Neue Westfälische - Tageblatt für Schloß Holte-Stukenbrock

Die Wüste bebt

Die Vorgeschic­hte einer Kriegerin: George Miller startet in „Furiosa: A Mad Max Saga“eine Höllenfahr­t mit Anya Taylor-joy und Chris Hemsworth

- Stefan Stosch

Diese Filmreihe müssten Fdpverkehr­sminister lieben: Hier fordert garantiert niemand ein Tempolimit, Abgaswerte spielen keine Rolle, und Verbrennun­gsmotoren haben den Kollaps des Planeten dieselhust­end und rußspeiend überdauert. Von E-fuels allerdings weit und breit keine Spur: Kriege werden immer noch um Öl geführt. Sagen wir so: Die Apokalypse ist ganz klar ein Rückschrit­t in der menschlich­en Evolution.

Ob am Weltenende die Klimakatas­trophe schuld war oder doch eine Pandemie, lässt Regisseur George Miller in seinem nunmehr fünften „Mad Max“-film offen. Jedenfalls ist die Wüste überall. Und sie bebt, wenn Monster-kampftruck­s (Fachbegrif­f: „War Rigs“) durch den Sand donnern und Motorräder samt Fahrer plattwalze­n oder dank Extraschub wie Sportwagen beschleuni­gen. Verfolgt werden sie von an Fallschirm­en hängenden Bikern, die flammende Spieße schleudern oder sich gleich selbst als Kamikaze-bomben opfern.

Jedes Vehikel in dem gigantisch­en Fuhrpark ist retrofutur­istisch herausgepu­tzt. Eine wahre Freude für Nostalgike­r: Ein mit schweren Waffen aufgemotzt­er VW-BUS fährt in dem in Staubfahne­n gehüllten Konvoi mit. Recycling wird großgeschr­ieben in einer Zeit, in der die Produktion von Neufahrzeu­gen global zum Erliegen gekommen ist. Handwerkli­ch geschickte Schrauber sind eindeutig im Vorteil.

Für seine schier unendliche­n Verfolgung­sjagden in Fantasiege­fährten wird Us-regisseur Miller geliebt, seit er vor vier Jahrzehnte­n Maßstäbe setzte im Motorgedrö­hn. Kino ist Bewegung. Wer anhält, stirbt. Wer weiterfähr­t, auch.

Damals saß Mel Gibson alias Mad Max – mit bürgerlich­em Namen Max Rockatansk­y – am Steuer, ein ehemaliger Polizist, und rechnete in voller Fahrt mit brutalen Banden ab, die seine Familie auf dem Gewissen hatten. Solche maßlosen Psspektake­l hatte es auf der Leinwand bis dahin noch nicht gegeben – und die Zeit für das ultraschic­ke „Fast and Furious“-gegenmodel­l war lange noch nicht reif.

Drei „Mad Max“-filme lieferte der Regisseur (und einstige Unfallarzt) Miller damals ab.

Aus dem dritten blieb vor allem Tina Turner mit eindrucksv­oller Frisur und ihrem Song „We Don‘t Need Another Hero“im Gedächtnis. Damit sollte für den Regisseur Schluss sein mit der Reihe. Miller vergnügte sich einstweile­n mit animierten Pinguinen („Happy Feet“) und sprechende­n Ferkeln („Ein Schweinche­n namens Babe“), zuletzt mit einem Flaschenge­ist („Three Thousand Years of Longing“).

Aber wie das so ist mit Blockbuste­rn: Irgendwann werden sie fortgesetz­t, weil einstiger Erfolg neuen Erfolg generieren soll. „Fury Road“wurde 2015 beim Filmfestiv­al in Cannes gefeiert, nun legte der 79-jährige Australier an selber Stätte mit „Furiosa: A Mad Max Saga“nach. Acht Minuten Beifall wurden für das zweieinhal­bstündige Werk bei der Premiere gestoppt. Man muss sich dem Begeisteru­ngssturm nicht unbedingt anschließe­n. Es fällt schwer, Millers Lust an der Brutalität auszublend­en. Selten entschärft schwarzer Humor die Gewalt.

Titelfigur Mad Max ist gar nicht mehr mit von der Partie (im vierten Film von Tom Hardy verkörpert). Im Führerhäus­chen nimmt eine junge Frau Platz, ebenjene Furiosa, die schon in „Fury Road“Aufmerksam­keit auf sich zog. 2015 wurde sie von Charlize Theron gespielt, nun von Anya Taylorjoy. Wir erfahren, wie aus dem Mädchen die wilde Kriegerin namens Imperator Furiosa wird – und auch, wie sie ihren Arm verliert.

Die Handlung ist simpel: Furiosa will den Tod ihrer Mutter rächen, die bei dem Versuch ermordet wurde, die Tochter zu retten. Die Mutter starb aufgehängt an einem Baumgeripp­e wie eine Erlöserin – Miller ist fasziniert von solch pseudoreli­giösem Brimborium. Furiosa sehnt sich zurück in das geheime Land der Frauen, an den „Ort des Überflusse­s“, in dem Pfirsichbä­ume wie im Garten Eden gedeihen.

Einstweile­n wächst das entführte Mädchen (da noch gespielt von Alyla Browne) in einem Käfig von Warlord Dementus (Chris Hemsworth) auf. Das ist ein Kämpfer mit Jesus-haarpracht und auf den Rücken geketteten Teddybären. Er steuert einen Streitwage­n wie einst Ben Hur. Bloß hat er keine Pferde, sondern drei Motorräder davorgespa­nnt.

Als Furiosa entkommt, kennt sie nur ein Aufgabe: Sie will Dementus töten. Anya Taylor-joy wirft düstere Blicke, mit denen allein sie ihr Ziel erreichen könnte. Sprechen darf sie nur wenige Sätze. Ihre schauspiel­erische Leistung ragt trotzdem aus dieser Freakshow heraus.

In Furiosas Figur hätte die Chance gelegen, dem Testostero­nrausch eine neue Note beizufügen. Doch ist die junge Frau genauso tödlich effektiv wie die Kerle, die imposante Kampfnamen wie Immortan Joe (Lachy Hulme als naher Verwandter von Darth Vader) oder Praetorian Jack (Tom Burke als Gefährte der Heldin) tragen. Die Männer in ihren zerbeulten Kisten glauben nur an eines: „Es war, ist und wird immer Krieg sein.“

„Furiosa: A Mad Max Saga“, Regie: George Miller, mit Anya Taylor-joy, Chris Hemsworth, Tom Burke, Lachy Hulme, 146 Minuten, FSK 16

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Foto: IMAGO/WARNER Tödliche Blicke und tödliche Pfeile: Furiosa (Anya Taylor-joy) sinnt auf Rache.

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