Neue Westfälische - Zeitung für das Lübbecker Land
Boots-ausbilder warnt vor Gefahren
Das tödliche Unglück auf dem Kanal hat eine Debatte über die Rolle von Sportschiffen auf Wasserstraßen angestoßen. Reiner Grot bildet seit Jahren aus und kennt die Risiken. Viele würden sie unterschätzen, sagt er.
Kreis Minden-lübbecke . Als er von dem Unglück auf dem Mittellandkanal am Maifeiertag erfuhr, schossen Reiner Grot gleich mehrere Gedanken durch den Kopf: Hoffentlich ist der Unfall nicht so schlimm. Hoffentlich sind die Beteiligten keine ehemaligen Schüler, die er ausgebildet hat. Und wie konnte es überhaupt zu dem Zusammenstoß des Sportbootes und des Binnenschiffes am Hahler Hafen kommen? „Ich stand unter Schock. Der Fall hat mich einige Tage beschäftigt“, gibt der 63-Jährige aus Lahde zu.
Reiner Grot kennt Gefahrensituationen auf dem Wasser nur zu gut. Seit mehr als 30 Jahren betreibt er eine Sportboot-fahrschule, ist regelmäßig mit seinem kleinen Ausbildungsboot auf dem Kanal unterwegs. In dieser langen Zeit hat er laut eigener Schätzung bereits mehr als 1.000 Menschen in Theorie und Praxis bis zur erfolgreichen Sportboot-prüfung begleitet. Der tragische Unfall auf dem Kanal, bei dem ein 70-jähriger Mann starb, hat eine Debatte über die Rolle von Sportbooten auf Wasserstraßen angestoßen. Reiner Grot weiß um die Gefahren, die dort lauern, deshalb hat für ihn in der Ausbildung vor allem das Thema Sicherheit Priorität, wie er im Gespräch berichtet.
Und er will mit gutem Beispiel vorangehen. „Wenn ich Boot fahre, trage ich immer eine Schwimmweste – auch wenn das keine Vorschrift ist“, erzählt er. Falls er in Not gerate, sorge die Weste dafür, dass er auf der Wasseroberfläche bleibe und nicht untergehe. Auch möglichen Motorpannen will Grot vorbeugen. Denn ein auf dem Kanal treibendes Boot kann mit Blick auf den Schiffsverkehr schnell zu einer Gefahr werden. Deshalb habe er immer zwei Paddel mit an Bord, um sein 20Ps-gefährt notfalls mit eigener Muskelkraft aus einer Gefahrenzone zu manövrieren.
Solche Sicherheitsgedanken seien bei vielen Sportbootfahrern leider nicht so ausgeprägt, bedauert der erfahrene Ausbilder. An der Slipstelle Am Schirrhof in Minden erlebe er immer wieder zum Teil sehr gefährliche Situationen, berichtet Grot. Vor nicht allzu langer Zeit sah er dort ein Paar und deren zwei Kinder, die sich mit ihren Stand-uppaddle-boards gemütlich auf dem Kanal treiben ließen. „Das ist lebensgefährlich. Im Notfall haben die keine Chance“, stellt Grot klar, der in solchen Fällen das Gespräch sucht. Die Familie beendete daraufhin umgehend die Sup-fahrt. Grot: „Sie hatte dies gar nicht als gefährlich eingeschätzt.“
Auch zwei Männer, die neulich mit ihrem Schlauchboot auf dem Kanal und später auch noch auf der Weser schippern wollten, haben bei Reiner Grot Kopfschütteln hervorgerufen. Das Problem: „Der 2,5-Psmotor hatte viel zu wenig Leistung – eine große Gefahr auf dem Wasser“, erläutert der Ausbilder, der die Männer überzeugen konnte, ihre Fahrt abzubrechen und an Land zu kommen. Grot würde sich wünschen, dass mehr Bootfahrer die Sicherheitsaspekte noch mehr verinnerlichten. Für ihn sind solche Situationen ein Grund mehr, in der Ausbildung den Fokus ganz besonders darauf zu legen.
Wie ist Reiner Grot eigentlich dazu gekommen, vor Jahren eine eigene Sportbootfahrschule zu eröffnen? Grot ist gelernter Koch, war später aber 35 Jahre als Berufssoldat bei der Bundeswehr – bei den Mindener Pionieren entdeckte er seine Leidenschaft fürs Wasser. In dieser Zeit hat er Führerscheine und Berechtigungen zum Steuern verschiedener Wasserfahrzeuge erworben – vom Motorboot bis zur Amphibie. „Eine sehr umfangreiche Ausbildung, die mir sehr viel gebracht hat“, wie Grot rückblickend sagt.
Später wollte er sein Wissen weitergeben, gründete 1981 die Sportboot-fahrschule. Zunächst bildete er lange Zeit zahlreiche ehrenamtliche Kräfte in den verschiedenen Feuerwehren der Region aus. Grot selbst ist seit 50 Jahren in der Löschgruppe Lahde aktiv, in der Wehr ist er außerdem als Sicherheitsbeauftragter für Petershagen und als Stellvertreter für den Kreis zuständig. Für ihn sei es eine Selbstverständlichkeit gewesen, die Ausbildung auf freiwilliger Basis anzubieten. Im Laufe der Jahre habe der gewerbliche Anteil dann zugenommen, berichtet der Pensionär, der sich in Petershagen für die FDP auch politisch engagiert.
Funkscheine seien eine Art Lebensversicherung
Seine Sportboot-fahrschule ist offiziell vom Deutschen Motoryachtverband als Ausbildungsstätte anerkannt, das Zertifikat besitzt Grot bereits seit Jahren. Zu ihm kommen Fahrschüler aus dem gesamten Kreis Minden-lübbecke, aber auch aus Bückeburg, Stadthagen, Nienburg oder Stolzenau. Nach Absprache fährt er aber auch zu den Schülern und lernt vor Ort mit ihnen. „Ich versuche, alles möglich zu machen“, sagt er mit einem Augenzwinkern. Die praktischen Fahrstunden finden immer auf dem Mittellandkanal in Minden statt.
Die meisten Auszubildenden begleitet Grot auf dem Weg zum Sportboot-führerschein für Binnenschifffahrtsstraßen (SBF Binnen) und Seeschifffahrtsstraßen (SBF See). Der Lahder bietet aber auch die theoretischen Inhalte für den Sportküstenschifferschein und den Segelschein an. Darüber hinaus kann man bei ihm auch Funkscheine erwerben. Letzteres hält er für äußerst wichtig: „Damit man mit den Binnenschiffern kommunizieren kann. Dadurch können gefährliche Situationen auf dem Wasser verhindert werden“, meint der erfahrene Ausbilder. Für Sportboote, die kürzer als zwölf Meter sind, seien Funkgeräte nämlich nicht verpflichtend, was er kritisch sieht. „Funkscheine machen Sinn. Sie sind eine Art Lebensversicherung.“
Natürlich könne man auch mit dem Handy bei einer Bootsfahrt zurechtkommen, Schleusen anrufen und navigieren. Aber die Kommunikation via Funk mit den Schiffern sei nicht zu ersetzen, meint Grot. Und durch das Absetzen eines Notrufs über den entsprechenden Kanal könne bestenfalls sogar schnelle Hilfe durch ein gerade in der Nähe befindliches Schiff ermöglicht werden, noch bevor alarmierte Rettungskräfte an der Unglücksstelle eintreffen.
Ein großes Problem aus seiner Sicht, das für gefährliche Situationen auf dem Wasser sorgen kann: wenn Sportbootfahrer sich und ihre Fähigkeiten falsch einschätzen. Das könne schnell passieren, wenn man nicht regelmäßig mit dem Boot fahre. Viele Grundkenntnisse würden nach einiger Zeit zwar noch im Hinterkopf herumschwirren, seien aber nicht mehr auf Knopfdruck abrufbar, betont Grot. Deshalb lautet sein dringender Appell: „Man sollte seine Kenntnisse immer wieder auffrischen, am besten alle zwei Jahre.“Nach längerer Pause rät er dazu, wieder ein, zwei Fahrstunden zu nehmen. Wer bei ihm die Ausbildung absolviert hat, könne sich gerne melden: „Dann fahren wir kostenfrei eine Runde, um wieder reinzukommen.“
Besonders das Üben von Manövern ist wichtig
Die Erfolgsquote bei seinen Fahrschülern ist hoch, fast alle schaffen am Ende die Prüfung, berichtet Grot nicht ohne Stolz. Das liegt aber auch daran, dass er in der Ausbildung mit ihnen lieber etwas mehr lernt als zu wenig. Es gibt übrigens keine Vorgabe, wie viele Fahrstunden man auf dem Wasser vor einer Prüfung absolvieren muss. „Ich biete sie als Flatrate an. Wir fahren so lange, bis die Person sicher und damit bereit für die Prüfung ist.“Das Komplettpaket kostet bei Grot für den Führerschein See 520 Euro, für den Führerschein Binnen 420 Euro, beides in Kombination kostet 770 Euro.
Besonders das Üben von verschiedenen Manövern hält Reiner Grot für wichtig. Richtiges Anlegen und Ablegen des Bootes, das Wenden auf engem Raum oder das richtige Verhalten bei einem Notfall wie „Mensch über Bord“– solche Dinge sollte man so lange üben, bis eine Art Automatismus einsetzt, rät er.
Auch die Bedeutung des Zusammenspiels zwischen Sportbooten und Binnenschiffern will Grot in der Ausbildung vermitteln. Damit sie sich hineinversetzen können in den Kapitän eines riesigen Tankers, der weit vor sich ein kleines Boot oftmals gar nicht sehen kann. Um diese Perspektive besser transportieren zu können, will Grot in ein paar Wochen selbst auf einem Binnenschiff mitfahren. Später will er seinen Fahrschülern davon berichten, eventuell ein paar Filmsequenzen zeigen, um Gefahren besser zu verdeutlichen. „Ich will mich immer weiterbilden.“
Viele Binnenschiffer kennt er im Übrigen bereits vom Sehen, weil er ihnen oft auf dem Kanal in Minden begegne. „Wir winken uns dann immer zu. Mein Eindruck ist, dass die Binnenschiffer positiv gegenüber den Sportbootfahrern eingestellt sind.“Wichtig sei aus seiner Sicht, dass sich alle Nutzer des Kanals an die Regeln halten und gegenseitig Rücksicht nehmen: „Dann funktioniert dieses Zusammenspiel auch.“
Ihn persönlich fasziniert am Bootfahren vor allem die Ruhe auf dem Wasser. „Man vergisst den ganzen Stress – es entschleunigt total“, sagt der 63Jährige. Auf dem Mittellandkanal ist er aber nur mit dem Ausbildungsboot unterwegs. Privat zieht es ihn eher an die Müritz, nach Holland oder Kroatien, wo er und seine Frau sich dann ein Boot für einige Tage ausleihen. Dass er schon so vielen Menschen in der Region zum Sportbootführerschein verholfen hat, macht ihn schon ein wenig stolz, wie im Gespräch durchklingt. Und es werden in nächster Zeit noch einige erfolgreichen Prüflinge dazukommen, von Aufhören ist keine Rede. „Es macht mir einfach großen Spaß“, sagt Reiner Grot.