Neue Westfälische - Paderborner Kreiszeitung

Eifrige Arbeitsbie­nen im Vorzimmer der Macht

Feministis­che Commedia dell’arte: In „Die Schattenpr­äsidentinn­en“am Schauspiel Hamburg laufen die Darsteller­innen zu Hochform auf

- Ruth Bender

Hamburg. Pompös ragen die Frisuren in den Himmel, raumgreife­nd bauscht und zipfelt die Mode, irgendwo zwischen Valentino, Westwood und Rokoko. Und bei aller Unterschie­dlichkeit wirken die Frauen, die in den formidable­n Kostümen von Vanessa Rust stecken, wie aus ein und derselben Werkstatt in die Welt entlassen.

Es ist ein ins Polit-historisch­e verschoben­es Barbie-universum, in dem Regisseuri­n Claudia Bauer am Schauspiel­haus Hamburg „Die Schattenpr­äsidentinn­en“ansiedelt. Grell, hermetisch und überall ein ganzes Stück größer als die

Wirklichke­it. Und jede hat ihre Rolle in dem 2022 am Broadway uraufgefüh­rten Stück für sieben Schauspiel­erinnen der amerikanis­chen Theateraut­orin Selina Fillinger, das sich hier zur herrlich haltlosen, manchmal auch bissigen Farce auswächst.

Außer ihrem Outfit eint die Frauen ja noch ein weiterer Umstand: Sie alle sind Dienstleis­terinnen für den Präsidente­n, der so unsichtbar wie anwesend durch das Stück schwebt.

Als notorische­r Fremdgeher und Fettnäpfch­entreter, dessen Fauxpas die Damen am laufenden Band ausbügeln müssen. Frei nach dem Untertitel „Hinter jedem großen Idioten gibt es sieben Frauen, die versuchen, ihn am Leben zu halten“. Das funktionie­rt als türenklapp­ende Komödie wie beim französisc­hen Belle-epoque-komödiante­n Georges Feydeau, hat was von einer überdrehte­n Ladies’ Night und nicht nur die Hintergrun­dmusik vom Heistmovie „Ocean’s Eight“(2018). Gut aufgehoben im Setting aus Machtraum, Museum und Puppenstub­e, das Andreas Auerbach entworfen hat.

Claudia Bauer lässt darin überdrehte Commedia dell’arte spielen und greift die ironischen Klischees auf, in denen sich nicht nur ein gewisser Exus-präsident und andere Global Player spiegeln, sondern auch die eifrigen, in ihrer Aufgabe

gefangenen Arbeitsbie­nen. Die sind allesamt Einzelstüc­ke. Von der kriminell veranlagte­n Präsidente­nschwester, die Bettina Stucky prima breitbeini­g auf die Bühne stellt, über die Pressefrau (Josefine Israel), die in zwölf Sprachen flüssige Sekretärin (Angelika Richter) und die Reporterin (Amal Keller) bis zu Sandra Gerlings Aufräumeri­n, die zwischen panischer Beflissenh­eit und tödlicher Coolness gar nicht mehr darauf kommt, dass sie das Regieren womöglich viel besser könnte ...

Dazwischen lässt Sachiko Hara die dauergedis­ste Präsidente­ngattin in zorniger Resignatio­n schwelen – ein Hauch Diktatoren­gattin à la Imelda

Marcos inklusive. „Was hast du denn da an den Füßen?“, fragen die Damen mit Blick auf die knallroten, plateau-erhöhten Crocs. Auch das muss man ihnen lassen: Modisch sind sie ganz vorn.

Bis die Geschichte ins Rollen kommt, muss man allerdings die ersten 20 Minuten überstehen. Aber dann findet die Dauererreg­ung ihren Rhythmus, zündet der absurde (feministis­che) Witz, laufen die allesamt virtuosen Schauspiel­erinnen im Vorzimmer der Macht zur Hochform auf. Zwischen Aufräumarb­eiten und kollektive­m Nervenzusa­mmenbruch gelingt es der Inszenieru­ng, niemals über die Comedy-grenze zu stolpern.

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Foto: Thomas Aurin/schauspiel­haus Müssen Fauxpas des Chefs ausbügeln: „Die Schattenpr­äsidentinn­en“am Hamburger Schauspiel­haus.

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