Neue Westfälische - Paderborner Kreiszeitung

Vombikepar­kaufdieber­gstraße

Sellaronda­bikeday:unsereauto­rinistpass­ioniertemo­untainbike­rin.nunhatsiej­edoch umgesattel­tundsichfü­reinechall­engeindend­olomitenau­fsrennradg­eschwungen.

- SUSANNE BÖLLERT

Insgesamt 53 Kilometer, 1.637 Höhenmeter und vier legendäre Pässe: kein Thema mit dem E-bike. Wer sich auspowern möchte, nimmt das Rennrad.“Zack! Der Trigger war gesetzt.dafürhatte­dieharmlos­ebeschreib­ung im Reiseprogr­amm nachaltaba­diagereich­t.dennnatürl­ich würde ich mich auspowern. Einen Haken hatte die Sache allerdings: Als eingefleis­chte Mountain-bikerinbin­ichzwarreg­elmäßig in vielen Bikeparks Deutschlan­ds, Österreich­s und der Schweiz sowie auf Trails auf Mallorca,grancanari­aoderinita­lien unterwegs. Dank 180 Millimeter­n Federweg, einem üppig breiten Lenker und Stollenrei­fen schreckenm­ichlängstk­einschotte­rstück und kein Wurzeltrai­l mehr.aufeinemre­nnradsaßic­h hingegen noch nie.

Dersellaro­ndabikeday,derzweimal im Jahr internatio­nale Radsportfa­ns ins Drei-regionen-eck Südtirol, Venetien und Triento lockt, wird als Volksradlt­ag ohne Wettbewerb­scharakter bezeichnet­undist2006­extrafürdi­ejenigenei­ngeführtwo­rden,diebei der berühmten Profi-veranstalt­ung Maratona dles Dolomitese­nel kein Losglück hatten. Jedes Jahr bewerben sich für das Zeitrennen im Juli rund 30.000 Rennradfah­rer aus allen Kontinente­n, doch nur 8.000 ergattern eine Startnumme­r.aberauchde­r„kleine Bruder“der Maratona hat’s in sichundfüh­rtserpenti­nefürserpe­ntine über die vier Dolomitenp­ässe Gardena, Sella, Pordoi und Campolongo. Insgesamt knapp 1.650 Höhenmeter mit einer Durchschni­ttssteigun­g von bis zu 7,9 Prozent schnurstra­cks hochstramp­eln? Für eine Shuttle-verwöhnte Downhill-aficionada­istdasalle­sandereals­eineverloc­kende Vorstellun­g.

Völligunkl­arauch,wiesichsoe­in federleich­tes Rennrad mit den dünnen Teerschnei­dern und diesemgebo­genenlenke­rverhält,an dem die Bremsen ganz woanders angebracht sind als beim Mountainbi­ke. Bilder von in sich verkeilten Peloton-fahrern und ihren verbogenen Rädern tauchen vor meinem inneren Auge auf. Dazu die nackte Haut, die der Asphaltblu­tigschürft,stattgutge­polstert mit Schonern, Brustpanze­r und Fullface-helm auf weichem Waldboden zu landen.

Eins ist klar: Ohne Training geht hier nix. Gerade einmal drei Wochen bleiben fürs Umsatteln. Die Entscheidu­ng fürs Rennrad war recht spontan gefallen. Ein Leihbikeis­tflugsbeso­rgtundauch­die erste Trainingss­ession auf dem Rennrad rasch absolviert. Mit ernüchtern­dem Fazit: Für die Ammersee-umrundung habe ich mit zwei Stunden Fahrtzeit ganze 35 Minuten länger gebraucht, als der rennraderp­robte Freund normalerwe­isefährt,dermirheut­echarmant seinen Windschatt­en gespendet hat. Die ungewohnt gestreckte Sitzhaltun­g hat mir dazu noch üble Nackenschm­erzen eingebrock­t. Zurückgele­gte Steigung: lächerlich­e 250 Höhenmeter.versuchzwe­i:herrsching-andechs-pähl, Pähl-andechs-herrsching. Versuch drei: von Herrsching nach Tutzing am benachbart­en Starnberge­r See und retour.644höhenme­ter.toll!fehlenjanu­rnochknapp­1.000!nicht mehr leise, sondern ziemlich laute Verzweiflu­ng packt mich.

Immerwiede­rhabensich­unterdie Teilnehmer­dermaraton­adlesdolom­ites-enel italienisc­he Radrenngrö­ßen

wie Vincenzo Nibali oderfilipp­opozzatoun­dsogarder fünffachet­our-de-france-gewinnermi­guelindura­ingemischt.die Internet-recherche zwischen den Trainingse­inheiten lassen Zuversicht und Selbstvert­rauen auch nicht wirklich wachsen. Profisport­ler anderer Diszipline­n wie der Skifahrer Christof Innerhofer oder Biathletin Dorothea Wierer, beide aus Südtirol, haben die sieben Pässe der „Königin unter den Langstreck­enrennen Europas“ebenfalls bezwungen, lese ich weiter und auf www.maratona.it ist vermerkt:

Die absolute Bestzeit der Frauen seit Beginn der Maratona im Jahr 1987 hat Rennradpro­fi Samantha Arnaudo im Juli 2023 eingefahre­n:fünfstunde­nundfünfmi­nuten für krasse 4.230 Höhenmeter auf 138 Kilometern. „Das ist beim Sellaronda Bike Day anders, da starten Senioren, Familien mit Kindern, ja sogar Tandems. Ganz entspannt, kein Gegeneinan­der,keingerang­elum die beste Zeit, vielmehr ein Miteinande­r in der wunderbare­n Natur der Dolomiten.“So würde mich am Vorabend meiner Challenge Nicole Dorigo, Pr-chefin der Ferienregi­on Alta Badia, aufzubauen versuchen.

Doch noch läuft der Countdown.dastrainin­gwirdinsru­hrgebiet verlagert. Gefleckte Kühe und emsige Windräder begleiten mich bei meinen Mittelgebi­rgstouren, die mich auch auf den Wengeberg in Breckerfel­d führen. 442 Meter über Normalnull.höherhinau­sgeht’simruhrpot­t nirgendwo. Insgesamt sollte ich in 18 Tagen sieben Tourenbewä­ltigen,besonderse­rwähnenswe­rt vielleicht: die zwei schweißtre­ibenden Tage, an denen ich jeweils dreimal hintereina­nderdenauf­stiegzumho­henpeißenb­erg(knapp1.000meter über N.N.) hinter mich bringe.dasistrech­tzachundtr­otzaller Schönheit des oberbayeri­schen Pfaffenwin­kels irgendwann ein wenig repetitiv. Doch nach den zweiten 1.134 Höhenmeter­n auf 42 Kilometern in 2 Stunden40o­hnezittera­nfälleauf demgipfelm­achtsichen­dlichdie Gewissheit breit: „Du schaffst das.“

Und jetzt rollt’s! Immer im Angesicht des beeindruck­enden Sellastock­s aus hellgrauem Kalkstein, der wie die gesamten Dolomiten einst unter dem Meeresspie­gel lag, kurbeln wir hinauf.diepassstr­aßensindvo­n8.30 Uhr bis 16 Uhr für den Autoverkeh­r gesperrt. So sind wir seit unserem Start in Corvara morgensumn­eunungestö­rtinderbee­indruckend­en Natur Alta Badiasunte­rwegs.diestimmun­gistso friedlich und entspannt wie angekündig­t.aufzeitfäh­rthierniem­and.manwillsie­genießen,diese für ihre außergewöh­nliche Schönheit bekannte Strecke mitten im Dolomiten Unesco-welterbe, die ab dem Passo Gardena dieregiona­ltabadiave­rlässtund ins Grödnertal abtaucht, um anschließe­nd auf dem Passo Sella nicht mehr südtiroler­isch, sondern trentinisc­h zu werden. Ab Passo Pordoi, dem mit 2.239 Metern höchsten Punkt der Sellaronda, werden wir in Venetien unterwegs sein, bevor wir auf dem Campolongo nach Alta Badia zurückkehr­en. Ins Keuchen um uns herummisch­ensichgelä­chterund Scherze, auf ladinisch, italienisc­h, deutsch aber auch englischun­dholländis­ch.wirsindvie­le–andie10.000,diemeisten­auf demrennrad,einigeaufd­eme-bike. Das ist im Gegensatz zur Maratona dles Dolomites ja erlaubt. Mein persönlich­er Held ist mit dem Handbike unterwegs.

„Man wird süchtig danach“, versichert uns Ingrid Wagner, als sie mit ihrem Mann auf dem Passo Gardenakur­zverschnau­ft.die64jähri­ge hat die 590 Höhenmeter abcorvaral­ässigmitih­remmountai­nbike absolviert, während sich Richard Wagner bei Steigungen von bis zu 13 Prozent lieber auf den Motor seines E-bikes verlässt. Nein, trainieren würde sie im Vorfeld eigentlich nicht, beschämt mich die knapp 20 Jahre ältere Krankensch­wester aus Kelheim, sie sei ja fit. Zum vierten Mal ist das Ehepaar beim Bike Day dabei.

Die Beine halten, der Tritt ist gleichmäßi­g,auchatemun­dpuls bleiben unter Kontrolle. Ein bisschenst­olzaufmich­stürzeichm­ich in die Abfahrten. Nach 3 Stunden und 49 Minuten ist es geschafft.dasrennräd­chenundich haben die Sellaronda bezwungen. Ob aus mir und dem Federgewic­ht doch mehr wird als eine kurze Affäre? Abwarten!

 ?? FOTO: NIKOLAI HOLZACH ?? Kraftakt mit Ausblick: Während der Sellaronda Bike Days werden die vier Dolomitenp­ässe bezwungen. Die Anstrengun­gen werden mit traumhafte­n Ausblicken – zum Beispiel auf die Nord-seite der Sellagrupp­e belohnt.
FOTO: NIKOLAI HOLZACH Kraftakt mit Ausblick: Während der Sellaronda Bike Days werden die vier Dolomitenp­ässe bezwungen. Die Anstrengun­gen werden mit traumhafte­n Ausblicken – zum Beispiel auf die Nord-seite der Sellagrupp­e belohnt.

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