Neue Westfälische - Paderborner Kreiszeitung
Furcht vor gesellschaftlicher Spaltung
Die Bertelsmann-stiftung sieht die Demokratie in Deutschland und Europa massiv bedroht. Zunehmende Desinformation sei einer der Gründe für die Probleme.
Gütersloh. Der Zusammenhalt der Gesellschaft ist in den vergangenen Jahren unter Druck geraten. Wie aus einer aktuellen Studie der Bertelsmann-stiftung hervorgeht, die am Mittwoch im Rahmen der Jahres pressekonferenz vorgestellt wurde, hat die seit Beginnd er Corona-pandemie anhaltende „Krisenphase“deutliche Spuren in der Gesellschaft hinterlassen. Ralph Heck, Vorstandsvorsitzender der Bertelsmann- stiftung, appellierte, dass jetzt alle gefordert seien, Tendenzen zur Spaltungder gesellschaft entgegen zu wirken und die Wert eder Demokratie zu verteidigen.
Während der Gesamtindex, der auf einer Skala von 0 bis 100 den Zusammenhalt der Gesellschaft beschreibt, zu Beginn des Jahres 2020 noch bei einem Wert von 61 lag, ist er im vergangenen Jahr um neun Punkte gesunken. Zwar liege der Wert mit 52 noch in der oberen Hälfte, doch in den Augen der Stiftungs vorstände mahnen die Ergebnisse, die Entwicklungen im gesellschaftlichen Gefüge ernst zunehmen und gegenzusteuern.
Denn schon jetzt lasse sich mit dem Transformationsindex der Bertelsmann-stiftung beobachten, dass die Zahl der Demokratien weltweit kontinuierlich sinkt, sagte Heck. Schon 2022 gab es unter den 137 berücksichtigten Staaten erstmals eine Minderheit von 67 Demokratien gegenüber einer Mehrheit von 70 Autokratien. Im vergangenen Jahr verschärfte sich die Entwicklung mit nun 74 Autokratien und nur noch 63 Demokratien.
„Weltweit wegweisende Entscheidungen für Demokratien in 2024“
Doch in all ihren Arbeitsfeldern habe sich die Bertelsmann-stiftung die Stärkung der Demokratie zur Aufgabe gemacht, fasste Vorständin Brigitte Mohn das Engagement im vergangenen Jahr zusammen. „Falschinformationen sind eine Gefahr für unsereliberaledemokratie“,mahnte die Tochter des 2009 gestorbenen Stiftungsgründers Reinhard Mohn.
Die Warnung vor Desinformation gelte auch für den Gesundheitsbereich. „Besonders vulnerable Gruppen mit niedrigem Bildungs- und Sozialstatus sind anfällig für Falschinformationen“, sagte Mohn. Mit Projekten wie „Infoq“, das vertrauenswürdigen Informationen im Internet mehr Sichtbarkeit verschaffen soll, will die Stiftung dagegen vorgehen.
Die Bertelsmann-stiftung hält die Mehrheit am Gütersloher Bertelsmann-konzern, dem größten Unternehmen in OWL. Mit einem Gesamtaufwand von 76 Millionen Euro hat die Bertelsmann-stiftung, die inzwischen an weltweit fünf Standorten mehr als 330 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zählt, im vergangenen Jahr 240 Veranstaltungen organisiert und 35 Projekte initiiert, die in Summe für eine größere Reichweite der Stiftung gesorgt haben, fasste Heck das Jahr in Zahlen zusammen.
„Wir haben mit Veröffentlichungen wie unserem Kitaund Grundschul-monitoring, unserem Kommunalen Finanzreport und unserem Jobmonitor ein Medienecho ausgelöst und in zahlreichen Fällen hat die Politik unsere Studienergebnisse und Handlungsempfehlungen in gesetzlichen Regelungen und anderen Papieren aufgegriffen“, sagte Heck und betonte, dass dies sowohl auf kommunaler als auch auf europäischer Ebene gelte.
Das Jahr 2024 stehe für die Bertelsmann-stiftung im Zeichen des Super-wahljahres. „2024 werden wegweisende Entscheidungen für die Demokratien weltweit getroffen“, sagte Daniela Schwarzer, die im vergangenen Jahr in den Vorstand der Stiftung berufen worden war. „Umfragen zeigen, dass nationalistische und extremistische Kräfte bei den Europawahlen zulegen dürften“, so Schwarzer. Doch auch der Ausgang der Us-wahl werde die Bertelsmann-stiftung beschäftigen.
„Wir wollen mit unserer Arbeit in den Themenfeldern Europas Zukunft, Bildung und nachhaltige soziale Marktwirtschaft einen Beitrag zur Stärkung der Demokratie leisten“, gab Vorstandschef Heck einen Ausblick. Auch der mit 100.000 Euro dotierte Reinhardmohn-preis, der im nächsten Jahr in Gütersloh verliehen wird, stehe unter dem Motto: „Demokratie stärken, Desinformation begegnen“, ergänzte Schwarzer.