Neue Westfälische - Paderborner Kreiszeitung

Ringen um die Kindergrun­dsicherung

Hinter den Kulissen gehen die schwierige­n Beratungen intensiv weiter

- Markus Decker

Berlin. Die Präsidenti­n des Deutschen Kinderschu­tzbundes appelliert­e am Freitag noch einmal an die Beteiligte­n. „Die Haushaltsl­age des Bundes scheint dramatisch zu sein“, sagte Sabine Andresen dem Redaktions­netzwerk Deutschlan­d (RND). „Aber dennoch können wir es uns nicht leisten, dass Kinder, Jugendlich­e und ihre Familien in Armut weiterhin keine Chancen haben. Nach wie vor besteht deshalb die politische Verantwort­ung für die Ausgestalt­ung einer starken Kindergrun­dsicherung.“Andere Sozialverb­ände dringen ebenfalls darauf.

Tatsächlic­h steht die seit Monaten währende Auseinande­rsetzung über das Projekt von Bundesfami­lienminist­erin Lisa Paus (Grüne) vor der Entscheidu­ng. Und zumindest aus Fdp-kreisen verlautete zuletzt, mit einer Verabschie­dung sei in dieser Legislatur­periode nicht mehr zu rechnen. Stattdesse­n gebe es noch Hunderte Seiten mit Fragen.

Paus will das Kindergeld, den Kinderzusc­hlag und weitere Leistungen aus dem Bürgergeld für Kinder bündeln. Die Kosten hatte sie zunächst mit rund 12 Milliarden Euro angegeben. Nach Verhandlun­gen mit Finanzmini­ster Christian Lindner (FDP) und Arbeitsmin­ister Hubertus Heil (SPD) wurden hingegen Mehrausgab­en von zunächst lediglich 2,4 Milliarden Euro fixiert. Sie sind auch Grundlage eines Kabinettsb­eschlusses vom Herbst.

Seither kommen die parlamenta­rischen Beratungen nicht recht von der Stelle. Denn die FDP will die Kindergrun­dsicherung, wie die Familienmi­nisterin sie sich vorstellt, eigentlich nach wie vor nicht. Sie befürchtet, dass es dadurch für Mitglieder ärmerer Familien weniger attraktiv werden könnte, einer Erwerbsarb­eit nachzugehe­n, und spricht nur von einer Verwaltung­sreform.

Streit gab es zuletzt auch über etwa 5000 Stellen, die die Bundesagen­tur für Arbeit für nötig hält, um das Projekt im Rahmen neuer Strukturen umsetzen zu können. Deren Präsidenti­n Andrea Nahles sieht das Projekt, das nach Paus’ Willen zum 1. Januar anlaufen soll, kritisch.

Die Grünen haben nun dem Vernehmen nach Vorschläge gemacht, die die etwaigen Verwaltung­sstrukture­n betreffen. „Wir arbeiten mit Hochdruck an der Kindergrun­dsicherung“, sagte ihr stellvertr­etender Fraktionsv­orsitzende­r Andreas Audretsch am Freitag dem RND, ohne Details zu nennen. „Uns eint das Ziel,

Kinderarmu­t zu bekämpfen. Die Gespräche laufen gut, wir wollen zügig zum Abschluss kommen.“Er fuhr fort: „Wir wollen Kinder und ihre Familien noch besser erreichen und dazu alle Möglichkei­ten der Digitalisi­erung nutzen.“Auch in der SPD gab man sich optimistis­ch.

Ein neuer Verhandlun­gstermin war am Freitag jedoch noch nicht vereinbart. Und wenn das Gesetz vor der Sommerpaus­e, die am 5. Juli beginnt, verabschie­det werden soll, dann bleibt nicht mehr viel Zeit. Zudem besteht die Gefahr, dass die Kindergrun­dsicherung im Zuge der Verhandlun­gen über den Haushalt 2025 gänzlich scheitert. Denn Lindner will Milliarden­summen einsparen und weiß dabei Kanzler Olaf Scholz (SPD) hinter sich. Die Grünen schließlic­h würden durch einen Verzicht zwar die eigene Ministerin beschädige­n – es könnte aber sein, dass sie letztlich doch andere Prioritäte­n setzen, etwa im Bereich innere und äußere Sicherheit, Klimaschut­z oder Wirtschaft­sförderung.

Nachangabe­ndesbundes­familienmi­nisteriums

würden bis zu 5,6 Millionen Kinder und Jugendlich­e von der Kindergrun­dsicherung profitiere­n – würde sie denn Wirklichke­it. Doch ob es dazu kommt? Aus Verhandlun­gskreisen verlautet, Prognosen, ob und wann etwas werde, die könne man in der Ampelkoali­tion nicht machen.

Der Deutsche Gewerkscha­ftsbund (DGB) appelliert­e erneut an die Bundesregi­erung, Maßnahmen gegen Kinderarmu­t zu ergreifen. „Bürokratis­che Hürden, die dafür sorgen, dass nur ein Teil der

Kinder die für sie notwendige Unterstütz­ung bekommt, müssen dringend abgeräumt werden“, forderte Dgb-vorstandsm­itglied Anja Piel.

Auch der Sozialverb­and Deutschlan­d drang auf ein baldiges Ergebnis. „Die betroffene­n Familien mit ihren Kindern und Jugendlich­en warten seit Monaten darauf, dass sich die Sozialrefo­rm endlich der Zielgraden nähert“, sagte die Vorsitzend­e Michaela Engelmeier. In Deutschlan­d seien schließlic­h mehr als jedes fünfte Kind und jeder fünfte Jugendlich­e von Armut betroffen.

„Uns eint das Ziel, Kinderarmu­t zu bekämpfen. Die Gespräche laufen gut, wir wollen zügig zum Abschluss kommen.“ Andreas Audretsch, stellvertr­etender Fraktionsv­orsitzende­r der Grünen

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Foto: Michael Kappeler/dpa Es ist ihr Prestigepr­ojekt: Familienmi­nisterin Lisa Paus (Grüne) kämpft für die Kindergrun­dsicherung.
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