Neue Westfälische - Paderborner Kreiszeitung
Nervenprobe für Notenbanker
In der jüngsten Inflationsstatistik hatten die Energiepreise ihren Ehrenplatz. Nicht zuletzt dank ihres Rückgangs gegenüber dem März 2023 liegt die jährliche Teuerung in Deutschland nur noch bei 2,2 Prozent. In ein paar Wochen dürftedasallerdingsschonwieder anders aussehen: Im Mai wird zumindest Öl sehr wahrscheinlich deutlich teurer sein als ein Jahr zuvor, denn damalsgingesmitdenpreisenabwärts. Niemand sollte sich also wundern, wenn die Inflationsrate dann wieder um ein paar Zehntel höher ausfällt.
Das macht den Notenbanken das Leben nicht leichter. Zwar orientieren sie sich auch an der sogenannten Kerninflation, aus der stark schwankende Produkte wie Energie und Lebensmittel herausgerechnet werden. Aber formal sind sie der Gesamtinflation verpflichtet – und die könnte durch den hohen Ölpreis diesmal doch hartnäckiger sein als erhofft. Von den in Europa und den USA gleichermaßen angestrebten zwei Prozent könnte sie sich wieder etwas entfernen.
Die logische Reaktion wäre dann ein Hinauszögern von Zinssenkungen oder schlimmstenfalls sogar eine Erhöhung, um die wieder aufgeflammte Inflation zu bremsen. Ob es auch die richtige Reaktion wäre, steht auf einem ganz anderen Blatt.
Gerade haben wir gesehen, wie stark Energiepreise auch fallen können, und zudem bewirkt ein hoher Ölpreis letztlich das gleiche wie eine Zinserhöhung: Er bremst die Nachfrage. Angesichts einer ohnehin zähen Konjunktur müsste man das nicht geldpolitisch verstärken.
Doch jedes Zucken der Inflationsrate wird die Debatte um die Zinsen befeuern und die Kapitalmärkte beunruhigen. Bei Fed und EZB wird man weiter gute Nerven brauchen.
stefan.winter@ ihr-kommentar.de