Hannover: CDU entdeckt Stasi-Thema
Kommission soll Treiben der HVA aufdecken
Wie und wo ist die Staatssicherheit der DDR in Niedersachsen aktiv gewesen? Knapp ein Vierteljahrhundert nach Auflösung des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) ist es der CDU in Niedersachsen eingefallen, eine Enquete-Kommission zum Aufarbeiten der Stasi-Aktivitäten zu fordern. Hat eine unlängst ausgestrahlte Fernseh-Dokumentation des NDR zu jenem Thema in der Union ihren späten Wunsch geweckt? Oder tat dies der Deutschlandjubel, der am 3. Oktober durch Hannover zog und auch am Mittwoch im Parlament nachhallte? Einige Wortbeiträge zum CDUAntrag wirkten wie ein Nachtisch zu der opulenten Einheitsfeierei. Das »Gefühl des Dankes« wurde ebenso beschworen wie das »Glück in der Geschichte«, ehe sich die Politiker dem MfS widmeten
Die Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) jenes Ministeriums, so heißt es im Antrag der CDU, habe in Zusammenarbeit mit dem sowjetischen Geheimdienst KGB versucht, »durch Desinformation und Zersetzung« in der BRD Einfluss zu nehmen. Dies besage eine Studie des Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen. Jener Dokumentation sei des Weiteren zu entnehmen, dass die HVA auch wissenschaftliche Einrichtungen wie das Institut für Chemie der Universität Braunschweig oder die Bundesanstalt für Geologie und Rohstoffe in Hannover ins Visier genommen hätte. »Objekte der Zivilverteidigung« seien ebenfalls ausspioniert worden, beispielsweise das Technische Hilfswerk und sogar Straßenbauangestellte sowie Bauaufseher. Hauptobjekte der Beobachtung seien aber die Landesverbände von CDU und SPD sowie das niedersächsische Innenministerium gewesen.
Offenbar will die CDU auch aufgedeckt wissen, wer in Niedersachsen für das MfS tätig war, bemerkt doch die Union: Noch seien »die willfährigen und geldgierigen Helfer« der HVA zum Großteil unbekannt.
Den Menschen, die das MfS verfolgt habe, solle die Enquete-Kommission »eine Stimme verleihen«, sagte CDU-Fraktionschef Björn Thümler. Solch ein Gremium mit seiner Verbindung zur Öffentlichkeit sei am besten zum Aufarbeiten der Stasi-Aktivitäten geeignet. Ein großer Teil der politischen Häftlinge der DDR, die von der Bundesregierung frei gekauft wurden, habe in Niedersachsen eine neue Heimat gefunden. »Gerade für diese Menschen wäre es ein Affront, wenn ihr Schicksal von einer Historiker-Kommission hinter verschlossen Türen verhandelt würde«, meinte der CDU-Abgeordnete.
Einig waren sich alle Fraktionen darin, dass das Thema MfS angepackt werden soll. Nur die Frage, wie das geschehen kann, ist noch offen. Es müsse keine Enquete-Kommission sein, bemerkte der rechtspolitische Sprecher der Grünen, Helge Limburg. Ein solches Gremium sei doch in der Regel auf Zukünftiges ausgerichtet und nicht auf Untersuchungen, welche die Vergangenheit betreffen. Es gebe andere geeignete Instrumente, etwa öffentliche Anhörungen. Grundsätzlich sei der Wunsch nach Aufarbeitung »ein ehrenwertes Anliegen«. Wichtig sei jedoch, dass die Beschäftigung mit Unrecht in der DDR nicht in gegenwärtigen politischen Auseinandersetzungen missbraucht wird.
Die Enquete-Kommission, so die CDU, könne aus Abgeordneten aller Fraktionen und mehreren Sachverständigen gebildet werden. Doch zunächst wird der Ältestenrat des Landtages diskutieren, ob sich ein solches oder ein anderes Gremium mit dem Tun des MfS beschäftigen soll.