Neue Westfälische - Paderborner Kreiszeitung
Weltkino unter Palmen
Wo Hollywoodschwergewichte wie Francis Ford Coppola Seite an Seite mit Autorenfilmern antreten: An diesem Dienstag startet das 77. Filmfestival in Cannes
Hannover. Die wieder aufbrandende #Metoo-debatte, ein vom iranischen Regime weggesperrter Regisseur und zaghaft angedrohte Personalstreiks: Das palmenbeschattete Filmfestival von Cannes ist noch gar nicht eröffnet, da ist die Aufregung schon groß. Wichtiger aber noch sind die Filme, die beim wichtigsten Kinoschaulaufen weltweit Erwartungen wecken. Ab Dienstag fallen 35 000 Festivalgänger in dem einstigen Fischerdorf in Südfrankreich ein.
Ungewöhnliche Umstände begleiten manchen Film: Wann verkauft ein Regisseur schon mal Weinberge, um sein
Lebens- und Lieblingsprojekt zu finanzieren, wie es Napavalley-pinot-noir-experte Francis Ford Coppola mit dem Endzeitspektakel „Megalopolis“(mit Adam Driver und Shia Labeouf) getan hat? Und wie oft passiert es, dass ein Filmemacher eben noch bei den Oscars Furore machte und sogleich mit dem nächsten Werk in derselben Besetzung antritt? „Poor Things“-regisseur Yorgos Lanthimos ist mit „Kinds of Kindness“mit Emma Stone und Willem Dafoe dabei.
Überhaupt klingt die Namensliste im Wettbewerb verheißungsvoll: Nominiert sind die Franzosen Jacques Audiard und Michel Hazanavicius, der im Exil lebende Russe Kirill Serebrennikov,
der Italiener Paolo Sorrentino, der Kanadier David Cronenberg, der Usamerikaner Paul Schrader.
Der iranischstämmige Regisseur Ali Abbasi knöpft sich in „The Apprentice“Donald Trump als Immobilienmakler vor (mit Sebastian Stan als jungem Trump). Fehlen wird hingegen Abbasis Landsmann Mohammad Rasoulof: Der Iraner ist wegen seines Dramas „The Seed of the Sacred Fig“über staatliche Paranoia zu einer langen Haftstrafe sowie zu Peitschenhieben verurteilt worden. Rasoulof hat sich geweigert, seinen Film vom Festival zurückzuziehen.
Insgesamt fällt auf: Was Regisseurinnen betrifft, ist
Cannes unterrepräsentiert. Nur vier Frauen stehen im Palmen-rennen, darunter die Britin Andrea Arnold.
Zumindest will sich Festivalleiter Thierry Frémaux in der in Frankreich akuten #Metoo-debatte eindeutig positionieren: Die Französin Judith Godrèche berichtet just am Eröffnungsabend in ihrem Kurzfilm „Moi aussi“von Frauen, die Missbrauchsopfer wurden. Godrèche hatte schon bei der Verleihung der César-filmpreise über sexuelle Gewalt in der französischen Filmindustrie gesprochen. Und da ging es mal nicht um Gérard Depardieu.
Und das deutsche Kino? Ein Film aus heimischer Produktion
hat es nicht in den Wettbewerb geschafft, wohl aber deutsche Schauspielkunst: Diane Kruger ist in Cronenbergs Horrorfilm „The Shrouds“dabei, Franz Rogowski spielt in Arnolds sozialkritischem Familiendrama „Bird“.
Außer Konkurrenz sind mehrere Hollywoodschwergewichte am Start: Kevin Costner präsentiert seine Westernsaga „Horizon“. George Miller bringt seinen neuen „Mad Max“-film mit Anya Taylorjoy und Chris Hemsworth an die Côte d’azur. So zeigt Cannes, wie sich Blockbusterund Autorenkino gegenseitig befruchten. Ähnliches kriegt die abgehängte Berlinale schon länger nicht mehr hin.