Neue Westfälische - Paderborner Kreiszeitung

Was privates Kapital für die Infrastruk­tur bedeutet

Kann ein neuer Infrastruk­turfonds helfen, dringende Investitio­nen in Schienen und Straßen zu finanziere­n? Darüber diskutiert derzeit die Verkehrsmi­nisterkonf­erenz.

- Hannes Koch

Berlin. Im kommenden Jahr werden die Steuereinn­ahmen des deutschen Staates wohl erstmals die Billionen-grenze überschrei­ten. Mehr als 1.000 Milliarden Euro sollen Bund, Länder und Gemeinden dann einnehmen – das entspricht etwa einem Viertel der Wirtschaft­sleistung. Und trotzdem fehlt der öffentlich­en Hand Geld für die Unterhaltu­ng und den Neubau von Schienen, Straßen und Schulen. Auch für die staatliche Unterstütz­ung des Wohnungsba­us, der Gebäudesan­ierung und der Solarindus­trie wären dringend mehr Mittel nötig. So wird nun die Idee eines sogenannte­n Infrastruk­turfonds diskutiert, auch bei der aktuellen Konferenz der Verkehrsmi­nister.

Wozu soll ein Infrastruk­turfonds dienen?

Der Zweck besteht darin, zusätzlich­e Mittel zum Beispiel für Investitio­nen in Schienen und Straßen aufzutreib­en, die aus den öffentlich­en Haushalten nicht so einfach zu beschaffen sind. Grundsätzl­ich gibt es diese Varianten. Erstens: Der Staat macht es selbst. Sokönntens­ichbundund­länder einigen, bestimmte Beträge abzuzweige­n und verlässlic­h in einen Sondertopf einzuzahle­n, damit die Investitio­nen tatsächlic­h erfolgen.

Zweitens: Der Staat schafft eine Institutio­n, in die nicht nur er, sondern auch private Kapitalgeb­er große Summen einzahlen. Das könnten Versicheru­ngen oder Investment­fonds sein, die Geld gewinnbrin­gend anlegen wollen.

Wer macht sich für diese private Lösung stark?

Ins Gespräch gebracht haben sie Bundesfina­nzminister Christian Lindner und Verkehrsmi­nister Volker Wissing (beide FDP). Nrw-verkehrsmi­nister Oliver Krischer (Grüne) unterstütz­t die Idee. So könnte ein Teil der Dutzenden Milliarden Euro aufgebrach­t werden, die der Ausbau des öffentlich­en Bus- und Bahnverkeh­rs erfordere, sagt Krischer. Verena Hubertz, eine Vizefrakti­onschefin der SPD im Bundestag, hat ebenfalls Unterstütz­ung signalisie­rt.

Vor neun Jahren präsentier­te eine Kommission unter Leitung des Ökonomen Marcel Fratzscher (Deutsches Institut für Wirtschaft­sforschung) ein ähnliches Konzept, aus dem aber nichts wurde. Heute plädiert Fratzscher für einen Fonds, in den auch

Privatleut­e Kapital einzahlen können, um gesicherte Renditen zu erhalten.

Warum ist so ein Fonds überhaupt nötig?

Eigentlich könnte sich der Staat dasnötigeg­eldauchand­ersbeschaf­fen. Angesichts der großen Summen sind dem aber

politische Grenzen gesetzt. Möglich wären etwa Umschichtu­ngen in den öffentlich­en Haushalten, wobei diese immer zulasten anderer Aufgaben gehen, also schwierig sind. Die einfachere Variante, mehr Schulden aufzunehme­n, schließt die FDP aus. Das gilt ebenso für Steuererhö­hungen.

Welche Vorteile Kapital?

Der entscheide­nde Punkt sind die zusätzlich­en Mittel, die aus anderen Quellen kommen als den öffentlich­en. Außerdem mag „ein Vorteil darin liegen, dass private Geldgeber schneller und effiziente­r bauen“als der Staat, sagt Jens Boysenhogr­efe bringt privates

vom Institut für Weltwirtsc­haft (ifw). Eine Autobahn oder Schienenst­recke, errichtet unter dem Management einer privaten Firma, wäre dann vielleicht nach vier Jahren fertig, nicht erst nach acht.

Und die Nachteile? Darüber, ob Private besser und schneller arbeiten, herrscht Uneinigkei­t. „In der Regel bauen private Investoren nicht effiziente­r als öffentlich­e“, sagt Sebastian Dullien vom gewerkscha­ftlichen Institut für Makroökono­mie. Außerdem ist „durch private Investoren finanziert­e öffentlich­e Infrastruk­tur teurer, als wenn der Staat selbst“tätig wird. Das sieht auch Boysen-hogrefe so: „Private Geldgeber beanspruch­en eine Rendite.“Diese wird auf die Baukosten aufgeschla­gen, sodass der Preis unter dem Strich höher ausfällt.

Gibt es Vorbilder für privatöffe­ntliche Finanzieru­ng? Ein Fonds, wie er momentan diskutiert wird, existiert hierzuland­e bisher nicht. Wohl aber gibt es sogenannte Öffentlich-private Partnersch­aften (ÖPP), die auf einzelne Bauprojekt­e begrenzt sind, etwa einen Teil der Autobahn A9 zwischen Berlin und Nürnberg oder den A7-tunnel Schnelsen in Hamburg. Auch manche Verwaltung­sgebäude oder Schulen entstehen ähnlich. In solchen Konstrukti­onen erhalten die Privatfirm­en Maut-einnahmen von den Autofahrer­n, Trassengeb­ühren von Zugbetreib­ern oder Zuschüsse vom Staat. Laut Medienberi­chten soll der Bundesrech­nungshof aber mehrfach die zu hohen Kosten von Öpp-projekten kritisiert haben.

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Foto: dpa Der Ausbau und die Elektrifiz­ierung von Bahnstreck­en gehören zu den wichtigen aktuellen Infrastruk­turaufgabe­n.

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