Neue Westfälische - Paderborner Kreiszeitung
Gewaltserie gegen Politiker: Debatte über härtere Strafen
Konfliktforscher Zick von der Universität Bielefeld hält eine Verschärfung für falsch.
Bielefeld/berlin. Der Leiter des Instituts für Konflikt- und Gewaltforschung an der Universität Bielefeld, Andreas Zick, hat davor gewarnt, im Kampf gegen Angriffe auf Politiker auf Strafverschärfungen zu setzen. Zwar hätten sich „nach Jahren der Polarisierung aggressive Feindbilder von Politik durchgesetzt“, sagte er. Das gehe einher „mit einem gestiegenen Misstrauen gegen staatliche Institutionen und einer insgesamt höheren Billigung von politischer Gewalt in der Mitte der Gesellschaft“. Unter anderem die Europawahl sei nun „eine Gelegenheit für jene, die Feindbilder teilen und schon länger meinen, sie müssten ein Zeichen setzen“.
Allerdings sei die Gewalt nicht neu, sondern reihe sich ein in eine lange Geschichte vor allem rechtsextremistischer Gewalt, fügte Zick hinzu. Und die meisten Fälle gelangten gar nicht in die Statistiken, weil sie nicht gemeldet würden und viele Politiker sich schon daran gewöhnt hätten. Im Übrigen komme es darauf an, Gewaltprävention und Konfliktmanagement gerade auf lokaler Ebene zu fördern. Nötig sei „ein ordentliches Risikomanagement und Schutzsystem“. Der Konfliktforscher betonte: „Wenn die Politik sich jetzt einen Streit darüber leistet, wer die härtesten Strafen verkündet, dann trägt das nicht zur Gewaltprävention bei. Das hat es noch nie getan. Es ist vielmehr Wasser auf die Mühlen von Populisten, die behaupten werden, die Politik habe die Kontrolle verloren.“
Auch der Cdu-kommunalpolitiker Andreas Hollstein, der 2017 als Bürgermeister im sauerländischen Altena von einem alkoholisierten Angreifer niedergestochen worden war, äußerte sich kritisch. Beschäftige im Rettungsdienst, Feuerwehrleute und Polizistinnen und Polizisten seien ebenso Ziel von Gewalt, sagte Hollstein. In der Politik Engagierten sollte kein besonderer Schutz zuteilwerden. „Wir müssen in unserer Gesellschaft darüber reden, wie wir miteinander umgehen, dass wir mehr Respekt empfinden“, so Hollstein.
Das sieht auch Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) so. „Der Versuch, das gesellschaftliche Problem einer allgemeinen Verrohung der politischen Auseinandersetzung mit dem Strafrecht allein zu lösen, wird scheitern“, sagte er.
Die 17 Innenminister von Bund und Ländern hatten sich für Verschärfungen des Strafrechts ausgesprochen, um Kommunal- und Europapolitiker besser zu schützen.