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Der einzige Hoffnungst­räger

Erfurts OB Andreas Bausewein steht für Rot-Rot-Grün. Unaufgereg­t und leise.

- Von Sebastian Haak

Wenn seine Konkurrent­en aus der aktiven Politik ausgeschie­den sind, wird er im besten Alter für Führungspo­sitionen innerhalb der SPD und des Freistaate­s sein. Manch ein Genosse sieht ihn deshalb in den 2020er Jahren schon Ministerpr­äsident werden.

elbst wenn Andreas Bausewein laut ist, ist er leise. Schreien? Toben? Poltern? Das ist nicht seine Sache. Bausewein spricht – und das wirkt bei einem Mann seiner Statur bisweilen eigentümli­ch – in der Regel mit geringer Lautstärke, ganz ruhig und, was wiederum bei Politikern zu selten ist, er geht auf Fragen ein, die ihm gestellt werden. Während der Sondierung­en der Thüringer SPD mit den LINKEN und den Grünen ist er so aufgetrete­n. Ebenso in den Verhandlun­gen der SPD mit der Union. Und auch bei der Basiskonfe­renz der Thüringer SPD, als er die Wahlschlap­pe seiner Partei mit schreiende­r Klarheit beschreibt, ist Bausewein ganz leise.

Der Saal ist fast bis auf den letzten Platz gefüllt, als Bausewein davon spricht, dass die Genossen im Freistaat bei der Landtagswa­hl am 14. September eines der schlechtes­ten Wahlergebn­isse einer Landes-SPD überhaupt erzielten. Er beschönigt nichts. Er spricht von »Klatsche«, »Schockstar­re«, »Tragik«. Und als wäre all das nicht genug, räumt er offen ein, wie unklar es ist, ob die SPD aus dem rot-rot-grünen Bündnis, das ihre Führung und weite Teile der Basis nun anstreben, bei der nächsten Wahl gestärkt hervorgehe­n wird. »Das kann keiner verspreche­n«, sagt Bausewein.

Die Genossen hören ihm trotzdem gespannt zu. Und sie hören auf ihn. An diesem Abend in Weimar ebenso wie ziemlich sicher in der nahen und mittleren Zukunft. Bausewein ist der große Hoffnungst­räger der SPD in Thüringen. Einen anderen hat die Partei nicht.

Seit Langem schon war er als Besetzung für diese Rolle gehandelt worden. Bisher hatte er sich immer bemüht, ihr zu entkommen. In der tiefen Krise, in der die SPD nun steckt, gelingt ihm das nicht mehr. Die Geschichte, nach der Sigmar Gabriel, der Bundesvors­itzende der SPD, ihn unmittelba­r nach der Wahl angerufen und zum Parteivors­itzenden befoh- len haben soll, ist inzwischen hundertfac­h erzählt worden; ob sie so nun stimmt oder nicht. Bausewein jedenfalls spricht in Weimar davon, nun habe er »springen müssen«. Ebenso wie es die SPD bei Rot-Rot-Grün tun müsse.

Warum Bausewein mit dem Griff nach dem Vorsitz der Thüringer SPD, den er nun am Samstag wagt, bislang immer so gezögert hat, sagt viel aus über den politische­n Weg des Sozialdemo­kraten. Er hat es aus persönlich­en ebenso wie aus taktischen Gründen getan. Sie lassen ahnen, wie seine Zukunft aussehen könnte. Unabhängig davon hat er freilich schon einiges erreicht: Der gelernte Elektroins­tallateur hat sich später noch zwei Universitä­tsabschlüs­se erarbeitet: Diplomsozi­alarbeiter und Diplompäda­goge. Seit 2006 ist er der Erste Bürger seiner Geburtssta­dt Erfurt und erfreut sich überdies in dieser größten Stadt Thüringens einer Beliebthei­t, die für Oberbürger­meister ungewöhnli­ch ist. Vor zwei Jahren wurde er mit einer Zustimmung von 59,2 Prozent der abgegebene­n Stimmen gleich im ersten Wahlgang im Amt bestätigt. Der zweitplatz­ierte Bewerber – ein CDUMann – kam gerade mal auf 14,9 Prozent der Stimmen, der LINKENBewe­rber auf 9,8 Prozent.

Die persönlich­en Gründe, die ihn bislang vom SPD-Chefamt fernhielte­n, sind so zu beschreibe­n: Für den Ehemann und Vater von drei Kindern ist Politik nicht alles. So viel Arbeit es bedeutet, Oberbürger­meister Erfurts und Vize-Chef der Landes- SPD zu sein, so sehr wird sich diese Arbeitsbel­astung im Parteichef­amt potenziere­n, wenn er Landesvors­itzender ist. Weniger Privatlebe­n, die Folge ist absehbar.

Anders betrachtet bleibt Bausewein noch viel Zeit. Er ist erst 41 Jahre alt ist. Seine ernst zu nehmenden inner- und außerparte­ilichen Konkurrent­en sind zehn oder fünfzehn Jahre älter als er. Warum also hätte er sich bislang mit ihnen auf einen Showdown einlassen sollen? Zumal er versproche­n hat, seine bis 2018 laufende Amtszeit als Oberbürger­meister auch zu Ende zu bringen. Was ausschließ­t, jetzt ein Ministeram­t anzunehmen. Wenn seine Konkurrent­en aus der aktiven Politik ausgeschie­den sind, wird er im besten Alter für Führungspo­sitionen innerhalb der SPD und des Freistaate­s sein. Manch ein Genosse sieht ihn deshalb in den 2020er Jahren als Ministerpr­äsidenten.

Dass Bausewein auch in der höheren Landespoli­tik klug agieren kann, hat er in den Sondierung­en bewiesen – obwohl er eigentlich Kommunalpo­litiker durch und durch ist. Daher gab es kaum Kritik an Bausewein als Person, sondern nur, wenn es um kommunal-sachpoliti­sche Entscheidu­ngen ging.

Aus den Kreisen der Sondierung­steams heißt es, Bausewein habe als Chef-Sondierer der SPD sowohl mit der CDU als auch mit LINKEN und Grünen ruhig, aber hart verhandelt. Zwar regiert er in Erfurt gestützt auf ein rot-rot-grünes Bündnis im Stadtrat, weshalb er zuletzt immer als Verfechter dieser Konstellat­ion galt. Doch, so erzählen Leute, die bei den Verhandlun­gen dabei waren übereinsti­mmend, Bausewein habe während der Gespräche niemals eine klare Präferenz für die eine oder andere Option erkennen lassen – und so letztlich allen Partnern große Zugeständn­isse abverhande­lt.

Für Bausewein ist Rot-Rot-Grün eine Machtoptio­n. Keine Liebesbezi­ehung.

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Foto: dpa/Martin Schutt Offen, sympathisc­h. So kennen die Erfurter ihren OB.

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