Neue Westfälische - Tageblatt für Schloß Holte-Stukenbrock
Die Wüste bebt
Die Vorgeschichte einer Kriegerin: George Miller startet in „Furiosa: A Mad Max Saga“eine Höllenfahrt mit Anya Taylor-joy und Chris Hemsworth
Diese Filmreihe müssten Fdpverkehrsminister lieben: Hier fordert garantiert niemand ein Tempolimit, Abgaswerte spielen keine Rolle, und Verbrennungsmotoren haben den Kollaps des Planeten dieselhustend und rußspeiend überdauert. Von E-fuels allerdings weit und breit keine Spur: Kriege werden immer noch um Öl geführt. Sagen wir so: Die Apokalypse ist ganz klar ein Rückschritt in der menschlichen Evolution.
Ob am Weltenende die Klimakatastrophe schuld war oder doch eine Pandemie, lässt Regisseur George Miller in seinem nunmehr fünften „Mad Max“-film offen. Jedenfalls ist die Wüste überall. Und sie bebt, wenn Monster-kampftrucks (Fachbegriff: „War Rigs“) durch den Sand donnern und Motorräder samt Fahrer plattwalzen oder dank Extraschub wie Sportwagen beschleunigen. Verfolgt werden sie von an Fallschirmen hängenden Bikern, die flammende Spieße schleudern oder sich gleich selbst als Kamikaze-bomben opfern.
Jedes Vehikel in dem gigantischen Fuhrpark ist retrofuturistisch herausgeputzt. Eine wahre Freude für Nostalgiker: Ein mit schweren Waffen aufgemotzter VW-BUS fährt in dem in Staubfahnen gehüllten Konvoi mit. Recycling wird großgeschrieben in einer Zeit, in der die Produktion von Neufahrzeugen global zum Erliegen gekommen ist. Handwerklich geschickte Schrauber sind eindeutig im Vorteil.
Für seine schier unendlichen Verfolgungsjagden in Fantasiegefährten wird Us-regisseur Miller geliebt, seit er vor vier Jahrzehnten Maßstäbe setzte im Motorgedröhn. Kino ist Bewegung. Wer anhält, stirbt. Wer weiterfährt, auch.
Damals saß Mel Gibson alias Mad Max – mit bürgerlichem Namen Max Rockatansky – am Steuer, ein ehemaliger Polizist, und rechnete in voller Fahrt mit brutalen Banden ab, die seine Familie auf dem Gewissen hatten. Solche maßlosen Psspektakel hatte es auf der Leinwand bis dahin noch nicht gegeben – und die Zeit für das ultraschicke „Fast and Furious“-gegenmodell war lange noch nicht reif.
Drei „Mad Max“-filme lieferte der Regisseur (und einstige Unfallarzt) Miller damals ab.
Aus dem dritten blieb vor allem Tina Turner mit eindrucksvoller Frisur und ihrem Song „We Don‘t Need Another Hero“im Gedächtnis. Damit sollte für den Regisseur Schluss sein mit der Reihe. Miller vergnügte sich einstweilen mit animierten Pinguinen („Happy Feet“) und sprechenden Ferkeln („Ein Schweinchen namens Babe“), zuletzt mit einem Flaschengeist („Three Thousand Years of Longing“).
Aber wie das so ist mit Blockbustern: Irgendwann werden sie fortgesetzt, weil einstiger Erfolg neuen Erfolg generieren soll. „Fury Road“wurde 2015 beim Filmfestival in Cannes gefeiert, nun legte der 79-jährige Australier an selber Stätte mit „Furiosa: A Mad Max Saga“nach. Acht Minuten Beifall wurden für das zweieinhalbstündige Werk bei der Premiere gestoppt. Man muss sich dem Begeisterungssturm nicht unbedingt anschließen. Es fällt schwer, Millers Lust an der Brutalität auszublenden. Selten entschärft schwarzer Humor die Gewalt.
Titelfigur Mad Max ist gar nicht mehr mit von der Partie (im vierten Film von Tom Hardy verkörpert). Im Führerhäuschen nimmt eine junge Frau Platz, ebenjene Furiosa, die schon in „Fury Road“Aufmerksamkeit auf sich zog. 2015 wurde sie von Charlize Theron gespielt, nun von Anya Taylorjoy. Wir erfahren, wie aus dem Mädchen die wilde Kriegerin namens Imperator Furiosa wird – und auch, wie sie ihren Arm verliert.
Die Handlung ist simpel: Furiosa will den Tod ihrer Mutter rächen, die bei dem Versuch ermordet wurde, die Tochter zu retten. Die Mutter starb aufgehängt an einem Baumgerippe wie eine Erlöserin – Miller ist fasziniert von solch pseudoreligiösem Brimborium. Furiosa sehnt sich zurück in das geheime Land der Frauen, an den „Ort des Überflusses“, in dem Pfirsichbäume wie im Garten Eden gedeihen.
Einstweilen wächst das entführte Mädchen (da noch gespielt von Alyla Browne) in einem Käfig von Warlord Dementus (Chris Hemsworth) auf. Das ist ein Kämpfer mit Jesus-haarpracht und auf den Rücken geketteten Teddybären. Er steuert einen Streitwagen wie einst Ben Hur. Bloß hat er keine Pferde, sondern drei Motorräder davorgespannt.
Als Furiosa entkommt, kennt sie nur ein Aufgabe: Sie will Dementus töten. Anya Taylor-joy wirft düstere Blicke, mit denen allein sie ihr Ziel erreichen könnte. Sprechen darf sie nur wenige Sätze. Ihre schauspielerische Leistung ragt trotzdem aus dieser Freakshow heraus.
In Furiosas Figur hätte die Chance gelegen, dem Testosteronrausch eine neue Note beizufügen. Doch ist die junge Frau genauso tödlich effektiv wie die Kerle, die imposante Kampfnamen wie Immortan Joe (Lachy Hulme als naher Verwandter von Darth Vader) oder Praetorian Jack (Tom Burke als Gefährte der Heldin) tragen. Die Männer in ihren zerbeulten Kisten glauben nur an eines: „Es war, ist und wird immer Krieg sein.“
„Furiosa: A Mad Max Saga“, Regie: George Miller, mit Anya Taylor-joy, Chris Hemsworth, Tom Burke, Lachy Hulme, 146 Minuten, FSK 16