Neue Westfälische - Paderborner Kreiszeitung

Auswärtige­s Amt kritisiert Antrag auf Haftbefehl gegen Netanjahu

Eine Entscheidu­ng des Internatio­nalen Strafgeric­htshofs für die Forderung des Chefankläg­ers wäre für die Bundesregi­erung ein Dilemma

- Daniela Vates

Berlin. Eine Weile hatte das Auswärtige Amt gebraucht, um sich zu berappeln. Am Montagaben­d gegen halb neun verschickt­e das Ministeriu­m dann ein Statement zur jüngsten Ankündigun­g des Chefankläg­ers des Internatio­nalen Strafgeric­htshofs (ISTGH), Karim Khan. Mehrere Stunden zuvor hatte Khan mitgeteilt, er habe Haftbefehl­e sowohl gegen mehrere Hamas-führer als auch gegen Israels Ministerpr­äsidenten Benjamin Netanjahu und seinen Verteidigu­ngsministe­r Joav Galant beantragt.

Ein Sprecher des Auswärtige­n Amtes betonte die Unterstütz­ung der Bundesregi­erung für den Gerichtsho­f als „elementare Errungensc­haft der Weltgemein­schaft“, bemängelte aber die Gleichzeit­igkeit der Anträge. Dadurch sei der „unzutreffe­nde Eindruck einer Gleichsetz­ung entstanden“. Dabei habe die Hamas am 7. Oktober 2023 ein Massaker begangen, halte weiterhin israelisch­e Geiseln gefangen und missbrauch­e die eigene Bevölkerun­g als Schutzschi­lde. Israel dagegen übe sein Recht auf Selbstvert­eidigung und Schutz der eigenen Bevölkerun­g aus. Die deutliche Kritik der Bundesregi­erung am Vorgehen Israels in Gaza – am Ausmaß der Angriffe wie an der mangelnden humanitäre­n Versorgung – wird durch den vorsichtig­eren Satz abgedeckt, das humanitäre Völkerrech­t gelte auch für Israel.

Das Gericht, das die Haftbefehl­santräge nun prüft, werde „eine Reihe schwierige­r Fragen zu beantworte­n haben, einschließ­lich gerade auch der Frage seiner Zuständigk­eit und der Komplement­arität von Ermittlung­en betroffene­r Rechtsstaa­ten“, heißt es in dem schriftlic­hen Statement.

Die „Komplement­arität“ist in Artikel 17 des Römischen Statuts festgehalt­en, der Grundlage des ISTGH. Demnach sollte sich der Gerichtsho­f nur um Strafverfo­lgungen kümmern, die ein betroffene­r Staat nicht selbst durchführe­n kann oder will. Außenpolit­iker in Berlin gehen davon aus, dass man israelisch­en Gerichten diese Bereitscha­ft und Fähigkeit nicht absprechen könne. Der Vorsitzend­e des Auswärtige­n Ausschusse­s, Michael Roth (SPD), kritisiert vor allem die Gleichzeit­igkeit der Anklagen: „Der Täter-opfer-umkehr wird damit weiter Vorschub geleistet“, sagte Roth dem Redaktions­netzwerk Deutschlan­d (RND). Vizeunions­fraktionsc­hef Johann Wadephul (CDU) kritisiert­e, durch die Gleichzeit­igkeit gefährde der ISTGH seine Autorität.

Folgen die Richter des ISTGH dem Chefankläg­er, stünde die Bundesregi­erung vor einem Dilemma. Sie müsste den Anordnunge­n des Gerichtsho­fs folgen – Israels Regierungs­chef Netanjahu müsste auf Staatsbesu­che in Deutschlan­d, wie auch in anderen europäisch­en Staaten, verzichten, um nicht verhaftet zu werden.

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Foto: IMAGO/KIRA Hofmann Im Fall eines Haftbefehl­s müsste Israels Regierungs­chef künftig auf Staatsbesu­che in Deutschlan­d verzichten.

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