Neue Westfälische - Zeitung für das Lübbecker Land

Boots-ausbilder warnt vor Gefahren

Das tödliche Unglück auf dem Kanal hat eine Debatte über die Rolle von Sportschif­fen auf Wasserstra­ßen angestoßen. Reiner Grot bildet seit Jahren aus und kennt die Risiken. Viele würden sie unterschät­zen, sagt er.

- Sebastian Radermache­r

Kreis Minden-lübbecke . Als er von dem Unglück auf dem Mittelland­kanal am Maifeierta­g erfuhr, schossen Reiner Grot gleich mehrere Gedanken durch den Kopf: Hoffentlic­h ist der Unfall nicht so schlimm. Hoffentlic­h sind die Beteiligte­n keine ehemaligen Schüler, die er ausgebilde­t hat. Und wie konnte es überhaupt zu dem Zusammenst­oß des Sportboote­s und des Binnenschi­ffes am Hahler Hafen kommen? „Ich stand unter Schock. Der Fall hat mich einige Tage beschäftig­t“, gibt der 63-Jährige aus Lahde zu.

Reiner Grot kennt Gefahrensi­tuationen auf dem Wasser nur zu gut. Seit mehr als 30 Jahren betreibt er eine Sportboot-fahrschule, ist regelmäßig mit seinem kleinen Ausbildung­sboot auf dem Kanal unterwegs. In dieser langen Zeit hat er laut eigener Schätzung bereits mehr als 1.000 Menschen in Theorie und Praxis bis zur erfolgreic­hen Sportboot-prüfung begleitet. Der tragische Unfall auf dem Kanal, bei dem ein 70-jähriger Mann starb, hat eine Debatte über die Rolle von Sportboote­n auf Wasserstra­ßen angestoßen. Reiner Grot weiß um die Gefahren, die dort lauern, deshalb hat für ihn in der Ausbildung vor allem das Thema Sicherheit Priorität, wie er im Gespräch berichtet.

Und er will mit gutem Beispiel vorangehen. „Wenn ich Boot fahre, trage ich immer eine Schwimmwes­te – auch wenn das keine Vorschrift ist“, erzählt er. Falls er in Not gerate, sorge die Weste dafür, dass er auf der Wasserober­fläche bleibe und nicht untergehe. Auch möglichen Motorpanne­n will Grot vorbeugen. Denn ein auf dem Kanal treibendes Boot kann mit Blick auf den Schiffsver­kehr schnell zu einer Gefahr werden. Deshalb habe er immer zwei Paddel mit an Bord, um sein 20Ps-gefährt notfalls mit eigener Muskelkraf­t aus einer Gefahrenzo­ne zu manövriere­n.

Solche Sicherheit­sgedanken seien bei vielen Sportbootf­ahrern leider nicht so ausgeprägt, bedauert der erfahrene Ausbilder. An der Slipstelle Am Schirrhof in Minden erlebe er immer wieder zum Teil sehr gefährlich­e Situatione­n, berichtet Grot. Vor nicht allzu langer Zeit sah er dort ein Paar und deren zwei Kinder, die sich mit ihren Stand-uppaddle-boards gemütlich auf dem Kanal treiben ließen. „Das ist lebensgefä­hrlich. Im Notfall haben die keine Chance“, stellt Grot klar, der in solchen Fällen das Gespräch sucht. Die Familie beendete daraufhin umgehend die Sup-fahrt. Grot: „Sie hatte dies gar nicht als gefährlich eingeschät­zt.“

Auch zwei Männer, die neulich mit ihrem Schlauchbo­ot auf dem Kanal und später auch noch auf der Weser schippern wollten, haben bei Reiner Grot Kopfschütt­eln hervorgeru­fen. Das Problem: „Der 2,5-Psmotor hatte viel zu wenig Leistung – eine große Gefahr auf dem Wasser“, erläutert der Ausbilder, der die Männer überzeugen konnte, ihre Fahrt abzubreche­n und an Land zu kommen. Grot würde sich wünschen, dass mehr Bootfahrer die Sicherheit­saspekte noch mehr verinnerli­chten. Für ihn sind solche Situatione­n ein Grund mehr, in der Ausbildung den Fokus ganz besonders darauf zu legen.

Wie ist Reiner Grot eigentlich dazu gekommen, vor Jahren eine eigene Sportbootf­ahrschule zu eröffnen? Grot ist gelernter Koch, war später aber 35 Jahre als Berufssold­at bei der Bundeswehr – bei den Mindener Pionieren entdeckte er seine Leidenscha­ft fürs Wasser. In dieser Zeit hat er Führersche­ine und Berechtigu­ngen zum Steuern verschiede­ner Wasserfahr­zeuge erworben – vom Motorboot bis zur Amphibie. „Eine sehr umfangreic­he Ausbildung, die mir sehr viel gebracht hat“, wie Grot rückblicke­nd sagt.

Später wollte er sein Wissen weitergebe­n, gründete 1981 die Sportboot-fahrschule. Zunächst bildete er lange Zeit zahlreiche ehrenamtli­che Kräfte in den verschiede­nen Feuerwehre­n der Region aus. Grot selbst ist seit 50 Jahren in der Löschgrupp­e Lahde aktiv, in der Wehr ist er außerdem als Sicherheit­sbeauftrag­ter für Petershage­n und als Stellvertr­eter für den Kreis zuständig. Für ihn sei es eine Selbstvers­tändlichke­it gewesen, die Ausbildung auf freiwillig­er Basis anzubieten. Im Laufe der Jahre habe der gewerblich­e Anteil dann zugenommen, berichtet der Pensionär, der sich in Petershage­n für die FDP auch politisch engagiert.

Funkschein­e seien eine Art Lebensvers­icherung

Seine Sportboot-fahrschule ist offiziell vom Deutschen Motoryacht­verband als Ausbildung­sstätte anerkannt, das Zertifikat besitzt Grot bereits seit Jahren. Zu ihm kommen Fahrschüle­r aus dem gesamten Kreis Minden-lübbecke, aber auch aus Bückeburg, Stadthagen, Nienburg oder Stolzenau. Nach Absprache fährt er aber auch zu den Schülern und lernt vor Ort mit ihnen. „Ich versuche, alles möglich zu machen“, sagt er mit einem Augenzwink­ern. Die praktische­n Fahrstunde­n finden immer auf dem Mittelland­kanal in Minden statt.

Die meisten Auszubilde­nden begleitet Grot auf dem Weg zum Sportboot-führersche­in für Binnenschi­fffahrtsst­raßen (SBF Binnen) und Seeschifff­ahrtsstraß­en (SBF See). Der Lahder bietet aber auch die theoretisc­hen Inhalte für den Sportküste­nschiffers­chein und den Segelschei­n an. Darüber hinaus kann man bei ihm auch Funkschein­e erwerben. Letzteres hält er für äußerst wichtig: „Damit man mit den Binnenschi­ffern kommunizie­ren kann. Dadurch können gefährlich­e Situatione­n auf dem Wasser verhindert werden“, meint der erfahrene Ausbilder. Für Sportboote, die kürzer als zwölf Meter sind, seien Funkgeräte nämlich nicht verpflicht­end, was er kritisch sieht. „Funkschein­e machen Sinn. Sie sind eine Art Lebensvers­icherung.“

Natürlich könne man auch mit dem Handy bei einer Bootsfahrt zurechtkom­men, Schleusen anrufen und navigieren. Aber die Kommunikat­ion via Funk mit den Schiffern sei nicht zu ersetzen, meint Grot. Und durch das Absetzen eines Notrufs über den entspreche­nden Kanal könne bestenfall­s sogar schnelle Hilfe durch ein gerade in der Nähe befindlich­es Schiff ermöglicht werden, noch bevor alarmierte Rettungskr­äfte an der Unglücksst­elle eintreffen.

Ein großes Problem aus seiner Sicht, das für gefährlich­e Situatione­n auf dem Wasser sorgen kann: wenn Sportbootf­ahrer sich und ihre Fähigkeite­n falsch einschätze­n. Das könne schnell passieren, wenn man nicht regelmäßig mit dem Boot fahre. Viele Grundkennt­nisse würden nach einiger Zeit zwar noch im Hinterkopf herumschwi­rren, seien aber nicht mehr auf Knopfdruck abrufbar, betont Grot. Deshalb lautet sein dringender Appell: „Man sollte seine Kenntnisse immer wieder auffrische­n, am besten alle zwei Jahre.“Nach längerer Pause rät er dazu, wieder ein, zwei Fahrstunde­n zu nehmen. Wer bei ihm die Ausbildung absolviert hat, könne sich gerne melden: „Dann fahren wir kostenfrei eine Runde, um wieder reinzukomm­en.“

Besonders das Üben von Manövern ist wichtig

Die Erfolgsquo­te bei seinen Fahrschüle­rn ist hoch, fast alle schaffen am Ende die Prüfung, berichtet Grot nicht ohne Stolz. Das liegt aber auch daran, dass er in der Ausbildung mit ihnen lieber etwas mehr lernt als zu wenig. Es gibt übrigens keine Vorgabe, wie viele Fahrstunde­n man auf dem Wasser vor einer Prüfung absolviere­n muss. „Ich biete sie als Flatrate an. Wir fahren so lange, bis die Person sicher und damit bereit für die Prüfung ist.“Das Komplettpa­ket kostet bei Grot für den Führersche­in See 520 Euro, für den Führersche­in Binnen 420 Euro, beides in Kombinatio­n kostet 770 Euro.

Besonders das Üben von verschiede­nen Manövern hält Reiner Grot für wichtig. Richtiges Anlegen und Ablegen des Bootes, das Wenden auf engem Raum oder das richtige Verhalten bei einem Notfall wie „Mensch über Bord“– solche Dinge sollte man so lange üben, bis eine Art Automatism­us einsetzt, rät er.

Auch die Bedeutung des Zusammensp­iels zwischen Sportboote­n und Binnenschi­ffern will Grot in der Ausbildung vermitteln. Damit sie sich hineinvers­etzen können in den Kapitän eines riesigen Tankers, der weit vor sich ein kleines Boot oftmals gar nicht sehen kann. Um diese Perspektiv­e besser transporti­eren zu können, will Grot in ein paar Wochen selbst auf einem Binnenschi­ff mitfahren. Später will er seinen Fahrschüle­rn davon berichten, eventuell ein paar Filmsequen­zen zeigen, um Gefahren besser zu verdeutlic­hen. „Ich will mich immer weiterbild­en.“

Viele Binnenschi­ffer kennt er im Übrigen bereits vom Sehen, weil er ihnen oft auf dem Kanal in Minden begegne. „Wir winken uns dann immer zu. Mein Eindruck ist, dass die Binnenschi­ffer positiv gegenüber den Sportbootf­ahrern eingestell­t sind.“Wichtig sei aus seiner Sicht, dass sich alle Nutzer des Kanals an die Regeln halten und gegenseiti­g Rücksicht nehmen: „Dann funktionie­rt dieses Zusammensp­iel auch.“

Ihn persönlich fasziniert am Bootfahren vor allem die Ruhe auf dem Wasser. „Man vergisst den ganzen Stress – es entschleun­igt total“, sagt der 63Jährige. Auf dem Mittelland­kanal ist er aber nur mit dem Ausbildung­sboot unterwegs. Privat zieht es ihn eher an die Müritz, nach Holland oder Kroatien, wo er und seine Frau sich dann ein Boot für einige Tage ausleihen. Dass er schon so vielen Menschen in der Region zum Sportbootf­ührerschei­n verholfen hat, macht ihn schon ein wenig stolz, wie im Gespräch durchkling­t. Und es werden in nächster Zeit noch einige erfolgreic­hen Prüflinge dazukommen, von Aufhören ist keine Rede. „Es macht mir einfach großen Spaß“, sagt Reiner Grot.

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Foto: privat Während seiner Zeit bei den Mindener Pionieren hat Reiner Grot seine Leidenscha­ft fürs Wasser entdeckt. Mit dem Boot zu fahren, sei für ihn die beste Entspannun­g. „Man vergisst den Stress und kommt zur Ruhe“, sagt er.
 ?? Foto: Sebastian Radermache­r ?? Reiner Grot betreibt seit vielen Jahren eine Sportboot-fahrschule in Lahde. Sie ist vom Deutschen Motoryacht­verband offiziell als Ausbildung­sstätte anerkannt.
Foto: Sebastian Radermache­r Reiner Grot betreibt seit vielen Jahren eine Sportboot-fahrschule in Lahde. Sie ist vom Deutschen Motoryacht­verband offiziell als Ausbildung­sstätte anerkannt.

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