Neue Westfälische - Paderborner Kreiszeitung
Die Spezialeinheit für schwere Unfälle
Wie ist es zu einem Unfall gekommen? Um diese Frage zu beantworten, kommt die Spurensicherung der Polizei zum Einsatz. Sie nutzt dafür nicht nur Drohne und 3D-scanner, sondern auch Daten, die beteiligte Autos selbst liefern.
Wenn sie ausrücken, hat es im Kreis Paderbornoderderumgebungeinen schweren Verkehrsunfall gegeben:zehnmännerundfrauen arbeiten für eine recht neue Spezialeinheit der Paderborner Verkehrspolizei. Sie sichern Spuren, die später einmal Schuldfragen klären können, und brauchen dafür eine hochmoderne Ausrüstung. Denn herkömmliche Spurensicherungstechniken der Polizei stoßen längst an ihre Grenzen.
Warum reicht die bisherige Spurensicherung an Unfallorten nicht mehr aus?
In Autos und anderen Fahrzeugen ist immer mehr Technik verbaut. Polizeihauptkommissar Miroslaw Katzy nennt als Beispiel das Antiblockiersystem (ABS), das das Fahren sicherer macht. „Wegen des ABS gibt es an Unfallorten weniger bis kaum noch klassische Unfallspuren, früher waren sie offensichtlicher“, erklärt Katzy. Er und seine Kollegen des Paderborner Verkehrsunfallaufnahme-teams (Vu-team) müssen also genauer hinschauen.
Die komplexe, auch digitale Technik in neuen Autos bietet zugleich neue Spuren-ansätze. „Aus diesen Fahrzeugen können wir viele Daten herausziehen“, sagt Kfz-techniker und Regierungsbeschäftigter Marcel Kattner. Experten wie ihn braucht es, um die „Blackbox“eines solchen Autos, den Bordcomputer, auszulesen. Im besten Fall können sie dadurch rekonstruieren, wie schnell Unfallbeteiligte waren, wann gebremst wurde und wie die Airbags ausgelöst haben.
Was genau macht das Vuteam?
Je nach Größe eines Unfalls nimmt das Vu-team einen Unfallort bis zu mehrere Stunden in Beschlag. „Die Beweissicherungdauertdurchauseine Zeit, aber ich denke, dass sich das lohnt“, sagt Andreas Koptik, Leiter der Direktion Verkehr bei der Paderborner Polizei.
Das Vu-team vermisst und fotografiert die Unfallstelle ausgiebig. Dafür kommt neben der klassischen Fotokamera eine Drohne zum Einsatz. Früher sei die Polizei mit der Feuerwehrleiter in die Höhe gestiegen, um Übersichtsaufnahmen zu machen, sagt Polizeihauptkommissar Katzy. „Mit der Drohne geht das viel schneller und die Ergebnisse sind besser.“Aus der Luft seien beispielsweise Bremsspuren einfacher zu erkennen.
Seit Anfang 2023 – seitdem rückt das Paderborner Vuteam aus – wird zudem ein 3D-laserscanner genutzt. Von meist mindestens zehn Stellen aus scannt das Gerät die Umgebung. Am Computer setzt das Team anschließend die Aufnahmen zusammen, sodass man virtuell durch einen Unfallort schweben kann. Eine 3D-rekonstruktion ist auch von nächtlichen Unfällen möglich, da der Laserscanner nicht auf Sonnenlicht angewiesen ist. Da die 3D-messdaten auf einen Millimeter genau sind, kann beispielsweise ein externer Sachverständiger im Nachhinein anhand der Rekonstruktion Analysen vornehmen.
Wofür werden die gesammelten Spuren und Daten genutzt?
„Der Hergang und die Schuldfrage eines Unfalls können durch die neuen Methoden präziser geklärt werden“, sagt Andreas Koptik. Dies sei für Straf- wie auch Zivilverfahren relevant. Denn: „Die Ansprüche, die Unfälle nach sich ziehen, sind enorm“, erklärt Vuteamleiter Thomas Blömeke. Koptik zufolge gehe es beim Thema Schadensersatz und Versorgungsansprüche „teilweise um erhebliche Summen“. Etwa wenn ein Unfallopfer ein lebenslanger Pflegefall geworden ist. „Die Opfer und ihre Angehörigen haben es verdient, dass wir das Maximale tun, was wir können“, meint Polizeioberrat Koptik.
Rückt das Spezial-team zu jedem Unfall aus?
Nein. Es gibt Vorgaben, wann die Paderborner Vu-leute hinzugerufen werden. Wenn ein Mensch gestorben oder so schwer verletzt ist, dass er sich in Lebensgefahr befindet, ist der Vu-team-einsatz verpflichtend.
Auch zu schweren Unfällen mit Unfallflucht, oder wenn jemand bei einem illegalen Autorennen zu Schaden kam, rückt das Team aus. Außerdem bei Fällen des öffentlichen Interesses, beispielsweise bei einem Unfall mit einem Schulbus.
Als eines von landesweit 17 Vu-teams sind die Paderborner Experten auch über die Kreisgrenze hinaus tätig – theoretisch in ganz NRW, praktisch vor allem in OWL und im Sauerland. Im vergangenen Jahr zählte die Paderborner Polizei 125 Einsätze des Vu-teams, 39 davon im Kreis Paderborn.