Neue Westfälische - Paderborner Kreiszeitung
Was privates Kapital für die Infrastruktur bedeutet
Kann ein neuer Infrastrukturfonds helfen, dringende Investitionen in Schienen und Straßen zu finanzieren? Darüber diskutiert derzeit die Verkehrsministerkonferenz.
Berlin. Im kommenden Jahr werden die Steuereinnahmen des deutschen Staates wohl erstmals die Billionen-grenze überschreiten. Mehr als 1.000 Milliarden Euro sollen Bund, Länder und Gemeinden dann einnehmen – das entspricht etwa einem Viertel der Wirtschaftsleistung. Und trotzdem fehlt der öffentlichen Hand Geld für die Unterhaltung und den Neubau von Schienen, Straßen und Schulen. Auch für die staatliche Unterstützung des Wohnungsbaus, der Gebäudesanierung und der Solarindustrie wären dringend mehr Mittel nötig. So wird nun die Idee eines sogenannten Infrastrukturfonds diskutiert, auch bei der aktuellen Konferenz der Verkehrsminister.
Wozu soll ein Infrastrukturfonds dienen?
Der Zweck besteht darin, zusätzliche Mittel zum Beispiel für Investitionen in Schienen und Straßen aufzutreiben, die aus den öffentlichen Haushalten nicht so einfach zu beschaffen sind. Grundsätzlich gibt es diese Varianten. Erstens: Der Staat macht es selbst. Sokönntensichbundundländer einigen, bestimmte Beträge abzuzweigen und verlässlich in einen Sondertopf einzuzahlen, damit die Investitionen tatsächlich erfolgen.
Zweitens: Der Staat schafft eine Institution, in die nicht nur er, sondern auch private Kapitalgeber große Summen einzahlen. Das könnten Versicherungen oder Investmentfonds sein, die Geld gewinnbringend anlegen wollen.
Wer macht sich für diese private Lösung stark?
Ins Gespräch gebracht haben sie Bundesfinanzminister Christian Lindner und Verkehrsminister Volker Wissing (beide FDP). Nrw-verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne) unterstützt die Idee. So könnte ein Teil der Dutzenden Milliarden Euro aufgebracht werden, die der Ausbau des öffentlichen Bus- und Bahnverkehrs erfordere, sagt Krischer. Verena Hubertz, eine Vizefraktionschefin der SPD im Bundestag, hat ebenfalls Unterstützung signalisiert.
Vor neun Jahren präsentierte eine Kommission unter Leitung des Ökonomen Marcel Fratzscher (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung) ein ähnliches Konzept, aus dem aber nichts wurde. Heute plädiert Fratzscher für einen Fonds, in den auch
Privatleute Kapital einzahlen können, um gesicherte Renditen zu erhalten.
Warum ist so ein Fonds überhaupt nötig?
Eigentlich könnte sich der Staat dasnötigegeldauchandersbeschaffen. Angesichts der großen Summen sind dem aber
politische Grenzen gesetzt. Möglich wären etwa Umschichtungen in den öffentlichen Haushalten, wobei diese immer zulasten anderer Aufgaben gehen, also schwierig sind. Die einfachere Variante, mehr Schulden aufzunehmen, schließt die FDP aus. Das gilt ebenso für Steuererhöhungen.
Welche Vorteile Kapital?
Der entscheidende Punkt sind die zusätzlichen Mittel, die aus anderen Quellen kommen als den öffentlichen. Außerdem mag „ein Vorteil darin liegen, dass private Geldgeber schneller und effizienter bauen“als der Staat, sagt Jens Boysenhogrefe bringt privates
vom Institut für Weltwirtschaft (ifw). Eine Autobahn oder Schienenstrecke, errichtet unter dem Management einer privaten Firma, wäre dann vielleicht nach vier Jahren fertig, nicht erst nach acht.
Und die Nachteile? Darüber, ob Private besser und schneller arbeiten, herrscht Uneinigkeit. „In der Regel bauen private Investoren nicht effizienter als öffentliche“, sagt Sebastian Dullien vom gewerkschaftlichen Institut für Makroökonomie. Außerdem ist „durch private Investoren finanzierte öffentliche Infrastruktur teurer, als wenn der Staat selbst“tätig wird. Das sieht auch Boysen-hogrefe so: „Private Geldgeber beanspruchen eine Rendite.“Diese wird auf die Baukosten aufgeschlagen, sodass der Preis unter dem Strich höher ausfällt.
Gibt es Vorbilder für privatöffentliche Finanzierung? Ein Fonds, wie er momentan diskutiert wird, existiert hierzulande bisher nicht. Wohl aber gibt es sogenannte Öffentlich-private Partnerschaften (ÖPP), die auf einzelne Bauprojekte begrenzt sind, etwa einen Teil der Autobahn A9 zwischen Berlin und Nürnberg oder den A7-tunnel Schnelsen in Hamburg. Auch manche Verwaltungsgebäude oder Schulen entstehen ähnlich. In solchen Konstruktionen erhalten die Privatfirmen Maut-einnahmen von den Autofahrern, Trassengebühren von Zugbetreibern oder Zuschüsse vom Staat. Laut Medienberichten soll der Bundesrechnungshof aber mehrfach die zu hohen Kosten von Öpp-projekten kritisiert haben.