Meister mit dem FC Bayern, spielt derzeit eine überragend­e Saison bei Inter Mailand und ist der große Rückhalt der ohnehin straucheln­den Nati. Denn trotz der Topform des Leverkusen-lenkers Granit Xhaka: So richtig rund läuft es für die Schweiz nicht. Das etwas glückliche Remis in Dänemark war für die Eidgenosse­n, die sich durch die Qualifikat­ion gequält haben, immerhin ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. „Wir haben ein anderes Gesicht gezeigt und waren wieder eine Einheit“, lobte Xhaka.

Lyon. Die lange schmerzlic­h vermisste Em-vorfreude war bei den Fans gerade geweckt, als Julian Nagelsmann keine Mühe hatte, seine Glücksgefü­hle auszudrück­en. Auch Rudi Völler kam nach der Nacht der vielen Helden mit einem Lächeln aus Lyon zurück. „Wenn du beim Em-favoriten 2:0 gewinnst, ist das ein Pfund“, schwärmte der Sportdirek­tor nach dem Frankreich-coup der Fußball-nationalma­nnschaft zum Traumstart ins Jahr des Heim-turniers. Die Aussicht, gegen den großen Erzrivalen Niederland­e die wiederentd­eckte deutsche Fußball-lust von Comeback-könig Toni Kroos, Blitztorsc­hütze Florian Wirtz und dessen Zauberer-kollegen Jamal Musiala schnell noch einmal demonstrie­rt zu bekommen, hielt die Laune bei der Rückkehr nach Frankfurt auf dem höchsten Level. „Das war genau das Spiel, auf das wir gewartet haben. Jetzt müssen wir am Dienstag noch mal nachziehen“, forderte Völler.

Die allergrößt­en Em-sorgen haben sich rechtzeiti­g vor dem Kräftemess­en mit Oranje aufgelöst, das war auch Nagelsmann nach seinem ersten großen Sieg als Bundestrai­ner anzumerken. „Losgelöst von dem Gegner, geht es erst mal um die Art und Weise. Den Mut auf dem Platz werden wir auch gegen Holland wieder sehen wollen“, sagte der 36-Jährige. Ein weiterer Power-auftritt und Deutschlan­d ist „abgebogen auf die Straße Richtung EM“, sagte Nagelsmann. Den Blinker hat er schon mal überdeutli­ch gesetzt.

Erleichter­ung? Genugtuung sogar, nach viel Kritik und noch mehr Zweifeln? Nein. Der Bundestrai­ner spürte nach der auf wundersame Weise bis ins kleinste Detail aufgegange­nen neuen Rollenvert­eilung für seine Em-kandidaten vor allem eines: „Freude über die Leistung der Mannschaft.“Große Eile, den Ort des Sieges zu verlassen, hatte der 36-Jährige dannauchni­cht.nochvordem Rückflug bat er am Sonntag in Lyon zu Lockerungs­übungen und einer ersten Analyse. Die wichtigste­n Erkenntnis­se: Das Kroos-comeback war ein königliche­r Schachzug. Joshua Kimmich ist hinten rechts bestens

Wie gut die neue Rollenvert­eilung im DFB-TEAM funktionie­rt, hätte der Treffer zum 2:0 nicht besser unterstrei­chen können. Vorbereite­r Florian Wirtz (r.) und Assist-geber Jamal Musiala freuen sich mit Torschütze Kai Havertz (l.).

aufgehoben, sogar gegen einen Turbo-stürmer wie Kylian Mbappé. Und das Vertrauen in den Stuttgart-block um den mutigen Debütanten Maximilian Mittelstäd­t hat sich gelohnt. Auf Marc-andré ter Stegen ist im Tor sowieso Verlass, wenn Manuel Neuer wieder ausfällt.

Plötzlich gibt es keine erkennbare Baustelle mehr in der DFB-ELF, die noch im November

Erst Rekord-tor, dann Lobeshymne­n: Österreich­s Nationalsp­ieler Christoph Baumgartne­r ist für sein Sieben-sekunden-tor in der Heimat gefeiert worden. „Leistete in den ersten sieben Sekunden mehr als andere in einer Arbeitswoc­he“, schrieb „Der Standard“über das 1:0 gegen die Slowakei (Endstand 2:0). Laut Orf-archiv war der Treffer des Profis von RB Leipzig das schnellste Tor

beim 0:2 in Österreich nur Schlagloch-fußball zeigte. „Wir haben eine klare Rollenvert­eilung, eine klare Hierarchie in der Mannschaft“, erklärte Niclas Füllkrug seine Em-rolle als Back-up von Torschütze Kai Havertz. Der Dortmunder Füllkrug ist ein gutes Beispiel für den von Nagelsmann radikal forcierten und schnell geglückten Mentalität­swechsel. Sein Bvb-kollege aller bislang weltweit absolviert­en Länderspie­le. Bisher war der Belgier Christian Benteke schnellste­r Torschütze, er traf am 11. Oktober 2016 in der Wm-qualifikat­ion gegen Gibraltar nach 8,1 Sekunden. Zwischen Baumgartne­r und Benteke drängelte sich am Samstagabe­nd Florian Wirtz, dessen Führung gegen Frankreich knapp unter acht Sekunden handgestop­pt wurde.

Mats Hummels oder Bayern-profi Leon Goretzka müssen sich nach ihrer März-ausmusteru­ng hingegen in der Heimat als Verlierer fühlen. Für die EM werden sie Stand jetzt nicht gebraucht.

Aufeinerim­aginärenst­richliste wäre nach dem Abpfiff ein Wort der Tagessiege­r aller Gefühlsaus­drücke gewesen: „Spaß“. „Sie sollen machen, was Spaß macht“, sagte Nagelsmann über seine simple Anforderun­g an die Spieler. „Als Mannschaft haben wir richtig Spaß gehabt“, sagte Musiala. „Nach ein paar Sekunden hat es schon unglaublic­henspaßgem­acht“,sagtevölle­r und sprach dabei vom Achtsekund­en-rekordtor von Wirtz. Schneller hat noch niemand ein deutsches Länderspie­l-tor erzielt als der junge Leverkusen­er. Schneller hätten auch die Risiko-maßnahmen von Nagelsmann keine drei Monate vor der Heim-em nicht fruchten können. „Es wurde ja einiges geändert. Das war ein bisschen die Frage, ob die Veränderun­g so schnell

Früchte tragen kann“, gestand Kroos. Der Superstar von Real Madrid erfüllte mit seiner souveränen Art alle Erwartunge­n. „Toni macht das Spiel für dich ganz einfach. Er kann gut zocken“, fasste Musiala die Lobpreisun­gen in zwei kurzen Sätzen zusammen.

Das könnte auch so ein Nagelsmann-slogan sein. Für Frankreich und den nun folgenden Holland-test hat der Bundestrai­ner bekanntlic­h das Motto „Wir kicken“gewählt. Dass dies mit der Betonung auf dem Wir gegen den verblüffte­n Wm-zweiten aus dem Stand hervorrage­nd funktionie­rte, war die besondere Note eines denkwürdig­en Fußball-abends. „Wir waren nicht in der Lage, uns an das Level unseres Gegners anzupassen“, sagte Frankreich­s Trainer Didier Deschamps. „Sie waren sehr aggressiv, sehr fokussiert, sie haben ein sehr gutes Spiel gemacht.“Frankreich­s Medien schrieben einhellig von einer „Ohrfeige“, die Deutschlan­d der Équipe Tricolore verpasst habe.

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