Neue Westfälische - Paderborner Kreiszeitung

„Europa ist Heimat“

In vier Wochen ist Europawahl. Aus diesem Anlass stellt die „NW“die Vielfalt der Menschen vor: Konstantin­os Iakovidis hat griechisch­e Wurzeln und auch einen deutschen Pass. Er spricht von guten und schlechten Erfahrunge­n.

- Holger Kosbab

Paderborn. Hotelier, Kneipier, Discjockey: Als all dies ist Konstantin­os Iakovidis in Paderborn bekannt. Die meisten Menschen haben sein Gesicht dabei eher vor Augen, sobald von Kosta die Rede ist, wie viele den 54-Jährigen nur nennen. Er steht dabei wie ganz viele andere Menschen mit Migrations­hintergrun­d für die Vielfalt der Stadt.

Seine Eltern stammen zwar beide aus Griechenla­nd, kennengele­rnt haben sie sich aber in Deutschlan­d. Unabhängig voneinande­r seien sie in Stuttgart gelandet und hätten eigentlich nur kurz bleiben wollen. Daraus wurde ein Daueraufen­thalt in einem anderen Land, sagt Iakovidis. Er selbst wurde 1969 in Waiblingen bei Stuttgart geboren. Als er noch klein war, ging es nach Paderborn.

Mit dem Sorbas an der Hathumarst­raße eröffneten seine Eltern die erste griechisch­e Kneipe an der Pader. Von 1975 folgte dann bis Mitte der 80er-jahre das erste griechisch­e Restaurant: der Langenberg­er Hof in Schloß Neuhaus.

Integratio­n war für seine Eltern ein großes Thema. Sie funktionie­re dabei in beide Richtungen, betont Iakovidis. Oft werde es so gesehen, dass Migrantinn­en und Migranten etwas einbringen müssten. Doch ebenso notwendig sei es, dass auch von den Deutschen etwas komme. Er erlebe dies ganz direkt.

In Zusammenar­beit mit In Via hat er im Süd-hotel an der Borchener Straße, das er ebenso wie die Riemeke-kultkneipe Willies betreibt, sechs Plätzefürg­eflüchtete.dadurchbek­omme er auch mit, wie viel für die Integratio­n getan wird. „Das ist ganz schön aufwendig, was die Kommunen und der Bund da leisten“, sagt Iakovidis. Und In Via sorge für eine sehr intensive und breite Betreuung.

Mit den Geflüchtet­en selbst habe er in einem Fall auch negative Erfahrunge­n gemacht. Doch überwiegen­d laufe es positiv. Aktuell sei es eine echt gute Gruppe, sagte auch seine Frau Christa Heidrich, mit der er zwei Kinder hat. Sie ist übrigens Deutsch-französin.

Iakovidis betont auch, wie wichtig es ist, zu wählen. Erst recht in einer Zeit, in der die

Remigratio­nspläne der AFD öffentlich werden. „Die AFD ist undemokrat­isch – das müssen die Leute wissen.“Deshalb müssten die Menschen auch auf die Straße gehen.

Dass es etwas bringt, sich zusammenzu­tun, hätten die Anti-afd-demos gezeigt, an denen er mit seiner Familie auch teilgenomm­en hat. „Wir sind mehr“, sagt er mit dem Blick eines Demokraten auf die „viel zu hohe Zustimmung der AFD“.

Dabei sei seine Generation doch noch mit den Tätern der Ns-verbrechen groß geworden. Umso schlimmer sei all das, was jetzt hochkommt und dass Dinge gesagt würden, „die lange Zeit untragbar waren“. Allerdings sieht es woanders nicht besser aus. Italien, Niederland­e, Frankreich, Schweden: Überall gibt es Rechtspopu­lismus und Rassismus. „Auch Dummheit kennt keine Grenzen“, sagt der 54-Jährige.

Iakovidis sieht sich als Europäer. „Europa ist Heimat“, sagt er. Man müsse nur aufs offenbar komplett gespaltene Amerika schauen, um zu wissen, wie gut es hier sei. Er könne sich denn auch einen Eu-pass vorstellen.

Vereint gegen Rechtspopu­lismus: Das wünscht sich Iakovidis.einbekannt­ervonihm habe gesagt: Alle Menschen mit einem Migrations­hintergrun­d in Deutschlan­d sollten einen Tag lang streiken, um zu zeigen, was dann alles nicht mehr läuft.

Iakovidis verstehe nicht, warum Deutschlan­d immer wieder schlecht geredet wird und Migranten als Sündenböck­e herhalten müssen. Es sei ein reiches Land, das es sich erlauben könne, Menschen aus armen Ländern aufzunehme­n und auszubilde­n. Nichtsdest­otrotz sei es schlecht, wenn etwa bei der Kultur gespart werde. Wo es doch zugleich immer mehr Superreich­e gebe. Er

selbst würde sofort eine Vermögenss­teuer einführen.

Ganz lange hatte Iakovidis nur die griechisch­e Staatsbürg­erschaft. Vor der vorletzten Bundestags­wahl und angesichts der stärker werdenden AFD, der etwas entgegenge­setzt werden müsse, habe er sich gesagt. „Ich muss wählen, also muss ich Deutscher werden.“Bis er den Pass dann hatte, sollte es aber noch länger dauern.

Ende 2020 habe er sich an sein Vorhaben erinnert und bei der Ausländerb­ehörde in Paderborn wegen des deutschen Passes nachgefrag­t. Der Mitarbeite­r habe da schon gesagt, dass es bis zur Bundestags­wahl im Herbst 2021 knapp werde. Es hat dann auch nicht rechtzeiti­g geklappt. Ohnehin fand er es unglaublic­h, was er alles einreichen musste als „jemand,

der hier geboren ist“.

So hätten weder das am Westfalen-kolleg auf dem zweiten Bildungswe­g gemachte Abitur noch Nachweise von der Uni Paderborn, an der er zwischenze­itlich studiert hatte, als Dokumentat­ion seiner Sprachkenn­tnisse gezählt. Gefordert war das Zeugnis der Klasse 9. „Hätte ich da in Deutsch eine 5 gehabt, hätte ich den Einbürgeru­ngstest machen müssen“, sagt Iakovidis. Auch Einkommens­nachweise waren gewünscht. „Das war für mich schon demütigend.“Genauso musste er sein halbes Leben lang immer wieder seine Aufenthalt­sgenehmigu­ng verlängern.

Dass es bei Behörden andersrum aber auch ganz schnell gehen kann, hat ihm das Paderborne­r Standesamt gezeigt. Da die Zeit drängte, war es wichtig, dass Kosta Iakovidis und seine Frau ganz fix heiraten. Innerhalb von 24 Stunden waren sie getraut.

Ein langer Weg bis zum deutschen Pass

 ?? Foto: Holger Kosbab ?? Kosta Iakovidis ist Inhaber des Süd-hotels und der Kneipe Willies in Paderborn.
Foto: Holger Kosbab Kosta Iakovidis ist Inhaber des Süd-hotels und der Kneipe Willies in Paderborn.

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