Kreml verliert an Einfluss
Für die »Volksrepubliken« reicht das Geld nicht mehr
Auch Russland wird im Rahmen der OSZE-Gruppe Beobachter zu den Parlamentswahlen in der Ukraine entsenden. Einfluss auf deren Ausgang hat Moskau indes nicht. Eine prorussische Partei wird in der neuen Werchowna Rada wohl fehlen. Diese Rolle hatte die Partei der Regionen als Hausmacht des gestürzten Präsidenten Viktor Janukowitsch zuweilen gegeben. Im neuen Zentralparlament ist sie nicht mehr vertreten, für die unter Verbotsdrohungen stehende Kommunistische Partei sieht es schlecht aus.
Russlandfreundliche Losungen im Wahlkampf waren im wählenden Teil der Ukraine, also vor allem im Westen und zentral gleichbedeutend mit einem politischem Selbstmord. Der abtrünnige Südosten boykottiert den Urnengang und will im November eigene Parlamente wählen. Der Schmerz über den Verlust der Krim und faktisch auch des Donbass hat sich ähnlich tief in das kollektive Gedächtnis der Ukrainer eingebrannt wie der Abchasiens und Südossetiens bei den Georgiern. Diese beiden Separatistenregimes wurden neben Russland bisher von ganzen drei Staaten anerkannt.
Faktisch sind sie Protektorat Moskaus und liegen den russischen Steuerzahlern ebenso auf der Tasche wie Transnistrien, das sich 1992 von Moldawien abspaltete. Allein schon deshalb, glauben selbst stramm nationale Beobachter, tauge das Modell Südossetien weder für die Donezker noch für die Lugansker »Volksrepublik«. Sogar staatsnahe Medien setzen das Wort häufig in Gänsefüßchen. Auch würde bei einer wie auch immer gearteten »Assoziierung« der Separatistenregionen der internationale Druck auf Russland dramatisch steigen. Für aktive Gegenmaßnahmen aber fehlt das Geld.
Für die Integration der Krim, deren Beitritt für viele Russen nur ein Testballon war, plündern Kreml und Regierung bereits Rentenkassen und Rücklagen. Wegen der fallenden Ölpreise – Moskau schließt weniger als 60 US-Dollar pro Fass nicht länger aus, hat aber den Haushalt für 2015 noch mit 100 Dollar pro Barrel kalkuliert – zahlen Öl- und Gasförderer auch weniger Steuern und Abgaben. Auf sie entfallen aber über 50 Prozent aller Haushaltseinnahmen.
Die Kassenlage ist so angespannt, dass ernstlich erwogen wird, Studenten im ersten Semester das Stipendium zu streichen. Nikolai Patruschew, mit Putin persönlich befreundeter Koordinator des Nationalen Sicherheitsrates und alles andere als ein Panikmacher, zog in der »Rossiskaja Gaseta«, Amtsblatt der russischen Regierung, Parallelen zum Ölpreisverfall in den 80er Jahren. Der half die von Rohstoffexporten abhängige Sowjetunion zugrunde zu richten.
Am Ölpreis könnte auch die ReIntegration der UdSSR-Spaltprodukte scheitern. Russisches Geld ist der Treibstoff für die Eurasische Wirtschaftsunion, die 2015 den Betrieb aufnehmen soll, und für die Organisation des Vertrags für kollektive Sicherheit – dem Verteidigungsbündnis der UdSSRNachfolgegemeinschaft GUS. Mit deren Erweiterungen stehen und fallen Pläne zur Restauration des Moskauer Einflusses im Südkaukasus und in Zentralasien.