Neue Westfälische - Tageblatt für Schloß Holte-Stukenbrock

Stolz trieft aus jeder Pore

Bayerns Trainer Tuchel feiert mit dem Halbfinale­inzug in der Königsklas­se auch einen ganz persönlich­en Erfolg: als erster deutscher Coach, der drei Teams so weit gebracht hat.

- Marco Mader und Felix Neubauer

München.

Beim Siegerfoto zur feucht-fröhlichen Kabinenpar­ty drängte sich Thomas Tuchel mit Urschrei und fliegenden Fäusten in den Vordergrun­d – und die „freudetrun­kenen“Bosse ließen ihrem vielgescho­ltenen Trainer gerne die große Bühne. „Kein Kommentar“, hieß es beim FC Bayern in dieser berauschen­den Champions-league-nacht unisono zur immer drängender­en Causa Julian Nagelsmann. Stattdesse­n gaben sich die hohen Herren ihren Wembley-schwärmere­ien von einem zweiten „German Endspiel“hin.

„Wenn man so ein bisschen ins Träumen gerät“, sagte der Vorstandsv­orsitzende Jan-christian Dreesen und lächelte beseelt, „das wäre schon sensatione­ll, die deutsche Neuauflage“gegen Dortmund. Kapitän Manuel Neuer rief euphorisch: „Der Traum lebt!“Matchwinne­r Joshua Kimmich meinte etwas nüchterner, das Wiedersehe­n im englischen Fußball-tempel elf Jahre nach dem Münchner

Coup „würde ich so nehmen“. Und Sportchef Max Eberl betonte nach dem „großartige­n Ausrufezei­chen“der Bundesliga mit Blick auf den Königsklas­sen-evergreen gegen Real Madrid und das Bvb-duell mit Paris: „Wir wollen beide noch mehr!“

Auch wenn es die Bayern im ersten Halbfinale seit dem Triple 2020 am 30. April in München und am 8. Mai in der spanischen Hauptstadt mit dem „größten Klub der Welt“zu tun bekommen, wie Tuchel zu bedenken gab. Bevor der von vielen längst abgeschrie­bene Coach die Arena kurz nach Mitternach­t mit einem triumphale­n Grinsen verließ, versprach er jedoch: „Wir werden alles dafür tun, die Saison in Wembley zu beenden.“Danach, das zeichnet sich immer klarer ab, soll Nagelsmann zurückkehr­en.

Der Bundestrai­ner, berichtete dessen Berater Volker Struth, werde sich in wenigen Tagen entscheide­n, ob er das Angebot des Deutschen Fußball-bundes annimmt und seinen Vertrag über die Heim-em hinaus bis 2026 verlängert – oder 16 Monate nach seinem

Rauswurf ein unerwartet­es Comeback beim Rekordmeis­ter geben wird. „Wenn Volker das meint . . .“, kommentier­te Eberl diese Nachricht süffisant, „ich werde überhaupt nichts bestätigen.“

Der Tuchel-erbe solle „so schnell wie möglich“und „im besten Fall“noch im April gefunden werden, man werde aber„nichtsüber­stürzen“.und Nagelsmann holen? „Das werden wir sehen“, sagte Dreesen schmunzeln­d, „heute freuen wir uns mit Thomas Tuchel und der Mannschaft.“Oder, wie Eberl meinte: „Heute bin ich freudetrun­ken.“

Tuchel genoss das 1:0 (0:0) gegen den FC Arsenal, als wäre der Henkelpott schon gewonnen. Der Stolz, es allen Kritikern gezeigt zu haben, triefte ihm aus jeder Pore. „Das sind ganz besondere Momente, es bedeutet mir sehr viel“, sagte der erste deutsche Trainer, der drei Teams ins Halbfinale der Champions League führte. Die Art und Weise war typisch Tuchel: mit einem unorthodox­en, weil zurückhalt­enden Ansatz, selbst aber unter Dauerstrom coachend, als stünde er vor dem jüngsten Gericht. „Ich habe mit der Mannschaft gekämpft, gefightet, gelitten“, sagte er. Präsident Herbert Hainer bescheinig­te ihm eine erneute „taktische Meisterlei­stung“, Eberl fand den zögerliche­n Stil „einfach schlau“. Tuchel selbst hob seltene Helden wie Konrad Laimer oder Noussair Mazraoui heraus – und würdigte den von ihm einst Kimmich für dessen „sensatione­lles Tor“und den „Mumm“, mit dem das Kopfball-ungeheuer den Ball ins Gunners-tor kanoniert hatte.

„Das Tor“, sagte Kimmich mit Genugtuung, „tut sehr, sehr gut. Ich musste mir im letzten Jahr sehr, sehr viel anhören und habe sehr wenig Rückendeck­ung bekommen.“Für ihn wie viele andere „Totgesagte“galt der Satz von Anführer Neuer: „Wir haben gezeigt, wozu wir imstande sind.“Diese so wankelmüti­ge Mannschaft, assistiert­e Präsident Hainer, „hat unheimlich Potenzial“.bringesiee­saufden Platz, sei sie „eine der besten in Europa“. Beim geplanten Umbruch, meinte er, müsse man womöglich doch nicht „komplett alles umschmeiße­n“.

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Foto: imago images Beim Abpfiff sagt die Miene von Trainer Thomas Tuchel mehr als tausend Worte.

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