Neue Westfälische - Paderborner Kreiszeitung
Einblickeinslebendergauchos
Einmalimjahrfülltsichdassonsteherbeschaulichestädtchentacuaremboimnordenuruguaysmittausendenvonbesuchern. Gutzehntagelangwirddie50.000-einwohner-gemeindemitderfiestadelapatriagauchazummekkadergaucho-kultur.
Bei Rodeos, Reitvorführungen, gewürzt mit viel Folklore, lebt der Mythos des freiheitsliebenden, tapferen und stolzen Rinderhirten wieder auf. Die Gauchos sind mit den nordamerikanischen Cowboys vergleichbar. Natürlich spielt auch bei der Patria Gaucha die Beziehung zwischen Pferd und Reiter eine große Rolle. Hunderte von Criollos,denreitpferdendergauchos,sindingroßenställenuntergebracht und werden bei Ausritten auf der Festwiese stolz präsentiert. Diese südamerikanische Pferderasse ist besonders robust und ausdauernd. Schließlich soll in ihren Adern auch das Blut der nordamerikanischen Wildpferde fließen.
Der Name Criollo heißt übersetzt Kreole. Stolz wird zu jedem Anlass die traditionelle Kleidungdergauchospräsentiert:der breite Sombrero oder die große Baskenmütze sind Markenzeichen, Lederstiefel mit Sporen gehören dazu. Selbst die Kleinen sind so gekleidet. Mädchen und Frauentragenlangewallenderöcke, die zum Reiten gut geeignet sind. Natürlich werden viele regionale Spezialitäten an zahllosenständenzubereitet.dabrutzeln Steaks und andere Köstlichkeiten,bierundweinlöschenden Durst.
Insgesamt erweckt das Gelände derfiestadelapatriagauchoden Eindruck eines riesigen Freilichtmuseums. Das liegt auch an den vielenhistorischanmutendengebäudenaufdemareal,oftgrobaus Lehm und Ziegeln erbaut. Jedes dieser Bauwerke wurde von Mitgliedern der insgesamt 21 Geschichtsvereine, den „Sociedades Criollas“errichtet, die nun auch für die Dauer der Veranstaltung dort wohnen und das Landleben in Uruguay vom 18. Jahrhundert bis in die 20er Jahre des 20. Jahrhunderts nachstellen. Zum Ende des Gaucho-festes werden die Gebäude wieder abgetragen.
Clarafrosundihrvaterdariohabenfünfwochenlangandernachbildung eines solchen Gebäudes gearbeitet. Als Vorbild diente ihneneinemissionsstationausdem Jahr 1701, deren Ruinen noch heuteimnordenuruguayszusehen sind. Für Clara, die in diesem Jahr auch ihren historischen Verein „Los 33 Puntas de 3 Cruces“repräsentiert,istesselbstverständlich, sich für die Kultur der Gauchos zu engagieren: „Ich bin in diese Kultur hineingeboren, meine Familie lebt auf dem Land,dietraditionenwerdenvon Generation zu Generation weitergegeben und natürlich möchte ich später einmal den Hof meiner Eltern übernehmen“. Ihre Familielebtimnordenuruguays,wo Landwirtschaft und Pferdezucht eine große Rolle spielen. Ein anderes Leben als auf dem elterlichen Hof kann sich Clara deshalb nicht vorstellen.
Die Patria Gaucha sieht sie auch als Chance, Gleichaltrige für das Leben auf dem Land und die Kulturdergauchoszubegeistern.mit der Gaucho-kultur ist für sie ein wesentlicher Teil der kulturellen Identität Uruguays verbunden, dernichtverlorengehendarf.dieser Ansicht ist auch Hugo Peredes, Präsident des Festkomitees: „Diesesfestisteinprojektfürdie Zukunft“betont er. Für europäische Besucher ist die üppige Feiervorallemspannendundunterhaltsam. Waghalsige Reiter und
Reiterinnen schaffen es, sich auf ungeschirrtenpferdenimsattelzu halten. Manche nur für Sekunden,anderefürminuten.beimabsolvieren von Geschicklichkeitsparcouren zeigt sich die enge Beziehung zwischen Gaucho und Vierbeiner. Folkloretänzerinnen und -tänzer führen ihre farbenprächtigen Kostüme vor, dazu erklingtregionalemusik.undfürdie Liebhabermodernererklängegibt es abends die große Showbühne mit überregionalen Stars. Clara und ihre Vereinsmitglieder sind bei allen Feierlichkeiten dabei.
Aber sie fiebern noch einem ganz besonderen Ereignis entgegen: Der Prämierung ihrer „historischen“Gebäude. Am Ende sollendiedreibestenbaumeisterihre Preise vom Präsidenten Uruguays persönlich überreicht bekommen.
Besucher der Patria Gaucho können leicht auf die Idee kommen, sichintensivermitdemreitenbeschäftigen zu wollen. Eindrücke vom„glückdererdeaufdemrücken der Pferde“gibt es schließlichvieleaufdemfest.einigebesitzer kleinerer und größerer Haciendas bieten deshalb Reitkurse an. Etwa 17 Kilometer von Tacuaremboentferntbetreibenaraseli und ihr Mann Antonio Stuto eineferienunterkunft.biszuvier Personen können in einem gemütlich eingerichteten Blockhaus übernachten. Die Gastgeber haben sich in Italien kennen gelernt, wo Araseli als Beraterin für eine internationale Firma tätig war. Antonio war lange Zeit Trainer von Springreitern in Lazio bei Rom. Nun wollen die beiden ihre Begeisterung für Pferde weitergeben.
Erlernt werden kann das Reiten nach europäischem Vorbild oder nachartdergauchos.„dagibtes große Unterschiede, der Gaucho-sattel ist größer und bequemer, da ja große Distanzen auf dem Pferd zurückgelegt werden. Und das Tier wird einhändig geführt, damit man eine Hand für daslassofreihat“,soantonio.sicherheit steht an erster Stelle, schließlichsollderanfängernicht überfordert werden. Wer sich nicht auf den Pferderücken traut, braucht auf seinen Aktivurlaub nichtzuverzichtenundkanneinfach bei einigen täglichen Aufgaben in der Landwirtschaft mithelfen. Araseli und Antonio organisieren auch Ausflüge, um die abwechslungsreiche, hügelige und immer grüne Landschaft bekannt zu machen.
Ein echtes Erlebnis – und ein Geheimtipp – ist sicherlich der Besuchdeszweimalimmonatstattfindenden Viehmarktes im nahe gelegenendorflujan.kontaktzu den Einheimischen ist dem Ehepaar eine Herzensangelegenheit. Dafür haben sie ein ganz besonderes Projekt ins Leben gerufen, das sogar vom Tourismusministerium unterstützt wird. „Nicht weit von hier gibt es eine kleine Schule mit etwa 20 Kindern. Diesegebendenbesucherneineneinblick in ihre Kultur und Lebensweise.dafürgibtessogareinkleines Museum in der Schule. Im Gegenzug können die Kinder bei uns noch einiges über den Umgang mit Pferden erlernen. Klar, dass sie von Kindheit an reiten können, aber wir zeigen ihnen auch,wiemanpferderichtigpflegt und was vielleicht auch aus veterinärmedizinischer Sicht zu beachten ist.“
Doch zurück zu Clara Fros und ihrem Vater Dario. Sie haben auf einen guten Platz im Wettbewerb der sociedades criollas gehofft. Leider hat es diesmal nur zum dritten Platz gereicht, aber trotzdem freuen sich alle riesig, nächstes Jahr wieder an der Patria Gaucha teilzunehmen. Welcheshistorischegebäudedannrekonstruiertwird,stehtnochnicht fest. Sicher ist aber, dass die Familiedietraditionellenwerteund Bräuchedergaucho-kulturaufalle Fälle bewahren und weitergeben möchte.