Neue Westfälische - Zeitung für das Lübbecker Land
Zerschlagenes Dorf erinnert an seine 800-jährige Geschichte
Alswede feiert das ganze Jahr über sein Dorfjubiläum. Ein Blick in die Geschichte und in die aktuelle Situation. Und es wird zu einem besonderen Ereignis in der jüngeren Nachkriegsgeschichte geforscht.
Lübbecke. Der Lübbecker Ortsteil Alswede gehört eigentlich nirgendwo so richtig hin. Nicht so richtig zur heutigen Stadt Lübbecke, obwohl er seit der kommunalen Gebietsreform 1972 ihr verwaltungstechnisch zugeordnet wurde. Auch nicht zur neu geschaffenen Stadt Espelkamp, die ebenfalls große Teile des ehemaligen Amtes Alswede wie Gestringen, Fabbenstedt, Fiestel und Vehlage dazu bekommen hat. Und auch nicht zu Preußisch Oldendorf, das die Ortsteile Hedem und Lashorst vom alten Amt erhielt. Doch blieb die alte St.-andreas-kirche im Dorf. Sie bildet auch heute noch – oder vielleicht auch wieder - den Mittelpunkt des Ortes. Gerade erst wurde der moderne „Ableger“, die Trinitatiskirche in Gestringen, geschlossen, sodass die dortigen evangelischen Christen wieder in ihre alte „Amtskirche“zum Gottesdienst gehen. Das gilt im Übrigen auch für den Friedhof, wo Alsweder nach wie vor begraben werden.
Auf 800 Jahre wollen die Alsweder in diesem Jahr zurückblicken und dies auch gebührend feiern. Erst seit einigen Monaten im Amt befindlich ist Ortsheimatpfleger Hartwig Schwier, der noch viele Forschungsansätze in der Alsweder Geschichte sieht. „Kein Amt in unseren Gefilden ist so auseinandergerissen worden durch die kommunale Gebietsreform wie Alswede“, darin sind sich Ortsvorsteher Michael Tiemeier und Hartwig Schwier einig. Auch die zentrale Rolle der Kirche wird von ihnen immer wieder betont. Hinzu kommen die Adelssitze Benkhauen, Ellerburg, Hollwinkel und Hüffe, die Land, Leute und Kirche mitprägten.
Gutsbezirke wurden 1856 ausgegliedert
Im Mittelalter verfügten die Grafen von Tecklenburg über bedeutendes Grundeigentum in Raum Alswede. Die St.-andreas-kirche, eine tecklenburgische Stiftung, gehörte zum damaligen Bistum Minden. Die erste urkundliche Erwähnung
von Alswede bezieht sich auf den Tausch des Zehnten in Alswede gegen den in Nienburg unter Bischof Konrad von Minden mit dem Martinsstift (21. September 1224). Darauf beziehen sich die Alsweder mit ihrer 800-Jahrfeier.
Die Tecklenburger übten mit einer Unterbrechung (1240 bis 1295) das Kirchenpatronat bis 1707 aus, zuvor fiel die Grafschaft an Brandenburg-preußen. Etwa 1856 wurden die Gutsbezirke Benkhausen, Ellerburg, Hollwinkel und Hüffe ausgegliedert. Einen vollkommenen Bedeutungsverlust erlitt deshalb auch Alswede
durch die Gebietsreform. Das sieht man allein an der Bevölkerungszahl, die seinerzeit fast 7.000 Bewohner betrug. Heute kommen, trotz Bevölkerungszuwachses, gerade einmal 1.000 Einwohner im alten Ort zusammen.
Ortsvorsteher Tiemeier ist jedoch zuversichtlich: „Wenn hier ein Haus oder eine Wohnung frei werden, sind sie ganz schnell vermietet oder verkauft.“Dies liege vor allem auch an der zentralen Lage Alswedes, aber auch an der landschaftlichen Idylle. Das seien Fluch und Chance zugleich. Denn als Schlafort werde Alswede immer beliebter, aber zentrale Einrichtungen oder gar Geschäfte ließen sich kaum noch ansiedeln in Alswede. „Das ist unser großes Problem hier. Wir haben keine Gaststätte, keinen Treffpunkt für das Dorf. Wir haben auch bis auf Jakotex und die Volksbank-filiale kein Geschäft mehr.“Dies sei vor allem für die ältere Bevölkerung ein großes Problem, denn die benötigten entweder ein eigenes Auto oder einen guten öffentlichen Personenverkehr, um an die notwendige Versorgung zu kommen.
Infrastruktur lässt zu wünschen übrig
Besonders als man das Jubiläum feiern wollte, merkte man schnell, dass man beispielsweise so etwas wie ein Dorfgemeinschaftshaus benötigte. Konzerte und Kulturveranstaltungen könne man sicherlich in der Kirche feiern, aber längst nicht alles, sind sich die beiden Männer einig.
Auch einen Dorfumzug, wie das in anderen Orten üblich sei, scheitere allein schon daran, dass es so gut wie keine Traktoren gibt, weil Alswede auch kein Bauerndorf mehr sei. „Wir haben noch einen historischen Traktor, das ist auch schon alles“, so Tiemeier. Mit ihm allein lasse sich kein Festumzug bewerkstelligen. Dennoch haben die Alsweder über ein interessantes Detail aus der jüngeren Dorfgeschichte zu berichten. Auch dazu will Hartwig Schwier noch weiter forschen. Dabei sitzt er mit Schülern des Gymnasiums Rahden in einem Boot, die bereits seit einiger Zeit diesem ungewöhnlichen Ereignis der Zeitgeschichte auf der Spur sind.
Was war passiert? Anfang 1946 kamen mehrere Spitzenforscher des Uran-programms der Nazis nach Alswede, wo sie von Briten und Nazis zunächst im ehemaligen Textilhaus Albersmeyer (heute: Jakotex) interniert waren. Dort waren sie – versteckt im ländlichen Umfeld – unter den Augen der britischen Militärverwaltung, die im Schloss Benkhausen und auch in Lübbecke residierte. Hartwig Schwier erläutert: „Sie waren mehrere Monate in Alswede und es gibt noch heute Zeitzeugen, die erzählen können, wie sie Otto Hahn und Co. begegnet sind.“
Die Forscher haben in Alswede weiter geforscht und über Grundlagenforschung philosophiert. Noch im selben Jahr wurde Otto Hahn Präsident der deutschen Max-planckgesellschaft. Ortsheimatpfleger Hartwig Schwier: „So haben wir hier in Alswede ein Stück wichtige deutsche Nachkriegsgeschichte mitgeschrieben.“