Neue Westfälische - Paderborner Kreiszeitung
Ringen um die Kindergrundsicherung
Hinter den Kulissen gehen die schwierigen Beratungen intensiv weiter
Berlin. Die Präsidentin des Deutschen Kinderschutzbundes appellierte am Freitag noch einmal an die Beteiligten. „Die Haushaltslage des Bundes scheint dramatisch zu sein“, sagte Sabine Andresen dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). „Aber dennoch können wir es uns nicht leisten, dass Kinder, Jugendliche und ihre Familien in Armut weiterhin keine Chancen haben. Nach wie vor besteht deshalb die politische Verantwortung für die Ausgestaltung einer starken Kindergrundsicherung.“Andere Sozialverbände dringen ebenfalls darauf.
Tatsächlich steht die seit Monaten währende Auseinandersetzung über das Projekt von Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) vor der Entscheidung. Und zumindest aus Fdp-kreisen verlautete zuletzt, mit einer Verabschiedung sei in dieser Legislaturperiode nicht mehr zu rechnen. Stattdessen gebe es noch Hunderte Seiten mit Fragen.
Paus will das Kindergeld, den Kinderzuschlag und weitere Leistungen aus dem Bürgergeld für Kinder bündeln. Die Kosten hatte sie zunächst mit rund 12 Milliarden Euro angegeben. Nach Verhandlungen mit Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) wurden hingegen Mehrausgaben von zunächst lediglich 2,4 Milliarden Euro fixiert. Sie sind auch Grundlage eines Kabinettsbeschlusses vom Herbst.
Seither kommen die parlamentarischen Beratungen nicht recht von der Stelle. Denn die FDP will die Kindergrundsicherung, wie die Familienministerin sie sich vorstellt, eigentlich nach wie vor nicht. Sie befürchtet, dass es dadurch für Mitglieder ärmerer Familien weniger attraktiv werden könnte, einer Erwerbsarbeit nachzugehen, und spricht nur von einer Verwaltungsreform.
Streit gab es zuletzt auch über etwa 5000 Stellen, die die Bundesagentur für Arbeit für nötig hält, um das Projekt im Rahmen neuer Strukturen umsetzen zu können. Deren Präsidentin Andrea Nahles sieht das Projekt, das nach Paus’ Willen zum 1. Januar anlaufen soll, kritisch.
Die Grünen haben nun dem Vernehmen nach Vorschläge gemacht, die die etwaigen Verwaltungsstrukturen betreffen. „Wir arbeiten mit Hochdruck an der Kindergrundsicherung“, sagte ihr stellvertretender Fraktionsvorsitzender Andreas Audretsch am Freitag dem RND, ohne Details zu nennen. „Uns eint das Ziel,
Kinderarmut zu bekämpfen. Die Gespräche laufen gut, wir wollen zügig zum Abschluss kommen.“Er fuhr fort: „Wir wollen Kinder und ihre Familien noch besser erreichen und dazu alle Möglichkeiten der Digitalisierung nutzen.“Auch in der SPD gab man sich optimistisch.
Ein neuer Verhandlungstermin war am Freitag jedoch noch nicht vereinbart. Und wenn das Gesetz vor der Sommerpause, die am 5. Juli beginnt, verabschiedet werden soll, dann bleibt nicht mehr viel Zeit. Zudem besteht die Gefahr, dass die Kindergrundsicherung im Zuge der Verhandlungen über den Haushalt 2025 gänzlich scheitert. Denn Lindner will Milliardensummen einsparen und weiß dabei Kanzler Olaf Scholz (SPD) hinter sich. Die Grünen schließlich würden durch einen Verzicht zwar die eigene Ministerin beschädigen – es könnte aber sein, dass sie letztlich doch andere Prioritäten setzen, etwa im Bereich innere und äußere Sicherheit, Klimaschutz oder Wirtschaftsförderung.
Nachangabendesbundesfamilienministeriums
würden bis zu 5,6 Millionen Kinder und Jugendliche von der Kindergrundsicherung profitieren – würde sie denn Wirklichkeit. Doch ob es dazu kommt? Aus Verhandlungskreisen verlautet, Prognosen, ob und wann etwas werde, die könne man in der Ampelkoalition nicht machen.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) appellierte erneut an die Bundesregierung, Maßnahmen gegen Kinderarmut zu ergreifen. „Bürokratische Hürden, die dafür sorgen, dass nur ein Teil der
Kinder die für sie notwendige Unterstützung bekommt, müssen dringend abgeräumt werden“, forderte Dgb-vorstandsmitglied Anja Piel.
Auch der Sozialverband Deutschland drang auf ein baldiges Ergebnis. „Die betroffenen Familien mit ihren Kindern und Jugendlichen warten seit Monaten darauf, dass sich die Sozialreform endlich der Zielgraden nähert“, sagte die Vorsitzende Michaela Engelmeier. In Deutschland seien schließlich mehr als jedes fünfte Kind und jeder fünfte Jugendliche von Armut betroffen.
„Uns eint das Ziel, Kinderarmut zu bekämpfen. Die Gespräche laufen gut, wir wollen zügig zum Abschluss kommen.“ Andreas Audretsch, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen