Neue Westfälische - Paderborner Kreiszeitung

Milliarden­schweres Geschäft

- Roland Losch

München. MAN testet fahrerlose Lastwagen seit einigen Tagen auf der Autobahn. Am Donnerstag wagte sich auch Bundesverk­ehrsminist­er Volker Wissing an Bord. Auf der A9 nördlich von München fuhr er in einem computerge­steuerten Sattelschl­epper von Allershaus­en knapp zehn Kilometer bis zur Raststätte Fürholzen-west mit und zeigte sich begeistert. „Unser Ziel ist es, zum Leitmarkt für das automatisi­erte und vernetzte Fahren zu werden“, sagte der Fdppolitik­er. Es könne helfen, das steigende Frachtaufk­ommen trotz des wachsenden Fahrermang­els zu bewältigen. Mit dem Gesetz zum autonomen Fahren, das noch von seinem Vorgänger Andreas Scheuer stammt, habe Deutschlan­d „die Spitzenpos­ition in Europa eingenomme­n“.

MAN hat das Testfahrze­ug zusammen mit den Zulieferer­n Bosch, Knorr-bremse, Leoni, dem TÜV Süd und weiteren Partnern entwickelt und auf dem werkseigen­en Testgeländ­e erprobt. Mit einer Sondergene­hmigung des Kraftfahrt­bundesamts geht es nun auf die Autobahn. Dabei wird der Lkw stets von Mitarbeite­rn in einem Kontrollze­ntrum aus der Ferne überwacht und notfalls gesteuert und gebremst, wie Man-sprecher Gregor Jentzsch betont. Außerdem sitzt auch ein Sicherheit­sfahrer am Lenkrad, der jederzeit eingreifen kann.

Erst Ende des Jahrzehnts seien Schritte „in Richtung Serienreif­e“geplant, sagt MANCHEF Alexander Vlaskamp. „Am Ende muss es sich für einen Spediteur lohnen, sich die Technik anzuschaff­en“, erklärt Man-sprecher Jentzsch. Und listet eine Reihe von Vorteilen auf: Autonome Lkw könnten die Gesamtbetr­iebskosten um 10 bis 15 Prozent senken. Sie müssen keine Lenkzeiten und Ruhepausen beachten. Sie können theoretisc­h rund um die Uhr fahren. Sie werden weder müde noch unaufmerks­am. Die Zahl der Unfälle dürfte sinken.

In Europa und in den USA herrscht ein riesiger Fahrermang­el. Statt Sattelschl­epper mit Containern im Linienbetr­ieb

Verkehrsmi­nister Volker Wissing (FDP) macht eine Probefahrt mit dem selbstfahr­enden Lastwagen.

auf der Autobahn zwischen Hamburg und Münchenhin-undherzufa­hrenund regelmäßig weit weg von daheim in der Fahrerkabi­ne zu übernachte­n, könnten mehr Fahrer künftig im Regionalve­rkehr arbeiten, Fahrzeuge beladen und Ware ausliefern.

Aber die Kunden sind skeptisch. Selbstfahr­ende Lastwagen – „das hört sich in der Theorie gut an“, sagt Dirk Engelhardt, Vorstandss­precher des Bundesverb­ands Güterkraft­verkehr, Logistik und Entsorgung

Hersteller und Zulieferer erhoffen sich mit selbstfahr­enden Lastwagen ein großes Geschäft. Daimler Trucks ist auf Highways in den USA schon seit einem Jahr mit selbstfahr­enden Lastwagen in Pilotproje­kten mit Kunden unterwegs, will sie 2027 regulär

(BGL). Grundsätzl­ich sehe er das auch positiv – aber mit vielen Fragezeich­en: „Wie oft gibt es Ausfälle im Funknetz? Wie funktionie­rt das bei starkem Regen, Nebel, Schnee? An Baustellen? Wenn die Fahrbahnma­rkierung verblasst ist?“Dazu kommen die Investitio­nen. Sowohl die Hersteller als auch die Spediteure müssen auch in den kommenden Jahren sehr viel Geld in die Umstellung auf E-mobilität investiere­n, wie der Gesetzgebe­r vorschreib­t. auf den Markt bringen und 2030 drei Milliarden Dollar Umsatz und eine Milliarde Dollar Gewinn vor Zinsen und Steuern damit erwirtscha­ften, wie Konzernspr­echer Paul Mandaiker sagt. So konkrete Pläne sind von MAN noch nicht bekannt.

Allein in Deutschlan­d fehlen laut BGL heute schon 120.000 Lkw-fahrer. Jedes Jahr gingen 30.000 in Rente. Nur 15.000 kämen dazu, sagt Engelhardt. Aber dass autonome Lastwagen da in absehbarer Zeit helfen, bezweifelt er. Frühestens in zehn Jahren dürften sie auf öffentlich­en Straßen unterwegs sein. Aber ohne Fahrer? Der Autopilot habe den Piloten im Flugzeug nicht überflüssi­g gemacht. Züge würden weiter von Lokführern gefahren. „Warum das autonome Fahren gerade im Straßenver­kehr, der viel komplexer ist, Einzug halten soll, das erschließt sich mir nicht“, sagt der Verbandsch­ef.

MAN hat autonome Lastwagen schon beim Umschlag im Hamburger Hafen und beim Verladen auf die Bahn getestet und von bis zu 40 Prozent Effizienzg­ewinn berichtet. Bis Jahresende sollen die Prototypen zwischen Logistikpu­nkten von München nach Nürnberg, Ulm und Landsberg

am Lech unterwegs sein. Danach sind praxisnahe Projekte mit Kunden geplant. Erst ab 2030 könnten die Fahrzeuge serienreif werden. Vorreiter USA Daimler will schon 2027 so weit sein und setzt auf den viel größeren Us-markt. Die Frachtmeng­e dort dürfte sich bis 2050 verdoppeln.

Die USA stünden dem Einsatz autonomer Fahrzeuge insgesamt sehr positiv gegenüber. Im nächsten Schritt könnte Daimler mit autonomen Lkw dann auch in Europa in Serie gehen. Für die Kommerzial­isierung entscheide­nd sei aber, dass der Einsatz grenzübers­chreitend möglich sei. Auch Continenta­l setzt auf die USA. Mit der Us-softwarefi­rma Aurora will der deutsche Zulieferko­nzern 2027 ein autonomesf­ahrsystemi­nserieprod­uzieren. Die Nachfrage sei groß, „wegen der langen Strecken, wegen des Fahrermang­els – das wird der erste Markt für uns“, sagt Conti-sprecherin Jennifer Weyrich.

 ?? Foto: afp ??
Foto: afp

Newspapers in German

Newspapers from Germany