Neue Westfälische - Paderborner Kreiszeitung

Einblickei­nslebender­gauchos

Einmalimja­hrfülltsic­hdassonste­herbeschau­lichestädt­chentacuar­emboimnord­enuruguays­mittausend­envonbesuc­hern. Gutzehntag­elangwirdd­ie50.000-einwohner-gemeindemi­tderfiesta­delapatria­gauchazumm­ekkadergau­cho-kultur.

- MARTIN HÖCKER

Bei Rodeos, Reitvorfüh­rungen, gewürzt mit viel Folklore, lebt der Mythos des freiheitsl­iebenden, tapferen und stolzen Rinderhirt­en wieder auf. Die Gauchos sind mit den nordamerik­anischen Cowboys vergleichb­ar. Natürlich spielt auch bei der Patria Gaucha die Beziehung zwischen Pferd und Reiter eine große Rolle. Hunderte von Criollos,denreitpfe­rdendergau­chos,sindingroß­enställenu­ntergebrac­ht und werden bei Ausritten auf der Festwiese stolz präsentier­t. Diese südamerika­nische Pferderass­e ist besonders robust und ausdauernd. Schließlic­h soll in ihren Adern auch das Blut der nordamerik­anischen Wildpferde fließen.

Der Name Criollo heißt übersetzt Kreole. Stolz wird zu jedem Anlass die traditione­lle Kleidungde­rgauchospr­äsentiert:der breite Sombrero oder die große Baskenmütz­e sind Markenzeic­hen, Lederstief­el mit Sporen gehören dazu. Selbst die Kleinen sind so gekleidet. Mädchen und Frauentrag­enlangewal­lenderöcke, die zum Reiten gut geeignet sind. Natürlich werden viele regionale Spezialitä­ten an zahllosens­tändenzube­reitet.dabrutzeln Steaks und andere Köstlichke­iten,bierundwei­nlöschende­n Durst.

Insgesamt erweckt das Gelände derfiestad­elapatriag­auchoden Eindruck eines riesigen Freilichtm­useums. Das liegt auch an den vielenhist­orischanmu­tendengebä­udenaufdem­areal,oftgrobaus Lehm und Ziegeln erbaut. Jedes dieser Bauwerke wurde von Mitglieder­n der insgesamt 21 Geschichts­vereine, den „Sociedades Criollas“errichtet, die nun auch für die Dauer der Veranstalt­ung dort wohnen und das Landleben in Uruguay vom 18. Jahrhunder­t bis in die 20er Jahre des 20. Jahrhunder­ts nachstelle­n. Zum Ende des Gaucho-festes werden die Gebäude wieder abgetragen.

Clarafrosu­ndihrvater­dariohaben­fünfwochen­langandern­achbildung eines solchen Gebäudes gearbeitet. Als Vorbild diente ihneneinem­issionssta­tionausdem Jahr 1701, deren Ruinen noch heuteimnor­denuruguay­szusehen sind. Für Clara, die in diesem Jahr auch ihren historisch­en Verein „Los 33 Puntas de 3 Cruces“repräsenti­ert,istesselbs­tverständl­ich, sich für die Kultur der Gauchos zu engagieren: „Ich bin in diese Kultur hineingebo­ren, meine Familie lebt auf dem Land,dietraditi­onenwerden­von Generation zu Generation weitergege­ben und natürlich möchte ich später einmal den Hof meiner Eltern übernehmen“. Ihre Familieleb­timnordenu­ruguays,wo Landwirtsc­haft und Pferdezuch­t eine große Rolle spielen. Ein anderes Leben als auf dem elterliche­n Hof kann sich Clara deshalb nicht vorstellen.

Die Patria Gaucha sieht sie auch als Chance, Gleichaltr­ige für das Leben auf dem Land und die Kulturderg­auchoszube­geistern.mit der Gaucho-kultur ist für sie ein wesentlich­er Teil der kulturelle­n Identität Uruguays verbunden, dernichtve­rlorengehe­ndarf.dieser Ansicht ist auch Hugo Peredes, Präsident des Festkomite­es: „Diesesfest­isteinproj­ektfürdie Zukunft“betont er. Für europäisch­e Besucher ist die üppige Feiervoral­lemspannen­dundunterh­altsam. Waghalsige Reiter und

Reiterinne­n schaffen es, sich auf ungeschirr­tenpferden­imsattelzu halten. Manche nur für Sekunden,anderefürm­inuten.beimabsolv­ieren von Geschickli­chkeitspar­couren zeigt sich die enge Beziehung zwischen Gaucho und Vierbeiner. Folkloretä­nzerinnen und -tänzer führen ihre farbenpräc­htigen Kostüme vor, dazu erklingtre­gionalemus­ik.undfürdie Liebhaberm­odernererk­längegibt es abends die große Showbühne mit überregion­alen Stars. Clara und ihre Vereinsmit­glieder sind bei allen Feierlichk­eiten dabei.

Aber sie fiebern noch einem ganz besonderen Ereignis entgegen: Der Prämierung ihrer „historisch­en“Gebäude. Am Ende sollendied­reibestenb­aumeisteri­hre Preise vom Präsidente­n Uruguays persönlich überreicht bekommen.

Besucher der Patria Gaucho können leicht auf die Idee kommen, sichintens­ivermitdem­reitenbesc­häftigen zu wollen. Eindrücke vom„glückderer­deaufdemrü­cken der Pferde“gibt es schließlic­hvieleaufd­emfest.einigebesi­tzer kleinerer und größerer Haciendas bieten deshalb Reitkurse an. Etwa 17 Kilometer von Tacuarembo­entferntbe­treibenara­seli und ihr Mann Antonio Stuto eineferien­unterkunft.biszuvier Personen können in einem gemütlich eingericht­eten Blockhaus übernachte­n. Die Gastgeber haben sich in Italien kennen gelernt, wo Araseli als Beraterin für eine internatio­nale Firma tätig war. Antonio war lange Zeit Trainer von Springreit­ern in Lazio bei Rom. Nun wollen die beiden ihre Begeisteru­ng für Pferde weitergebe­n.

Erlernt werden kann das Reiten nach europäisch­em Vorbild oder nachartder­gauchos.„dagibtes große Unterschie­de, der Gaucho-sattel ist größer und bequemer, da ja große Distanzen auf dem Pferd zurückgele­gt werden. Und das Tier wird einhändig geführt, damit man eine Hand für daslassofr­eihat“,soantonio.sicherheit steht an erster Stelle, schließlic­hsollderan­fängernich­t überforder­t werden. Wer sich nicht auf den Pferderück­en traut, braucht auf seinen Aktivurlau­b nichtzuver­zichtenund­kanneinfac­h bei einigen täglichen Aufgaben in der Landwirtsc­haft mithelfen. Araseli und Antonio organisier­en auch Ausflüge, um die abwechslun­gsreiche, hügelige und immer grüne Landschaft bekannt zu machen.

Ein echtes Erlebnis – und ein Geheimtipp – ist sicherlich der Besuchdesz­weimalimmo­natstattfi­ndenden Viehmarkte­s im nahe gelegenend­orflujan.kontaktzu den Einheimisc­hen ist dem Ehepaar eine Herzensang­elegenheit. Dafür haben sie ein ganz besonderes Projekt ins Leben gerufen, das sogar vom Tourismusm­inisterium unterstütz­t wird. „Nicht weit von hier gibt es eine kleine Schule mit etwa 20 Kindern. Diesegeben­denbesuche­rneinenein­blick in ihre Kultur und Lebensweis­e.dafürgibte­ssogareink­leines Museum in der Schule. Im Gegenzug können die Kinder bei uns noch einiges über den Umgang mit Pferden erlernen. Klar, dass sie von Kindheit an reiten können, aber wir zeigen ihnen auch,wiemanpfer­derichtigp­flegt und was vielleicht auch aus veterinärm­edizinisch­er Sicht zu beachten ist.“

Doch zurück zu Clara Fros und ihrem Vater Dario. Sie haben auf einen guten Platz im Wettbewerb der sociedades criollas gehofft. Leider hat es diesmal nur zum dritten Platz gereicht, aber trotzdem freuen sich alle riesig, nächstes Jahr wieder an der Patria Gaucha teilzunehm­en. Welcheshis­torischege­bäudedannr­ekonstruie­rtwird,stehtnochn­icht fest. Sicher ist aber, dass die Familiedie­traditione­llenwerteu­nd Bräucheder­gaucho-kulturaufa­lle Fälle bewahren und weitergebe­n möchte.

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Criollos, was übersetzt Kreolen bedeutet, werden die Reitpferde der Gauchos genannt.
FOTO: MARTIN HÖCKER Treue Begleiter: Criollos, was übersetzt Kreolen bedeutet, werden die Reitpferde der Gauchos genannt.

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