Der einzige Hoffnungsträger
Erfurts OB Andreas Bausewein steht für Rot-Rot-Grün. Unaufgeregt und leise.
Wenn seine Konkurrenten aus der aktiven Politik ausgeschieden sind, wird er im besten Alter für Führungspositionen innerhalb der SPD und des Freistaates sein. Manch ein Genosse sieht ihn deshalb in den 2020er Jahren schon Ministerpräsident werden.
elbst wenn Andreas Bausewein laut ist, ist er leise. Schreien? Toben? Poltern? Das ist nicht seine Sache. Bausewein spricht – und das wirkt bei einem Mann seiner Statur bisweilen eigentümlich – in der Regel mit geringer Lautstärke, ganz ruhig und, was wiederum bei Politikern zu selten ist, er geht auf Fragen ein, die ihm gestellt werden. Während der Sondierungen der Thüringer SPD mit den LINKEN und den Grünen ist er so aufgetreten. Ebenso in den Verhandlungen der SPD mit der Union. Und auch bei der Basiskonferenz der Thüringer SPD, als er die Wahlschlappe seiner Partei mit schreiender Klarheit beschreibt, ist Bausewein ganz leise.
Der Saal ist fast bis auf den letzten Platz gefüllt, als Bausewein davon spricht, dass die Genossen im Freistaat bei der Landtagswahl am 14. September eines der schlechtesten Wahlergebnisse einer Landes-SPD überhaupt erzielten. Er beschönigt nichts. Er spricht von »Klatsche«, »Schockstarre«, »Tragik«. Und als wäre all das nicht genug, räumt er offen ein, wie unklar es ist, ob die SPD aus dem rot-rot-grünen Bündnis, das ihre Führung und weite Teile der Basis nun anstreben, bei der nächsten Wahl gestärkt hervorgehen wird. »Das kann keiner versprechen«, sagt Bausewein.
Die Genossen hören ihm trotzdem gespannt zu. Und sie hören auf ihn. An diesem Abend in Weimar ebenso wie ziemlich sicher in der nahen und mittleren Zukunft. Bausewein ist der große Hoffnungsträger der SPD in Thüringen. Einen anderen hat die Partei nicht.
Seit Langem schon war er als Besetzung für diese Rolle gehandelt worden. Bisher hatte er sich immer bemüht, ihr zu entkommen. In der tiefen Krise, in der die SPD nun steckt, gelingt ihm das nicht mehr. Die Geschichte, nach der Sigmar Gabriel, der Bundesvorsitzende der SPD, ihn unmittelbar nach der Wahl angerufen und zum Parteivorsitzenden befoh- len haben soll, ist inzwischen hundertfach erzählt worden; ob sie so nun stimmt oder nicht. Bausewein jedenfalls spricht in Weimar davon, nun habe er »springen müssen«. Ebenso wie es die SPD bei Rot-Rot-Grün tun müsse.
Warum Bausewein mit dem Griff nach dem Vorsitz der Thüringer SPD, den er nun am Samstag wagt, bislang immer so gezögert hat, sagt viel aus über den politischen Weg des Sozialdemokraten. Er hat es aus persönlichen ebenso wie aus taktischen Gründen getan. Sie lassen ahnen, wie seine Zukunft aussehen könnte. Unabhängig davon hat er freilich schon einiges erreicht: Der gelernte Elektroinstallateur hat sich später noch zwei Universitätsabschlüsse erarbeitet: Diplomsozialarbeiter und Diplompädagoge. Seit 2006 ist er der Erste Bürger seiner Geburtsstadt Erfurt und erfreut sich überdies in dieser größten Stadt Thüringens einer Beliebtheit, die für Oberbürgermeister ungewöhnlich ist. Vor zwei Jahren wurde er mit einer Zustimmung von 59,2 Prozent der abgegebenen Stimmen gleich im ersten Wahlgang im Amt bestätigt. Der zweitplatzierte Bewerber – ein CDUMann – kam gerade mal auf 14,9 Prozent der Stimmen, der LINKENBewerber auf 9,8 Prozent.
Die persönlichen Gründe, die ihn bislang vom SPD-Chefamt fernhielten, sind so zu beschreiben: Für den Ehemann und Vater von drei Kindern ist Politik nicht alles. So viel Arbeit es bedeutet, Oberbürgermeister Erfurts und Vize-Chef der Landes- SPD zu sein, so sehr wird sich diese Arbeitsbelastung im Parteichefamt potenzieren, wenn er Landesvorsitzender ist. Weniger Privatleben, die Folge ist absehbar.
Anders betrachtet bleibt Bausewein noch viel Zeit. Er ist erst 41 Jahre alt ist. Seine ernst zu nehmenden inner- und außerparteilichen Konkurrenten sind zehn oder fünfzehn Jahre älter als er. Warum also hätte er sich bislang mit ihnen auf einen Showdown einlassen sollen? Zumal er versprochen hat, seine bis 2018 laufende Amtszeit als Oberbürgermeister auch zu Ende zu bringen. Was ausschließt, jetzt ein Ministeramt anzunehmen. Wenn seine Konkurrenten aus der aktiven Politik ausgeschieden sind, wird er im besten Alter für Führungspositionen innerhalb der SPD und des Freistaates sein. Manch ein Genosse sieht ihn deshalb in den 2020er Jahren als Ministerpräsidenten.
Dass Bausewein auch in der höheren Landespolitik klug agieren kann, hat er in den Sondierungen bewiesen – obwohl er eigentlich Kommunalpolitiker durch und durch ist. Daher gab es kaum Kritik an Bausewein als Person, sondern nur, wenn es um kommunal-sachpolitische Entscheidungen ging.
Aus den Kreisen der Sondierungsteams heißt es, Bausewein habe als Chef-Sondierer der SPD sowohl mit der CDU als auch mit LINKEN und Grünen ruhig, aber hart verhandelt. Zwar regiert er in Erfurt gestützt auf ein rot-rot-grünes Bündnis im Stadtrat, weshalb er zuletzt immer als Verfechter dieser Konstellation galt. Doch, so erzählen Leute, die bei den Verhandlungen dabei waren übereinstimmend, Bausewein habe während der Gespräche niemals eine klare Präferenz für die eine oder andere Option erkennen lassen – und so letztlich allen Partnern große Zugeständnisse abverhandelt.
Für Bausewein ist Rot-Rot-Grün eine Machtoption. Keine Liebesbeziehung.