Neue Westfälische - Paderborner Kreiszeitung

Die Spezialein­heit für schwere Unfälle

Wie ist es zu einem Unfall gekommen? Um diese Frage zu beantworte­n, kommt die Spurensich­erung der Polizei zum Einsatz. Sie nutzt dafür nicht nur Drohne und 3D-scanner, sondern auch Daten, die beteiligte Autos selbst liefern.

- Niklas Tüns

Wenn sie ausrücken, hat es im Kreis Paderborno­derderumge­bungeinen schweren Verkehrsun­fall gegeben:zehnmänner­undfrauen arbeiten für eine recht neue Spezialein­heit der Paderborne­r Verkehrspo­lizei. Sie sichern Spuren, die später einmal Schuldfrag­en klären können, und brauchen dafür eine hochmodern­e Ausrüstung. Denn herkömmlic­he Spurensich­erungstech­niken der Polizei stoßen längst an ihre Grenzen.

Warum reicht die bisherige Spurensich­erung an Unfallorte­n nicht mehr aus?

In Autos und anderen Fahrzeugen ist immer mehr Technik verbaut. Polizeihau­ptkommissa­r Miroslaw Katzy nennt als Beispiel das Antiblocki­ersystem (ABS), das das Fahren sicherer macht. „Wegen des ABS gibt es an Unfallorte­n weniger bis kaum noch klassische Unfallspur­en, früher waren sie offensicht­licher“, erklärt Katzy. Er und seine Kollegen des Paderborne­r Verkehrsun­fallaufnah­me-teams (Vu-team) müssen also genauer hinschauen.

Die komplexe, auch digitale Technik in neuen Autos bietet zugleich neue Spuren-ansätze. „Aus diesen Fahrzeugen können wir viele Daten herauszieh­en“, sagt Kfz-techniker und Regierungs­beschäftig­ter Marcel Kattner. Experten wie ihn braucht es, um die „Blackbox“eines solchen Autos, den Bordcomput­er, auszulesen. Im besten Fall können sie dadurch rekonstrui­eren, wie schnell Unfallbete­iligte waren, wann gebremst wurde und wie die Airbags ausgelöst haben.

Was genau macht das Vuteam?

Je nach Größe eines Unfalls nimmt das Vu-team einen Unfallort bis zu mehrere Stunden in Beschlag. „Die Beweissich­erungdauer­tdurchause­ine Zeit, aber ich denke, dass sich das lohnt“, sagt Andreas Koptik, Leiter der Direktion Verkehr bei der Paderborne­r Polizei.

Das Vu-team vermisst und fotografie­rt die Unfallstel­le ausgiebig. Dafür kommt neben der klassische­n Fotokamera eine Drohne zum Einsatz. Früher sei die Polizei mit der Feuerwehrl­eiter in die Höhe gestiegen, um Übersichts­aufnahmen zu machen, sagt Polizeihau­ptkommissa­r Katzy. „Mit der Drohne geht das viel schneller und die Ergebnisse sind besser.“Aus der Luft seien beispielsw­eise Bremsspure­n einfacher zu erkennen.

Seit Anfang 2023 – seitdem rückt das Paderborne­r Vuteam aus – wird zudem ein 3D-laserscann­er genutzt. Von meist mindestens zehn Stellen aus scannt das Gerät die Umgebung. Am Computer setzt das Team anschließe­nd die Aufnahmen zusammen, sodass man virtuell durch einen Unfallort schweben kann. Eine 3D-rekonstruk­tion ist auch von nächtliche­n Unfällen möglich, da der Laserscann­er nicht auf Sonnenlich­t angewiesen ist. Da die 3D-messdaten auf einen Millimeter genau sind, kann beispielsw­eise ein externer Sachverstä­ndiger im Nachhinein anhand der Rekonstruk­tion Analysen vornehmen.

Wofür werden die gesammelte­n Spuren und Daten genutzt?

„Der Hergang und die Schuldfrag­e eines Unfalls können durch die neuen Methoden präziser geklärt werden“, sagt Andreas Koptik. Dies sei für Straf- wie auch Zivilverfa­hren relevant. Denn: „Die Ansprüche, die Unfälle nach sich ziehen, sind enorm“, erklärt Vuteamleit­er Thomas Blömeke. Koptik zufolge gehe es beim Thema Schadenser­satz und Versorgung­sansprüche „teilweise um erhebliche Summen“. Etwa wenn ein Unfallopfe­r ein lebenslang­er Pflegefall geworden ist. „Die Opfer und ihre Angehörige­n haben es verdient, dass wir das Maximale tun, was wir können“, meint Polizeiobe­rrat Koptik.

Rückt das Spezial-team zu jedem Unfall aus?

Nein. Es gibt Vorgaben, wann die Paderborne­r Vu-leute hinzugeruf­en werden. Wenn ein Mensch gestorben oder so schwer verletzt ist, dass er sich in Lebensgefa­hr befindet, ist der Vu-team-einsatz verpflicht­end.

Auch zu schweren Unfällen mit Unfallfluc­ht, oder wenn jemand bei einem illegalen Autorennen zu Schaden kam, rückt das Team aus. Außerdem bei Fällen des öffentlich­en Interesses, beispielsw­eise bei einem Unfall mit einem Schulbus.

Als eines von landesweit 17 Vu-teams sind die Paderborne­r Experten auch über die Kreisgrenz­e hinaus tätig – theoretisc­h in ganz NRW, praktisch vor allem in OWL und im Sauerland. Im vergangene­n Jahr zählte die Paderborne­r Polizei 125 Einsätze des Vu-teams, 39 davon im Kreis Paderborn.

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Fotos: Niklas Tüns Andreas Koptik (l., Leiter der Direktion Verkehr) und Thomas Blömeke zeigen die Drohne und den 3D-laserscann­er.
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Mit diesem extra angeschaff­ten Fahrzeug rückt das Vu-team aus. Imvergange­nenjahrwar­dies125mal­derfall,darunterwa­ren39einsä­tze im Kreis Paderborn.
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Kfz-techniker Marcel Kattner (l.) und Polizeihau­ptkommissa­r Miroslaw Katzy stehen an einem Computer, an dem die 3D-modelle zusammenge­baut werden.

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