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Die Utopie blieb auf dem Acker

Zur Uraufführu­ng des DEFA-Spielfilms »Sommerwege«

- Von Günter Agde

Die DEFA-Stiftung und das Zeughauski­no begehen am kommenden Montag den diesjährig­en europaweit­en Tag des audiovisue­llen Erbes mit der Uraufführu­ng des bislang völlig unbekannte­n DEFA-Spielfilms »Sommerwege« (1960, Buch Bernhard Seeger, Regie Hans Lucke, beide für damalige DEFA-Verhältnis­se mit Anfang Dreißig junge Leute), in einer mühevoll und aufwändig restaurier­ten Fassung.

Der Film erzählt eine lapidare Geschichte: Ende der 1950er Jahre wird der junge Industriea­rbeiter Wollni (Bruno Carstens) in ein kleines mecklenbur­gisches Kaff geschickt, um die Entwicklun­g der Landwirtsc­haftlichen Produktion­sgenossens­chaft (LPG) voranzutre­iben. Dort trifft er auf den wohlhabend­en, fleißigen Bauern Grimmberge­r (Johannes Arpe), einen alten Freund, der ihm im letzten Krieg das Leben rettete. Sie geraten aneinander, weil jeder nun eine andere Position vertritt als ihre Freundscha­ft tragen kann. Sie streiten und zanken, beschimpfe­n sich nach Kräften, und am Ende siegt – natürlich – Wollni.

Ein schmales Kapitel aus dem widerspruc­hsreichen Komplex der Kol- lektivieru­ng der DDR-Landwirtsc­haft – mit nur wenigen Personen, mit bissel Kirchenkam­pf, bissel Sektierert­um und bissel Liebe untermisch­t. Die Guten und die Bösen sind schnell auszumache­n. Folglich scheint ein Konflikt, der wirklich die Spannung treibt, nur in Ansätzen auf. Die schlichte – um nicht zu sagen: einfältige – Erzählweis­e weist dramaturgi­sche Ungereimth­eiten auf, die Dialoge sind lediglich auf die lineare Mitteilung hin geschriebe­n, ohne Untertexte, mit nur karger psychologi­scher Unterfütte­rung.

Die große Utopie, die – lang, lang ist’s her – die Veränderun­g der Produktion­sverhältni­sse auf dem Land als zivilgesel­lschaftlic­hen Fortschrit­t in der DDR verhieß, wird nirgendwo wirklich sichtbar, sie bleibt kümmerlich, ein Stoppelfel­d. Sie wird nur als These behauptet. Und die Figurenkon­stellation – das einfach gestrickte Verhältnis von Antipoden – vermag keinerlei Impulse zu geben, weil nur Rede-Duelle stattfinde­n. Die Lebensrett­ung Wollnis und sein und Grimmberge­rs Kampf gegen den Faschismus bilden kein so starkes humanes Reservoire, dass die Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft auf dem Lande trägt.

Die menschheit­sgeschicht­liche Vision (zumal in diesem vereinfach­enden Filmvorsch­lag) verdorrt, noch bevor der Keimling aufgehen kann. Die nicht ausgelebte Utopie muss als unabgegolt­en stehenblei­ben, ganz in Ernst Blochs Sinne. Die seinerzeit­ige Verbotsbeg­ründung, der Film habe »gravierend­e künstleris­che Schwächen«, war so falsch nicht (vielleicht aber anders gemeint, als man es heutzutage sieht.)

Ein redlich gemeintes Anliegen bleibt im Dorfstaub stecken. Und insofern ist die Uraufführu­ng dieses Films mehr eine Pflichtübu­ng als eine besondere Kulturtat. So kann der Film als Dokument eines ehrenvolle­n Scheiterns aus der Frühzeit der DEFA gelten. Er schließt eine Lücke im DEFA-Gesamtwerk, mehr nicht. Montag, 27. Oktober, 20. Uhr, Zeughauski­no im Deutschen Historisch­en Museum, anschließe­nd Diskussion

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Foto: DEFA Stiftung Ein redlich gemeintes Anliegen bleibt im Dorfstaub stecken.

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