Neue Westfälische - Paderborner Kreiszeitung
Wie NRW die Bundespolitik prägt
Vor allem die Cdu-führung setzt sich aus Politikern zusammen, die aus dem größten Bundesland kommen. Experten ordnen ein, was das zu bedeuten hat.
Düsseldorf. In der Politik gibt es seit Jahren Diskussionen über Quoten, die vorschreiben, dass Posten und Ämter möglichst fair verteilt sein sollen. Also zum Beispiel mit Frauen, mit Migranten, mit jungen Menschen – und mit Politikern aus verschiedenen Landesteilen. Ein Blick auf die aktuelle Situation zeigt, dass die Realität oft eine andere ist. Das lässt sich vor allem an der Herkunft der Politiker festmachen.
Mit den jüngsten Vorstandswahlen dürfte der Nrw-landesverband der CDU sehr zufrieden sein. Er prägt die CDU. Parteichef Merz stammt aus NRW (Brilon), Generalsekretär Carsten Linnemann (Paderborn) ebenfalls. Neuer Stellvertreter ist Karl-josef Laumann (Münsterland). Teil des Präsidiums bleiben Jens Spahn (Münsterland) und Ina Scharrenbach (Kamen). Damit gehören gleich fünf Nrwler der 16köpfigen Führungsriege (Vorstand + Präsidium) an. Und natürlich spielt auch Nrw-ministerpräsident Hendrik Wüst (Münsterland) in der Bundescdu eine wichtige Rolle.
Geht das alles auf Kosten anderer Landesteile – zum Beispiel derer im Osten, wo jetzt wichtige Wahlen anstehen – und wo die CDU sich vor allem gegen die AFD behaupten
Die Spitze der CDU um Carsten Linnemann (l./paderborn) und Friedrich Merz (Brilon) stammt aus NRW.
muss? Experten sehen das differenziert. Der Hang bei Postenvergaben nach regionalem Proporz mache die Bundespolitik gerade in schwierigen Zeiten „besonders angreifbar“, sagt Meinungsforscher
Klaus-peter Schöppner. Dadurch erhalte Parteidenken die Oberhand über jetzt geforderte Politikkompetenz. Tenor: Quote vor Kompetenz.
Auch Politikwissenschaftler Martin Florack will die Rolle
NRWS nicht überbewerten. Vor allem während der langen Regierungszeit Angela Merkels sei das Bundesland eher ein „Scheinriese“gewesen – und habe in der Bundespolitik eine untergeordnete Rolle gespielt. „Das gilt heute ja auch für die SPD, die keine nennenswerten Nrw-politiker in Berlin hat“, meint Florack. Anders sei das bei der FDP. Mit Christian Lindner (Wuppertal) und Marco Buschmann (Gelsenkirchen) stammen zwei von drei Bundesministern aus NRW. Florack begründet das vor allem mit dem Umstand, dass die FDP nach dem Ausscheiden aus dem Bundestag 2013 über Lindner und NRW „wiederauferstanden“sei. „Lindner war ihr letzter Strohhalm – und hat seine Nrw-leute mit nach Berlin genommen.“
Doch auch in der SPD stammen mit Svenja Schulze (wohnhaft in Münster) und Karl Lauterbach (Leverkusen/köln) zwei aktuelle Kabinettsmitglieder aus NRW. Die Bundestagsfraktion der Grünen wird von Britta Haßelmann (Bielefeld) und Katharina Dröge (Köln) geführt; die der SPD von Rolf Mützenich (Köln).
Florack sieht vor allem einen Unterschied zwischen Opposition und Regierung. In der Opposition – „wo man nichts zu verteilen hat“– könne man sich eher den Luxus leisten, weniger Rücksicht auf den Regional-proporz
zu nehmen, sagt der Politikwissenschaftler. Schöppner rät aber ungeachtet dessen dazu, sich „nicht auf Regionalproporz-diskussionen einzulassen“– und sich damit im Bedarfsfall über bundespolitische Bedenken hinwegzusetzen. Die Ansammlung bundespolitisch bedeutender Nrw-politiker sei eher ein „Qualitätsnachweis“als ein Auswahlhindernis. Nicht zu vergessen sei, dass NRW fast ein Viertel der Bevölkerung stelle – und als „ziemlich repräsentatives Bundesland“gelte, so Schöppner. Insofern rechtfertige allein schon die Größe und Bevölkerungsanzahl des Bundeslandes eine hohe Ansammlung von wichtigen Politikern.
Und noch eine weitere Differenzierung ist an dieser Stelle nötig: Mit Laumann wurde jetzt nicht primär ein weiterer Nrw-politiker in den Bundesvorstand der CDU gewählt, sondern ein Gesicht des Sozialflügels. Der – so der Tenor – wird durch Laumann nun auch offen sichtbar gestärkt, was nötig sei, da Merz und Linnemann dem Wirtschaftsflügel zugeordnet werden. In der „Rheinischen Post“sagte Laumann dazu auf seine trockene Art: „Ich habe bewusst als Mann des Arbeitnehmerflügels CDA kandidiert. Irgendwo muss ich ja auch wohnen. Und ich wohne halt in Nordrhein-westfalen.“
„Ich wohne halt in Nordrhein-westfalen“