Neue Westfälische - Paderborner Kreiszeitung
Wüst nutzt die große Bühne
Hendrik Wüst hat einen Lauf. Noch immer. Der Nrw-ministerpräsident kann seine Beliebtheitswerte seit zwei Jahren steigern – obwohl er regiert. Zwar segelte auch Wüsts Amtsvorgänger Armin Laschet zu Beginn durch verhältnismäßig ruhige Gewässer – und endete mit einem politischentotalabsturz.dochbislang gibt es wenig Anzeichen, dass es Wüst so schnell ähnlich ergehen dürfte.
Rund jeder zweite Befragte im Nrw-check gibt an, mit Wüst und mit der Arbeit der schwarz-grünen Koalition zufrieden zu sein. Das ist Fakt und wird Gründe haben. Mit der objektiven Lage im Land sind die hohen Zustimmungswerte aber nur bedingt zu erklären. Geldnöte der Kommunen, Frust in Schulen und Kitas, steigende Kriminalitätswerte, marode Straßen und Brücken, insolvente Krankenhäuser und Pflegeheime, Finanzierung der Flüchtlingsunterbringung: Eineerfolgsbilanzalsproblemlöser kann Wüst bislang ebenso wenig aufweisen wie eine klare politische Handschrift als Gestalter. Was ihm aber sehr gut gelingt, ist: die Koalition bei Laune zu halten und sich bei den Wählerinnen und Wählern als interessierter und moderner Landesvater zu präsentieren, der die passenden Worte im passenden Moment findet, der dem konservativen Cdu-profil einen frischen Anstrich gibt – und der ehrgeizig ist und sich sogar den Sprung an die Spitze der Bundesrepublik zutraut. Das macht sexy.
In Zeiten einer schnelllebigen Oberflächlichkeit in der Gesellschaft ist das ein Erfolgsrezept, mit dem sich Wüst weiter
Ingo Kalischek, Düsseldorf
wunderbar von einer chronisch zerstrittenen Ampelkoalition abgrenzen kann. Und von der politischen Konkurrenz in NRW geht für ihn auch keine Gefahr aus. Dort zeigt der Trend für die SPD weiter nach unten. Wüst kann also entspannt nach Berlin blicken. Dass er sich dort wiederholt selbst in die medial so lustvoll diskutierte Kanzlerfrage der Union eingebracht hat, hat ihm ebenso genutzt wie die Bühne, die ihm die Ministerpräsidentenkonferenz über Monate beschert hat. Als deren Vorsitzender konnte Wüst besonders öffentlichkeitsstark agieren – und sich als Treiber des Kanzlers in Szene setzen.
Wie lange der Lauf anhält, dürfte sich zeigen, wenn Friedrich Merz Kanzlerkandidat der Union werden sollte. Danach sieht es aus. Unter einem Kanzler Merz würde das bundesweite Interesse an Wüst sinken, mit der Folge, dass das Scheinwerferlicht stärker auf dessen überschaubare Performance in NRW gerichtet würde. Sollte Merz aber gegen Scholz verlieren, dürfte Wüst sogar der neue starke Mann in der Bundes-cdu werden. Und das, obwohl er mehr durch Strategie und Auftritt, als durch Taten und Inhalte überzeugt. ingo.kalischek@
ihr-kommentar.de Titelseite, OWL und NRW