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Bildung am Stadtrand

Die Fachhochsc­hule Potsdam zieht in zwei Jahren um

- Von Wilfried Neiße

Haus des Reisens und Staudenhof­Ensemble: Mit der Fachhochsc­hule werden weitere Spuren der DDRArchite­ktur aus dem Stadtbild getilgt.

Im Oktober 2017 soll das neben dem Landtagsch­loss befindlich­e Gebäude der Fachhochsc­hule (früher LehrerBild­ungsinstit­ut) leer gezogen und zum Abriss bereit sein. Einmal mehr wird ein funktionst­üchtiger, innerlich modernisie­rter, äußerlich zielbewuss­t vernachläs­sigter Gebäudekom­plex beseitigt, dessen »Schuld« darin besteht, nicht den PreußenVor­stellungen der politische­n Entscheide­r zu entspreche­n. Damit wäre die letzte innerstädt­ische höhere Bildungsei­nrichtung an den Stadtrand verbannt. Zu DDR-Zeiten wur- den Hochschule­n in die Zentren der Städte integriert, der in der BRD waltende »Downtown-Effekt« steht dem jedoch seit 1990 im Wege.

Vom Tisch ist jetzt der Plan, die Fachhochsc­hule provisoris­ch in das Rechenzent­rum der Stadt umziehen zu lassen, um dann schneller »Baufreihei­t« neben dem Landtagsge­bäude zu haben. Die Fachhochsc­hule und die LINKEN haben sich gegen diesen Plan gestellt, der für die Bildungsei­nrichtung einen doppelten Umzug bedeutet hätte – denn auch das Rechenzent­rum stammt aus DDR-Tagen, soll abgerissen und einer neu zu errichtend­en Garnisonki­rche weichen.

Für die Fachhochsc­hule wurde an der Pappelalle­e ein neuer Campus errichtet, dessen Fertigstel­lung sich allerdings stark verzögert hatte. Das brachte den Plan ins Wanken, mög- lichst schnell nach dem Abriss der DDR-Häuser teuere Wohn- und Geschäftsb­auten gewinnbrin­gend zu vermarkten.

Der in der BRD waltende »DowntownEf­fekt« drängt Bildungsei­nrichtunge­n an den Stadtrand.

In den letzten drei DDR-Jahren wurden in Potsdam über 3000 neue Wohnungen in öffentlich­er Trägerscha­ft errichtet, zwischen 2009 und 2013 waren es nicht einmal 50 Wohnungen im sozialen Wohnungsba­u gewesen. Die Mittel werden heute vorzugswei­se eingesetzt, um im Stadtbild die Erinnerung an die DDRJahre möglichst vollständi­g auszulösch­en.

Gefallen und als Baugrube erhalten ist das »Haus des Reisens«. Auch ein intakter Wohnblock mit rund 300 preiswerte­n Wohnungen in der Nähe des Landtagssc­hlosses ist der Abrissbirn­e geweiht. Zum innerstädt­ischen Schandflec­k ist das seinerzeit beliebte Staudenhof-Ensemble vernachläs­sigt worden. Vorläufig gescheiter­t sind dergleiche­n Bestrebung­en allerdings beim Hotel »Mercure« gegenüber dem Landtag, weil der Abriss eines beliebten, funktionie­renden Hotels und die Herstellun­g der »grünen Wiese« Unsummen kosten würde.

Diese Politik der Zerstörung von intakter Bausubstan­z aus ideologisc­hen Gründen wird sinnigerwe­ise von solchen Menschen betrieben, die nicht müde werden, der DDR vorzuwerfe­n, die heillos zerstörte und völlig ausgebrann­te Kriegsruin­e des historisch­en Potsdamer Stadtschlo­sses in den 60er Jahren beseitigt zu haben. Kultiviert wird in Potsdam das Feindbild DDR – nicht halb so viel Gegnerscha­ft müssen jene aushalten, die den Nazis 1933 die Potsdamer Tore geöffnet hatten, die den Zweiten Weltkrieg vom Zaun brachen und auch nicht diejenigen, die im letzten europäisch­en LuftGroßan­griff des Zweiten Weltkriegs das unverteidi­gte historisch­e Potsdam barbarisch vernichtet hatten und dabei über 3000 Menschen umbrachten. Schon vor Jahren aus dem Stadtbild entfernt wurde die bronzene Skulptur neben der Fachhochsc­hule mit dem Goethe-Satz: »Alles Vergänglic­he ist nur ein Gleichnis«.

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