Neue Westfälische - Paderborner Kreiszeitung

„Hövelhof profitiert vom Emsradweg“

Die Radroute entlang des Flusses ist vor 20 Jahren eröffnet worden. Werner Thor und Thomas Westhof waren Gründervät­er des Projekts. Der damalige Bürgermeis­ter und der heutige Tourismusc­hef erinnern sich an bewegte Zeiten.

- Das Gespräch führte Jens Reddeker

Herr Thor, Herr Westhof, sie blicken auf das 20-jährige Bestehen des Emsradwegs zurück. Er wird längst als Erfolgsmod­ell für den Tourismus im Paderborne­r Land gefeiert. Wie war der Start? Werner Thor: Da war es viel zurückhalt­ender. Hier im Ort, in der Politik und auch drumherum. Nur wenige haben daran geglaubt, dass wir hier vom Tourismus profitiere­n konnten. Ich hatte aber aus den Erfahrunge­n meiner Dülmener Heimat das Gefühl, dass wir hier etwas aufbauen können. Thomas Westhof: Ohne Werner Thor gäbe es den Emsradweg nicht. Er hat an diese Sache geglaubt und sie – auch gegen Widerständ­e – auf die Spur gesetzt. Erste Ideen kamen schon 1993 auf. In den elf Jahren bis dahin hat er dann vorortundi­ndenandere­nanrainerr­egionen viele Menschen überzeugt. In den bereits etablierte­n Tourismusr­egionen im Norden wollte man eigentlich weiter die eigenen Radtouren vermarkten.

Und wie haben sie die anderen Regionen dann ins Boot geholt?

Thor: Es war die Zeit, in denen die anderen Flussradwe­ge populär wurden. Wir haben immer wieder auf das Potenzial an Touristen hingewiese­n und allen gesagt, dass der Emsradwege­inzubringe­rindieregi­onen ist – so wie auch bei uns im Paderborne­r Land. Die Idee war eine einheitlic­he Beschilder­ung von der Quelle bis zur Mündung. Wir mussten aber wirklich dicke Bretter bohren. Besonders Thomas Westhof ist dafür viel unterwegs gewesen. Ohne seinen Einsatz wäre der Emsradweg nicht da, wo er heute ist.

Wie war denn zu Beginn die Unterstütz­ung hier im Kreis Paderborn?

Thor: Der damalige Landrat Rudolf Wansleben war immer auf unserer Seite, genauso die Touristikz­entrale mit Herbert Hoffmann als Geschäftsf­ührer. In Paderborn hat Verkehrsve­reinschef Karl Heinz Schäfer auch früh das Potenzial erkannt. Paderborn und der Kreis Paderborn gehören bis heute zu den Unterstütz­ern des Emsradwegs. Die Pauschalbu­chungen zeigen: Es ist die wichtigste Radroute fürs Paderborne­r Land.

Und was antworten sie heute, wenn jemand fragt, was der Radweg der Gemeinde Hövelhof bringt? Westhof: Der ADFC sagt, dass jederradto­uristimsch­nitttäglic­h 123 Euro ausgibt. Alle, die den Radweg vom Startpunkt an den Emsquellen in der Moosheide beginnen, werden durch Hövelhof geführt. Manche übernachte­n auch vorher noch hier. Sie geben also Geld aus und stärken Gastronomi­e und andere Betriebe. Hövelhof hat Übernachtu­ngsbetrieb­e hinzubekom­men, die Gastronome­n sind zufrieden, wenn wir sie fragen. Und im Übrigen: Alle Hövelhofer profitiere­n davon, wenn sich die örtliche Infrastruk­tur verbessert.

Dabei lag der Ortskern zum Start des Radwegs vor 20 Jahren gar nicht auf der Strecke. . .

Thor: Ja, das stimmt. Aber wir haben gemerkt, dass es ein Fehler ist, wenn man das Projekt vor Ort zum Erfolg bringen will. Seitdem die Route durch den Ort führt, ist es nicht nur für die Hövelhofer Betriebe besser.auchdiemen­schenhier

sehen, dass es die Touristen wirklich gibt. Das hatten ja am Anfang viele bezweifelt. Zu Beginn wurde oft nur auf die Kosten geguckt. Aber man kann nicht jeden Nutzen in Geld bemessen. So ist das beim Tourismus auch. Heute können wir in Hövelhof stolz auf die Entwicklun­g sein. Und viele Bürger sind das auch. Das weiß ich aus zahlreiche­n Gesprächen.

Welche Rolle spielte die Belebung der Sennebahn durch die Nordwestba­hn ab Ende 2003 für den Emsradweg? Westhof: Das ging natürlich Hand in Hand. Der Zug hat die bequeme und umweltfreu­ndliche Anreise für Radfahrer möglich gemacht. Heute ist es undenkbar, dass die Strecke vorher kurz vor dem Aus stand.

Thor: Aber auch für diese Initiative und für den Kauf des Bahnhofs, der damals noch in Betrieb war, sind wir lange belächelt worden. Heute sind Sennebahn und Emsradweg aus Hövelhof nicht mehr wegzudenke­n.

Der Emsradweg ist aus Hövelhofer Initiative entstanden. Ist das auch der Grund, weshalb sich bis heute die Geschäftss­telle des Radwegs in Hövelhof befindet? Westhof: Ja, wir wissen, dass die Kollegen in den anderen Regionen anerkennen, was wir als Motor und Ideengeber erreicht haben. Während es am Anfang auch noch viel Skepsis gab, ist die Interessen­gemeinscha­ft Emsradweg heute wirklich zu einer Familie geworden. Wir arbeiten eng zusammen.

Aber es geht ja nicht nur mit Luft und Liebe. Was kostet der Emsradweg denn Hövelhof und die anderen Anrainer? Westhof: Es gibt einen festen Verteilsch­lüssel. Danach zahlt Hövelhof derzeit jährlich 2.700 Euro und die anderen tragen gemeinsam 92.000 Euro. Die Anteile der Anrainerko­mmunen oder Tourismusr­egionen orientiere­n sich an Kilometern entlang der Strecke.

Gab es solche Berechnung­en und festgeschr­iebenen Vereinbaru­ngen auch vor 20 Jahren schon?

Thor: Nein, damals ließ sich Vieles auf dem kurzen Dienstweg regeln. Und zum Start ging es auch noch nicht darum, jährliche Summen einzuforde­rn. Damit hätten wir die Kritiker ja nur verschreck­t. Westhof: Wenn wir den Emsradweg

in der heutigen Zeit auf die Beine stellen wollten, würde es nicht klappen. 31 Kommunen, sechs Kreise, fünf Tourismusr­egionen und zwei Bundesländ­er in dieser Form zusammenzu­bringen wäre mit allen bürokratis­chen und rechtliche­n Vorschrift­en wohl nahezu unmöglich.

Die bloße Gründung einer Interessen­gemeinscha­ft lockt aber ja noch keine Touristen an. Was waren die wichtigste­n Aufgaben am Anfang? Westhof: Wir brauchten zur Vermarktun­g eine durchgehen­de Fahrradkar­te, hatten dafür aber kein Geld. Unser Glücksfall war der Verlag Esterbauer aus Österreich. Dort wurde die Karte erstellt, kostenlos für uns. Und jeder Radfahrer konnte sie kaufen. Danach kam das erste Logo für

eine durchgehen­d einheitlic­he Beschilder­ung. Marketing bestand damals vor allem aus Flyern, Pressearbe­it und Messeauftr­itten. Heute ist das alles digital. Profitiert haben wir von 2009 bis 2012 durch ein europäisch­es Förderproj­ekt, das dem Emsradweg mehr als 2,5 Millionen Euro beschert hat. Daraus ist unter anderem das Ems-infozentru­m in Hövelhof entstanden.

Ab wann haben sie gespürt, dass der Emsradweg ein Erfolg werden kann? Westhof: Das ging schon 2005 los, als wir die erste Promotion-tour gestartet haben. Von Hövelhof aus sind wir mit Entscheide­rn durch alle Regionen bis Emden geradelt. Die Zeitungen haben täglich berichtet, wir sind groß empfangen worden und haben gemerkt, dass das Thema ankommt. Danach hatten wir es einfacher, für finanziell­e Beteiligun­g zu werben.

Einst endete der Radweg in Emden, heute gibt es noch die Zusatz-verbindung zur Nordseeins­el Borkum. Wie wertvoll ist das?

Thor: Die Partnersch­aft ist ein Ritterschl­ag. Borkum ist ein Pfund, mit dem der Emsradweg seit 2012 wuchern kann. Westhof: Dafür hat sich auch Werner Thors Nachfolger Michael Berens eingesetzt. Borkum hat trotz seiner 2,3 Millionen Gästeübern­achtungen erkannt, dass auch der Emsradweg ein wertvoller Zubringer ist. Daher ist die Insel fester Teil unserer Gemeinscha­ft.

Was haben sie sich noch vorgenomme­n für den Emsradweg?

Westhof: Wir haben in vielen kleinen Schritten viel erreicht. Der Emsradweg steht nicht mehr in der Kritik. Auch die neue Beschilder­ung ist seit diesem Jahr da. Aber wir könnten die Qualität der Infrastruk­tur noch steigern und digitaler werden, wenn wir erneut Geld über ein Förderprog­ramm einwerben. Das könnte die gute Stellung des Emsradwegs festigen. Wichtig ist es, in den Regionen weiter zusammenzu­halten.

 ?? Foto: J. Reddeker ?? An prägnanten Orten der Strecke wird das Jubiläumsl­ogo des Emsradwegs aufgesprüh­t. Die Premiere übernimmt Hövelhofs Marketingc­hef Thomas Westhof am Eingang zum Schlossgar­ten. Bürgermeis­ter a. D. Werner Thor ist derweil bereits fürs Aufsatteln.
Foto: J. Reddeker An prägnanten Orten der Strecke wird das Jubiläumsl­ogo des Emsradwegs aufgesprüh­t. Die Premiere übernimmt Hövelhofs Marketingc­hef Thomas Westhof am Eingang zum Schlossgar­ten. Bürgermeis­ter a. D. Werner Thor ist derweil bereits fürs Aufsatteln.
 ?? Archivfoto: Gemeinde Hövelhof ?? Eröffnung 2004: Bürgermeis­ter Werner Thor (3. v. l.) und Tourismus-mann Thomas Westhof (r.) im Kreise der Vertreter weiterer Emsradweg-anrainer wie Schloß Holte-stukenbroc­ks Bürgermeis­ter Hubert Erichlandw­ehr (3. v. r.). Unterstütz­ung gab es auch von Herbert Hoffmann (2. v. r.) von der Touristikz­entrale Paderborne­r Land.
Archivfoto: Gemeinde Hövelhof Eröffnung 2004: Bürgermeis­ter Werner Thor (3. v. l.) und Tourismus-mann Thomas Westhof (r.) im Kreise der Vertreter weiterer Emsradweg-anrainer wie Schloß Holte-stukenbroc­ks Bürgermeis­ter Hubert Erichlandw­ehr (3. v. r.). Unterstütz­ung gab es auch von Herbert Hoffmann (2. v. r.) von der Touristikz­entrale Paderborne­r Land.

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