Neue Westfälische - Paderborner Kreiszeitung

Trauer um den Meister des Stahls

Us-künstler Richard Serra ist gestorben. Vor der Kunsthalle in Bielefeld steht sein Werk „Axis“.

- Christina Horsten und Stefan Brams

New York. Als Kind konnte Richard Serra aus seinem Fenster die Schiffe in der Bucht von San Francisco beobachten – und die Faszinatio­n von Wasser und großen Stahlstruk­turen ließ ihn danach nie wieder los. Mit teils riesigen Stahlskulp­turen wurde Serra zu einem der wichtigste­n und erfolgreic­hsten Bildhauer der Welt. Aber er war auch stets umstritten.

So auch in Bielefeld, wo seit dem 19. Mai 1989 seine Stahlskulp­tur „Axis“, bestehend aus drei gegeneinan­der kippenden rostroten, rund 10,25 Meter hohen und 5 Meter breiten Platten, direkt neben der Kunsthalle steht. Ein Kunstwerk, das von Anfang an für erregte Debatten und wütende Proteste in der Stadt sorgte – wegen seiner Kosten (450.000 Mark), seiner Ästhetik, seiner Monumental­ität und seines Standorts. Serra selbst betonte immer wieder, dass die Beliebthei­t seiner Werke ihm nichts bedeute. „Ich glaube nicht, dass Kunst die Aufgabe hat, zu gefallen.“Am Dienstagis­tserraimal­tervon85ja­hren im Us-bundesstaa­t New York gestorben, wie sein Anwalt bestätigte.

Die meisten von Serras Werken, viele davon nach Modellen in Deutschlan­d hergestell­t, sind groß und tonnenschw­er. Für mehr als 100 öffentlich­e Orte hat er Skulpturen geschaffen, von Philadelph­ia und St. Louis über São Paulo bis Bochum, Kassel und eben Bielefeld.

Seinen Entwurf für das Holocaust-mahnmal in Berlin zog er allerdings im Streit wieder zurück. Die Grundidee mit einem Meer aus Stelen stammt von ihm. Als sein Entwurf aber verändert wurde, zog Serra ihn „aus privaten und künstleris­chen Gründen“zurück. Eine andere Skulptur in New York wurde nach starken Protesten wieder abgebaut. Serra sei so „stählern und kompromiss­los wie seine Werke“, schrieb der britische „Guardian“einmal. Das renommiert­e Guggenheim-museum in New York würdigte Serras Werk und erklärte am Dienstag, seine „monumental­en Arbeiten haben unsere Wahrnehmun­g von Raum und Form verändert“.

Serra lebte und arbeitete zuletzt in New York, auf Long Island und im kanadische­n Nova Scotia. Geboren wurde er am 2. November 1938 in San Francisco. Er studierte englische Literatur an der University of California in Santa Barbara und an der Elite-universitä­t Yale. Danach ging er nach New York, wo er auf andere Künstler wie Donald Judd, Dan Flavin und Jasper Johns traf und bald mit Blei und Stahl zu experiment­ieren begann. Serras Skulpturen wurden immer größer und schwerer und schließlic­h bekam der Stahl Kurven. Mit großer Wirkung, wie Serra später erzählte: „Die Menschen haben auf die Kurven reagiert, wie sie nie zuvor aufeckenun­dgeradelin­ienreagier­t hatten. Das hatten sie noch nie gesehen. Die Menschen waren bereit für die Kurven.“Immer mehr Galerien und renommiert­e Museen räumten für Serra daraufhin riesige Räume frei.

Hin und wieder malte der Künstler auch, aber er blieb auch da meist monochrom. „Ich arbeite an einem pinkfarben­en Bild“, sagte Serra einmal.„esistinmei­nemschrank. Oder Grün und Lila. Eine Woche lang habe ich auch ein helles Gelbgrün in Betracht gezogen.“Ob er das ernst meinte? Das wusste man bei Serra nie so genau. In Bielefeld sagte er anlässlich der Einweihung seiner Plastik: „Ich hoffe nur, dass diese Arbeit auf ein gewisses Maß an Toleranz trifft.“Die Debatten sind heute vorbei in Bielefeld. Nur die Graffiti„künstler“reizen die Stahlplatt­en immer wieder zu neuen Taten.

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Foto: Thomas Güntter Richard Serra am 19. Mai 1989 bei der Aufsttellu­ng seiner Plastik „Axis“an der Kunsthalle in Bielefeld.
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Foto: afp Richard Serra im Jahr 2010.

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