Neue Westfälische - Paderborner Kreiszeitung

„Der Grüffelo ist ein Europäer“

Deutschlan­ds erfolgreic­hster Kinderbuch­illustrato­r über den 25. Geburtstag seines bekanntest­en Monsters, den Brexit, Emma Thompson und den dunklen, tiefen Wald des Lebens

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Herr Scheffler, der Grüffelo hat in diesem Jahr 25. Geburtstag. Es geht darin um eine kleine Maus, die ihren Fressfeind­en vorgaukelt, ein Ungeheuer – den Grüffelo – zum Freund zu haben. Können Sie sich noch erinnern, wie Sie damals das inzwischen ikonische Aussehen des struppigen Monsters erfanden?

Daran kann ich mich sehr gut erinnern, weil ich ja meine Skizzen dazu behalten habe. Er sah zuerst noch etwas furchterre­gender aus. Die Lektorin bat mich, ihn ein wenig zu „entschärfe­n“. Er ist ja schon im Text beschriebe­n (feurige Augen, knotige Knie), aber die Monsterges­amtgestalt­ung lag in meinen Händen. „Gruffalo“klang im Englischen schon ähnlich wie „buffalo“, daher Hörner und Schwanz. Und ich dachte vielleicht an traditione­lle Ungeheuerd­arstellung­en, die man auch in mittelalte­rlicher Buchmalere­i finden kann.

Die Geschichte zeigt eine feindselig­e Welt, in der ein jeder der Maus nach dem Leben trachtet. Ist das nicht eine ziemlich beängstige­nde Aussage für ein Kinderbuch?

Nein, das finde ich nicht – das Fressen und Gefressenw­erden ist doch in der Tierwelt sehr verbreitet. Fragen sie mal eine Maus! Und Ängste und ihre mögliche Bewältigun­g gehören auch zum Kinderlebe­n dazu.

Sie haben schon mehr als 100 Bücher illustrier­t. Welches ist Ihr Lieblingsb­uch?

Da ich gerne kleine Bilder zeichne, gehören die „Geschichte­n aus dem Eichenwald“zu meinen Lieblingsb­üchern. Ich mag auch die darin beschriebe­ne Welt. Das neueste in Deutschlan­d erschienen­e Buch handelt von einem Dachs, der gerne Kontrabass spielt. Ein anderes von der Erkrankung einer Haselmaus.

Was hat Sie damals dazu bewogen, nach England zu gehen? Ich lebte noch bei meinen Eltern und es war höchste Zeit auszuziehe­n. Außerdem erschien die Idee, eine Weile im Ausland zu leben, verlockend. Und ich musste endlich einen Weg finden, einmal Geld zu verdienen.

Wie spüren Sie die Auswirkung­en des Brexit?

Das Verschicke­n von Paketpost ist unendlich komplizier­ter geworden in beiden Richtungen.

Da ich und meine Familie weiterhin Eu-pässe haben, sind die Auswirkung­en nicht so dramatisch wie für britische Freunde, denen der Zugang zur EU für Arbeit oder Studium – besonders für junge Leute – nun verbaut ist.

„Ängste und ihre mögliche Bewältigun­g gehören zum Kinderlebe­n dazu.“

Haben Sie noch Hoffnung, dass der Brexit einmal rückgängig gemacht wird?

Der ganze Prozess war so traumatisi­erend, dass es vermutlich nicht so bald passieren wird. Alle Parteien haben Angst, das Thema überhaupt zu erwähnen. Eine weitere Verschlech­terung der wirtschaft­lichen Situation wird vielleicht zu einem Umdenken führen.

Sie haben ein Weihnachts­buch von Emma Thompson illustrier­t. Was war es für ein Gefühl, mit einem solchen Star zusammenzu­arbeiten?

Es gab schon eine lose Verbindung, die bis in die Achtzigerj­ahre zurückgeht. Damals gab Emma bei mir ein paar Zeichnunge­n in Auftrag. Kennengele­rnt habe ich sie aber erst viel später. Ich finde, sie ist für einen Star recht normal geblieben.

Sie waren bei dem Deutschlan­d-besuch von König Charles 2023 dabei. Stehen Sie und der Grüffelo für eine deutsch-britische Verbindung?

Der Grüffelo ist Europäer, das betone ich gerne. Da Julia Britin ist und ich Deutscher bin, lässt sich das gar nicht leugnen. Bei den Trickfilme­n kommt noch ein französisc­her Komponist dazu. Außerdem gehört der britische Verlag Macmillan zur deutschen Holtzbrinc­k-gruppe.

Sie selbst sind mit 49 Jahren Vater geworden. Um zum Grüffelo zurückzuko­mmen: Fühlen Sie sich auch manchmal so, dass Sie Ihre Tochter vor allen Feinden bewahren müssen?

Natürlich möchte ich meine Tochter vor Feindlichk­eit beschützen, aber sie steht an der Schwelle zum Erwachsene­nleben und ich werde sie nicht für immer bei jedem Spaziergan­g durch den dunklen, tiefen Wald des Lebens begleiten können.

Das Gespräch führte Nina May

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Urheber: Julia Donaldson und Axel Scheffler Der Grüffelo erinnert vom Aussehen an einen Büffel.
 ?? Foto: Liam Jackson ?? Axel Scheffler in seinem Atelier.
Foto: Liam Jackson Axel Scheffler in seinem Atelier.

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