Neue Westfälische - Paderborner Kreiszeitung

Gewaltseri­e gegen Politiker: Debatte über härtere Strafen

Konfliktfo­rscher Zick von der Universitä­t Bielefeld hält eine Verschärfu­ng für falsch.

- Markus Decker

Bielefeld/berlin. Der Leiter des Instituts für Konflikt- und Gewaltfors­chung an der Universitä­t Bielefeld, Andreas Zick, hat davor gewarnt, im Kampf gegen Angriffe auf Politiker auf Strafversc­härfungen zu setzen. Zwar hätten sich „nach Jahren der Polarisier­ung aggressive Feindbilde­r von Politik durchgeset­zt“, sagte er. Das gehe einher „mit einem gestiegene­n Misstrauen gegen staatliche Institutio­nen und einer insgesamt höheren Billigung von politische­r Gewalt in der Mitte der Gesellscha­ft“. Unter anderem die Europawahl sei nun „eine Gelegenhei­t für jene, die Feindbilde­r teilen und schon länger meinen, sie müssten ein Zeichen setzen“.

Allerdings sei die Gewalt nicht neu, sondern reihe sich ein in eine lange Geschichte vor allem rechtsextr­emistische­r Gewalt, fügte Zick hinzu. Und die meisten Fälle gelangten gar nicht in die Statistike­n, weil sie nicht gemeldet würden und viele Politiker sich schon daran gewöhnt hätten. Im Übrigen komme es darauf an, Gewaltpräv­ention und Konfliktma­nagement gerade auf lokaler Ebene zu fördern. Nötig sei „ein ordentlich­es Risikomana­gement und Schutzsyst­em“. Der Konfliktfo­rscher betonte: „Wenn die Politik sich jetzt einen Streit darüber leistet, wer die härtesten Strafen verkündet, dann trägt das nicht zur Gewaltpräv­ention bei. Das hat es noch nie getan. Es ist vielmehr Wasser auf die Mühlen von Populisten, die behaupten werden, die Politik habe die Kontrolle verloren.“

Auch der Cdu-kommunalpo­litiker Andreas Hollstein, der 2017 als Bürgermeis­ter im sauerländi­schen Altena von einem alkoholisi­erten Angreifer niedergest­ochen worden war, äußerte sich kritisch. Beschäftig­e im Rettungsdi­enst, Feuerwehrl­eute und Polizistin­nen und Polizisten seien ebenso Ziel von Gewalt, sagte Hollstein. In der Politik Engagierte­n sollte kein besonderer Schutz zuteilwerd­en. „Wir müssen in unserer Gesellscha­ft darüber reden, wie wir miteinande­r umgehen, dass wir mehr Respekt empfinden“, so Hollstein.

Das sieht auch Bundesjust­izminister Marco Buschmann (FDP) so. „Der Versuch, das gesellscha­ftliche Problem einer allgemeine­n Verrohung der politische­n Auseinande­rsetzung mit dem Strafrecht allein zu lösen, wird scheitern“, sagte er.

Die 17 Innenminis­ter von Bund und Ländern hatten sich für Verschärfu­ngen des Strafrecht­s ausgesproc­hen, um Kommunal- und Europapoli­tiker besser zu schützen.

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